Kapitel 32

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Gähnend streckte ich meine Arme und Beine von mir, dann richtete ich mich im Bett auf. Ein Blick auf Harrys Wecker verriet mir, dass ich am Nachmittag noch einmal eingeschlafen war und es mittlerweile schon 18 Uhr war.

Dass mir Schlaf fehlte, war allerdings kein Wunder, denn bis Bill und Tyler heute morgen um 6 Uhr die Wohnung von Harry verlassen hatten, hatte keiner von uns auch nur eine Sekunde geschlafen. Danach hatten Harry und ich uns zwar bis 11 Uhr hingelegt, allerdings reichte dies bei weitem nicht aus, um ausgeschlafen zu sein.

Plötzlich hörte ich die Badezimmertür und nur wenig später kam ein frisch geduschter Harry die Wendeltreppe hinauf. „Du bist wach", stellte er erfreulich fest. „Dann kannst du dich ja jetzt auch fertig machen."

Verwirrt rieb ich meine Augen. „Wofür fertig machen?", fragte ich dümmlich nach. Harry guckte mich nun auch verwirrt an. „Es ist Samstagabend. Ich will gleich ins Lucky und davor in eine Bar oder so", erklärte mir Harry das für ihn offensichtliche.

„Wollen wir nicht lieber einen ruhigen Abend hier zu Hause verbringen? Ich kann für uns kochen und dann gucken wir uns einen Film an.", versuchte ich Harry von seiner Idee abzubringen, denn ich war nicht ansatzweise bereit dafür meine bequeme Jogginghose auszuziehen.

Harry kam lächelnd auf mich zu, beugte sich über mich und gab mir einen kurzen Kuss: „Das klingt zwar äußerst verlockend, allerdings ziehe ich dann doch lieber die tanzenden und sich aneinander reibenden Körper im Lucky vor."

Ich stöhnte genervt auf. „Ich habe dazu aber nicht wirklich Lust. Ich bin noch total fertig von letzter Nacht", quengelte ich. „Du kannst ja hier bleiben", meinte Harry daraufhin und zog sich eine Hemd aus seinem Schrank, was er sich zugleich überzog.

„Du gehst also auf jeden Fall und ich kann dich mit nichts überreden hier zu bleiben?", fragte ich um ganz sicher zu gehen nach. „Ja, ich gehe auf jeden Fall", sagte Harry, der mittlerweile fertig angezogen war und sich Ringe an seine Finger zog. „Und wenn ich jetzt doch nicht auf dich warten muss, dann würde ich auch schon los fahren, dann kann im im Musikstudio noch ein paar Unterlagen hinbringen, die Maike am Montag morgen brauch, bevor ich in die Stadt fahre", sagte Harry und grinste mich an.

„Hmm, okay", sagte ich nur, nicht ganz wissen, was ich von der Situation halten sollte.

„Gut, dann sehen wir uns heute Nacht oder morgen früh, falls du schläfst", meinte Harry, küsste mich zum Abschied und verließ wenige Sekunden später die Wohnung.

Immer noch verdutzt schaute ich eine ganze Weile zu dem Schrank, vor dem Harry eben noch gestanden hatte. Eine plötzlich Leere durchzog meinen Körper und mir war plötzlich zum weinen zu mute.

War das wirklich das was ich wollte? Wollte ich bei der Wahl meines Freundes verlieren, wenn er sich zwischen mir und fremden Männern im Club entscheiden musste?

Ich liebte es, dass ich durch Harry neue Dinge erlebte, ich liebte es, wie er mir zeigte, sicher mit seiner Sexualität umzugehen, ich liebte es, dass er zu mir gestanden hat, als meine Eltern sich von mir abgewendet haben, und ich liebte die Gefühle die er in mir auslöste, aber ich hasste es, dass er nicht romantisch war, dass wir nicht auf Dates gingen und ich hasste es auch, dass ich ihm nicht zu reichen schien.

Eine Mischung aus Wut und Trauer kam in mir hoch und das Bedürfnis wurde größer dafür ein Ventile zu finden.

Und dann hatte ich eine Idee. Ich wühlte in dem Haufen aus Bettdecke nach meinem Handy, öffnete meine Kontakte, nachdem ich es gefunden hatte, und schrieb:

Ich weiß, dass das jetzt sehr kurzfristig ist, aber in einer Stunde am Boxstudio?

Dann kurze Stille, in der ich mir einen Hoodie über mein T-Shirt zog. Die Jogginghose konnte ich ja anlassen. Dann ertönte ein lautes „Ping". Ich nahm mein Handy wieder in die Hand und laß die Nachricht von Jack.

Bis gleich, Tomlinson.

Kurz atmete ich erleichtert auf. Dann schnappte ich mir meine Jacke und meinen Schlüssel und machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle.

