Brüderliche Besorgnis

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Kapitel 9

Ich fühlte mich leer.

So unfassbar leer! Als hätte man mir all meinen Lebensinhalt geraubt.

Es fühlte sich so an wie damals. Genau so trübselig und traurig saß ich auf dem Boden und vergrub mein Gesicht in meiner Hand. In der Hoffnung ich sei von der Welt abgetrennt; sodass mich niemand sehen konnte. Als wäre ich in einem dunklem Raum, der mich vor der Außenwelt verstecken könnte.

Doch dem war nicht so.

Gedämpft hörte ich die Stimmen um mich herum auf mich einreden. Es waren wahrscheinlich noch nicht einmal viele, doch es hörte sich so an, als würden tausende um mich herumstehen und mit dem Fingern auf mich zeigen.

Das einzige, was ich wollte war Stille und Ruhe

Weder wollte ich etwas sehen, noch etwas hören, geschweige denn etwas fühlen.

Ich wollte mich einfach von der Welt abkapseln - Wenn auch nur für ein paar Minuten.

Vermutlich begann ich deswegen aus einem Impuls heraus zu handeln.

Augenblicklich schlug ich meine Hände von meinen Augen; versuchte aufzustehen, was gar nicht so einfach war; schlug eine Hand, die sich auf meinen Arm legte und mich festzuhalten versuchte weg und lief instinktiv in irgendeine Richtung los.

Ganz egal in welche... Einfach weg von der Situation sowie der Realität!

Aus meinem Augenwinkel hatte ich zwei Personen gesehen. Ich vermutete, dass der eine davon Harry war, da dieser eine Brille getragen und dunkle Haare hatte. Den oder die andere hatte ich nicht gesehen.

Es war mir auch eigentlich egal.

Das einzige, was sich in meinem Gehirn dauerhaft abspielte war, das Bedürfnis, weit weg zu wollen.

Ich rannte um die nächste Ecke, eine Treppe nach oben und noch eine, bis ich in einem Flur ankam, an dem eine mächtige Türe nach draußen führte.

Zum Glück waren die meisten Schüler gerade im Unterricht, weswegen mir nur vereinzelt Personen entgegenkamen und mich mit verwirrten Blicken beäugten.

Kein Wunder, ich rannte auch wie ein hysterisches Huhn durch die Schule.

Das erste Gefühl, dass ich hatte, als ich die Tür öffnete, war... irgendwie Erleichterung.

Ein eiskalter Wind blies mir entgegen. Die Sonne hatte sich hinter dichten Wolken versteckt. Eine Gänsehaut schlich sich auf meinen gesamten Körper, als ich über die Brücke lief.

Das Wetter passte zu meiner Gefühlslage. Trostlos.

Außerdem trug ich weder eine wärmende Jacke noch einen recht langen Rock, doch auch das verdrängte ich in meiner ausweglos scheinenden Lage.

Ich wusste gar nicht wo ich eigentlich hinrannte, doch nach mehr als zehn Minuten kam ich schwer atmend an dem Ufer eines großen Sees an.

Er war dunkel in seiner Farbe und bewegte sich, wegen des Windes, sehr stark. Wellen schwappten übereinander und vergruben sich wieder gegenseitig in den Tiefen des Sees.

Ich ließ mich an den Rand fallen; zog meine Beine nah an mich heran; umfasste diese mit meinen Armen; legte meine Kopf darauf ab und blickte darüber hinweg zu dem Wald, der sich  genau dahinter befand.

Die Äste peitschten nur so um sich und bildeten so ein stürmisches Schauspiel.

Je länger ich mit meinem Blick dort verweilte, desto länger und intensiver konzentrierte ich mich auf die Dunkelheit, die sich zwischen den Stämmen der Bäume befand.

Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Ich hasste die Dunkelheit, versuchte mich aber mehr auf diese Angst zu versteifen, als mich meinen achterbahnfahrenden Gefühlen zu widmen.

Als ich jedoch plötzlich ein Geräusch hinter mir vernahm, drehte ich mich erschrocken, so schnell wie möglich um. Mein Puls raste bei dem Anblick einer Person, die ich zunächst nicht richtig identifizieren konnte.

Erst nach einigen Sekunden, in denen er näher gekommen war, erkannte ich meinen Bruder.
Ein Stein fiel mir von Herzen.

"Wie kannst du mich nur so erschrecken?", fragte ich Fred empört und sah ihm dabei zu, wie er sich neben mich fallen ließ.

"Entschuldigung", kam es nur von ihm und alleine bei diesem Wort wusste ich, dass dies kein lustiges Gespräch werden würde.

Er würde sich niemals entschuldigen, sondern eher sich noch zusätzlich einen Spaß über meine Reaktion erlauben - Normalerweise.

"Freddy ich hab Mist gebaut", gab ich sogleich zu, um so schnell wie möglich wieder aus dieser Situation fliehen zu können.

"Ich weiß"

"Du hast also alles gehört?"

Er nickte. "Nicht nur ich leider"

"Mist", entkam es mir leise. Ich ließ meinen Blick zurück über den See schweifen.

Das würde sich gewiss wie ein Lauffeuer verbreiten. Wenn ich jetzt zurück gehen würde, wüssten es bestimmt schon die meisten. Das hatte mir gerade noch gefehlt.

"Hast du es mit Absicht getan?"

"Was?", ich glaubte mich verhört zu haben, "Natürlich nicht. Ich war betrunken und wusste nicht was ich tue. Das musst du mir glauben!"

Fred erwiderte nichts darauf sondern nickte nur. 

"Was soll ich denn jetzt machen Freddy?", fragte ich meinen Bruder hilflos klingend, in der Hoffnung, er hätte die perfekte Antwort für mich parat. 

Schon damals hatte er mir so sehr geholfen und war für mich da gewesen. Eigentlich hätte er es mal verdient gehabt, dass ich für ihn da bin, aber wenn ich immer die war, die scheiße bauen musste..

"Naja viel tun kannst du jetzt nicht mehr"

Ich sah zu ihm hinüber. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet. Adrian war auch mit ihm gut befreundet, was die Lage nicht gerade verbesserte.

Da traf mich eine Erkenntnis besonders stark: "Ich bin diesmal das Monster, nicht wahr? Natürlich! Ich bin für all das verantwortlich... Ich hab ihn verletzt und alles kaputt gemacht"

Wieder stiegen mir Tränen in die Augen, jedoch versuchte ich diese zurückzuhalten. 

"Caity, du bist kein Monster! Du hast einen Fehler gemacht, ja, aber deshalb bist du noch lange kein Monster. Du kannst dich beim besten Willen nicht mit ihm vergleichen! Das einzige, was du jetzt tun kannst, ist es besser zu machen", er schaute mich nun ernst an. 

"Meinst du?"

"Ja das meine ich", bestärkte er seine Aussage.

Er machte eine Handbewegung zu sich hin gerichtet und sagte: "Komm her"

Ich rückte näher an ihn und ließ meinen Kopf auf Fred's Schulter nieder. Seine Wärme ging sogleich auf mich über; während er seinen Arm um mich legte und mir so zeigte, dass er für mich da war.

"Danke", flüsterte ich leise und schloss meine Augen für einen kurzen Moment.

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Gefährliches Verlangen || Draco×CaityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt