Kapitel 26

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Als ich von den in mein Zimmer strahlenden Sonnenstrahlen an der Nase gekitzelt wurde, öffnete ich meine mit Mascara verklebten Augen. Für einen kurzen Moment hoffte ich, dass gestern nie passiert war und das ich gerade auf der Couch in John B's Haus liegen würde. Doch meine Umgebung hielt mich vom Wünschen ab. Mit einem dumpfen Gefühl im Magen raffte ich mich auf und lief in das direkt am Zimmer angeschlossene Bad. Mit kaltem Wasser wusch ich mir die verlaufene Schminke ab. Plötzlich hörte ich, wie meine Zimmertür aufgeschlossen wurde. "Hey, ich bins, Wheezie". "Wheezie?", wiederholte ich fragend und trat aus dem Bad. "Ich habe dir was frisches zum anziehen mitgebracht, ist von Sarah. Kommst du nachher auch runter mit uns frühstücken?" Verwirrt sah ich ihr zu, wie sie mir ein blaues Kleid auf das Bett legte und dann die Türe beim rausgehen schloss.

Den Umständen entsprechend sprang ich tatsächlich kurz unter die dringend benötigte Dusche. Meine nassen Haare liess ich offen. Ich habe dem Kleid keines Blickes gewürdigt und zog mir wieder meine alten Sachen an. Wenn es etwas gab, was ich hasste, dann waren es Kleider. Niemand könnte mich je in so ein Ding zwingen.

Die Routine, am Morgen kurz mein Smartphone zu checken, musste leider ausfallen, denn dies hatte ich irgendwo bei John B liegen lassen. Mit den auf meinen Schulter liegenden, nassen Haaren, lief ich die Treppe runter.

Um zum Esszimmer zu gelangen, musste man erstmals die Küche durchqueren, was ich gleich tat. Bevor ich um die Ecke ging, um mich meinem Schicksal zu stellen, kam plötzlich jemand aus dem Raum vor mir. Sofort bremste ich ab, als ich Rafe vor mir stehen sah. Ausdruckslos sah er mich an. "Geh aus dem Weg", schnauzte ich ihn an, ohne einmal vom Boden aufzuschauen. Ich brachte es nicht über mich, so einem Kerl ins Gesicht zu schauen, nach Allem was er getan hatte.

"Gia", sagte er gespielt überrascht. Ich reagierte nicht. Nachdem er sich mehrere Male gestresst durch die Haare fuhr murmelte er ein "Tut mir leid". Erst dann sah ich auf, jedoch nicht weil ich ihm verzieh. "Es tut dir leid?", sagte ich lachend, fast hysterisch. Rafe sah mich stumm an. Es wirkte fast so, als hätte er das erste Mal nichts zu sagen. "Sag mal hast du sie noch alle?" Mit einem wütenden Schnauben drehte er sich zur Seite, dann wieder zurück zu mir. "Ich versuche dir gerade zu sagen, dass es mir leid tut okay?" "Denkst du ernsthaft, dass du die ganze Scheisse, die du durchgezogen hast, mit einem tut-mir-leid wieder in Ordnung bringen kannst?" Rafe begann immer wieder den Kopf zu schütteln. "Du verstehst das nicht", murmelte er. "Nein, ich kann und will es nicht verstehen und jetzt lass mich in Ruhe".

Mein Appetit war in der Sekunde verschwunden, in der ich Rafe begegnet war. Gerade als ich wieder nach oben in mein Zimmer verschwinden wollte, kam mir Ward mit einem grossen Lachen auf den Lippen entgegen. "Morgen Gia, gut geschlafen?" Ich blieb stumm. "Rafe, bist du bereit?" "Muss noch schnell meine Tasche holen". "Wo geht ihr hin?", fragte ich aus gespielter Neugier. "Wir fliegen zu den Bahamas". Das Gold. Sie mussten es dort im Verbogenen gehalten haben.

"Du kannst hier bei Wheezie und Rose bleiben. In ein paar Tagen sind wir wieder da". Ohne einen grossen Abschied verliessen die beiden Männer das Haus. Rafe hielt sich aber nicht zurück, mir einen kurzen Blick des Mitleides zuzuwerfen. Ich wusste nicht, was er mit den plötzlichen Entschuldigungen bezwecken wollte und beschloss, daran keinen Gedanken mehr zu verschwenden.

Nachdem der grosse Truck der Camerons das Anwesen verliess, lief ich in die Küche. Meine Gedanken waren natürlich sofort wieder bei den Pogues, doch dieses Mal war ich mir nicht so sicher, ob sie mich ohne Fragen zu stellen wieder bei sich aufnehmen würden. Keiner von ihnen hatte verstanden, wieso ich auf einmal mit Shoupe mitgegangen war, den sie kannten die Bedingungen nicht, unter denen ich hier bleiben darf. Bis jetzt hatte ich es noch nicht über mich gebracht, die ganze Story meiner Vergangenheit zu erzählen und ehrlich gesagt hatte ich es in nächster Zeit auch nicht vor.

"Ihr könnt hier nicht einfach so auftauchen", kam es plötzlich laut von Wheezie. Ich liess mein angegessenes Toastbrot zurück auf den Teller fallen und lief in schnellen Schritten Richtung Haustüre. Mein Herz machte einen kleinen Freudensprung, als es Kie entdeckte.

"Gia, schnell", sagte sie ausser Atem. Anscheinend war sie gerannt. "Was ist lost Kie?" Ihr Blick fiel auf Wheezie dann zurück zu mir. "Nicht hier, komm". "Gia, du weisst dass du nicht weg darfst", kam es von Wheezie in einem fast warnenden Ton. "Bitte Wheezie, es ist anscheinend ziemlich dringend", flehte ich sie an, meine Abwesenheit zu decken. Nach einem Seufzen willigte sie ein. "Danke", rief ich ihr zu, als ich die Türe hinter mir mit einem Knall schloss.

"Was meinte Wheezie damit, dass du hier nicht weg darfst?", fragte Kie mich, als wir zu einem mir fremden Auto liefen. "Ach, nichts", versuchte ich vom Thema abzulenken. "Wem gehört dieser Wagen?" "Ist von Pope. Ich hoffe, er hat sein Versprechen gehalten und ihn einigermassen repariert". "Wieso meinst du?" "Weil er fast schon einmal mit uns einen Unfall gemacht hätte". "Wirklich?" Kie bejahte, was mich zum kichern brachte. "Was habt ihr denn jetzt wirklich vor?" "Wir fahren nach Charleston. Pope hat einen Brief von einer gewissen Ms. Limbrey bekommen, die behauptet, sie hätte Beweise, dass John B Sheriff Peterkin nicht umgebracht hat. Mit diesen Sachen könnten wir John B's Namen reinwaschen und er und Sarah könnten zurück nach Hause kommen". "Wieso sollte eine Frau in Charleston Beweise haben, die gegen Ward und Rafe sprechen?" "Das werden wir hoffentlich bald herausfinden".

Als ich die Hintertüre aufriss, konnte ich Pope auf der Rückbank ausmachen. JJ sass am Steuer und drehte sich nicht mal um. Anscheinend war er immer noch sauer auf mich, dass ich einfach so mit Shoupe mitgegangen war, ohne ihnen zu verraten, wieso. Trotzdem spürte ich seinen Blick auf mir, auch wenn es nur über den kleinen Spiegel war, welcher vorne in der Mitte des Autos hing. Ein kleiner Schauer lief mir den Rücken hinunter. "Auf nach Charleston", murmelte Kie neben JJ und machte ein Ahoi-Zeichen der früheren Piraten.

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