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Jack und ich hatte bis jetzt kaum geredet, lediglich einzelne Kommandos von Jack durchbrachen die Stille in dem nur spärlich ausgeleuchteten Studio.

„Fester", schrie Jack, „Ja, genau so. Denk an deine Deckung. Ja, weiter." Ein Schlag folgte dem nächsten und dann noch einer und noch einer und ...

„Stopp, Tomlinson. Mach eine Pause, du kippst sonst gleich um", riet Jack mir plötzlich. „Ich brauche keine Pause", zischte ich und schlug weiter auf den Boxsack ein. Immer weiter bis schwarze Punkte in meinem Blickfeld auftauchten und ich leicht zu taumeln begann.

Jack packte mich am Arm und half mir, mich auf den Boden zu setzen. „Du bist noch völlig übermüdet, hast Restalkohol im Blut und haust schon viel zu lange gegen diesen Boxsack, ist doch klar, dass dir dein Körper irgendwann signalisiert, dass es reicht", tadelte Jack mich und reichte mir etwas zu trinken. Ich nahm die Flasche entgegen und trank.

So wie wir hier saßen hatte ich ein kleines Dejavú an unseren letzten Aufenthalt hier und auch an Jacks Blick sah ich, dass er die Parallelen sah. „Soll ich dich jetzt wieder zu einer Party einladen, um der Tradition treu zu bleiben?", fragte ich Jack grinsend.

„Nein danke. Das waren erstmal genug von deinen Partys für mich", grinste Jack zurück. „Du hast dich nicht wirklich wohl gefühlt, oder?", fragte ich nun um einiges ernster nach.

„Erst nicht. Später schon. Ich bin dir auf jeden Fall dankbar, dass ich kommen konnte", sprach Jack mehr in Rätseln als dass ich schlau aus ihm wurde. „Warum dankbar?", forschte ich deshalb nach.

Eine leichte Röte überzog Jacks Wangen: „Lach mich jetzt bloß nicht aus, aber irgendwie dachte ich, dass alle schwulen Paare so wie du und dein Freund sind. Also, dass sie eine offene Beziehung führen und es mit der Treue nicht so ernst nehmen."

Ein kleiner Stich zog sich durch meine Brust. Jack wusste nicht, warum ich so sauer hier her gekommen war und meine ersten Worte waren gewesen, dass ich nicht drüber reden wollte, und so konnte er nicht wissen, dass er gerade einen wunden Punkt bei mir traf, weshalb er unbeirrt weiter sprach.

„Und ich konnte mir das nie für mich vorstellen, ich wollte schon immer eine Familie und eine feste Partnerschaft haben, was ein Grund mehr war, dass ich es hasste schwul zu sein. Doch als ich an deinem Geburtstag Liam und Zayn kennengelernt habe, wurde mir das erste Mal bewusst, dass ich schwul sein und eine Familie gründen könnte", flüstere Jack schon fast und sah mich erst wieder an, als er fertig war mit reden.

„Du hast es gehasst schwul zu sein? Vergangenheit?", fragte ich nach, um nicht auf den eigentlichen Inhalt seiner Aussage eingehen zu müssen. Denn ich war mir sicher, dass ich sonst anfangen würde zu weinen. Ich wollte immerhin genau das, was Jack da beschrieb. Das, was Zayn und Liam hatten. Und eine kleine Stimme in mir flüsterte mir zu, dass ich das mit Harry nie bekommen würde.

„Du schaffst es, dass ich es immer weniger schlimm finde", sagte Jack nach kurzem Zögern und glich nun wirklich einer roten Tomate.

„Schwul sein ist auch großartig", stimmte ich Jack zu. „Schwuler Sex ist noch großartiger", ergänzte ich weiter, woraufhin Jack seine Augen überraschend weitete. „Tomlinson, ich öffne mich dir gerade und du? Nicht jeder denkt nur an Sex!", gab Jack, nach einer kurzen Sekunde in der er sich wieder fing, gespielt empört von sich.

„Ach, wenn ich also das hier mache, denkst du gar nicht an Sex?", fragte ich provokant, beugte mich zu Jack herüber, pustete an seinem Hals, was eine Gänsehaut bei ihm auslöste, verteilte als Nächstes zarte Küsse an dieser Stelle und fing zum Schluss an kurz an seinem Hals zu saugen.

Triumphierend lehnte ich mich wieder zurück und schaute Jack grinsend in die Augen, schon halb erwartend, dass er mich mit seiner Hand leicht boxt und mir sagte, dass ich spinne, doch stattdessen starrt er mich einfach nur perplexe an.

„Entsch...", setzte ich gerade an, weil ich offensichtlich zu weit gegangen war, als Jack sich zu mir rüber beugte und mich küsste.

Lucky || Larry Stylinson Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt