Kapitel 22

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„Das wirst du bereuen", kam es über Jacks Lippen. Spätestens jetzt sollte sich wohl mein Fluchtinstinkt bei mir melden, doch das tat er nicht. Stattdessen ging ich direkt auf Jack zu und stellte mich so dicht vor ihm, dass ich seinen Atem auf mir spüren konnte.

„Ich bereue gar nichts, denn ich kann mein Leben so führen wie ich das möchte, unabhängig davon was andere Leute von mir erwarten. Und wenn du nur Mutig genug wärst, könntest du das gleiche von dir behaupten. So allerdings musst du dich weiter hinter deinen Anfeindungen mir gegenüber verstecken, nur um dir selbst zu beweisen, dass du anders als ich bist. Doch das bist du nicht. Du stehst genauso auf Männer wie ich es tue."

Ich weiß nicht womit ich als Nächstes gerechnet hatte, vor allem da meine Aussagen nur auf einer Vermutung meinerseits beruhten, aber auf das was kam, war ich definitiv nicht vorbereitet gewesen.

Jack schubste mich. Weg von sich und auf den Boden. Dann kniete er sich bedrohlich über mich. „Was würde mir dieser Mut bringen? Ich würde genauso rausgeschmissen werden wie du und ich hätte niemanden zu dem ich gehen könnte. Es ist eine Sünde. Und für eine Sünde soll ich meine Familie verlieren? Für das soll ich meine Familie verlieren?", sagte er und drückte seine Lippen auf meine. Ich erstarrte unter seinem Kuss, nicht verarbeiten können was gerade passierte. Jack löste sich von mir. In seinem Gesicht war das blanke Entsetzen geschrieben. Er schien nicht ganz verstehen zu können, was er da gerade getan hatte.

In meinen Kopf sprangen die Gedanken hin und her. Jack hatte sich gerade vor mir geoutet und mich geküsst und seinem Blick nach zu urteilen, war das sein erster Kuss mit einem Mann gewesen.

Und wahrscheinlich sollte ich den Moment nutzen, Jack von mir runterrollen und abhauen, aber irgendwas in mir wollte ihm helfen zu verstehen, dass es okay war einen Jungen zu küssen und dass es sich sogar verdammt gut anfühlte. Deshalb zog ich Jacks Kopf zu mir herunter und küsste ihn erneut. Diesmal bewegte ich meine Lippen auf seinen und  nach einem kurzen Moment des Zögerns erwiderte Jack den Kuss.

Doch dieser Moment des Friedens hielt nur kurz an, denn wie aus dem nichts sprang Jack von mir herunter und schaute sich panisch um, um sicherzugehen, dass uns keiner gesehen hatte. Dies war nicht der Fall, weil sich die meisten Schüler nach dem Unterricht keine Sekunde länger als nötig auf dem Schulgelände aufhielten, allerdings schien Jack das nur wenig zu beruhigen.

Er schrie laut „Fuck", sah mich für einen Moment komisch an, als müsse er überlegen, ob er mir eine reinhauen sollte, um seine Männlichkeit zu beweisen. Er entschloss sich dann aber für die Flucht, die ich am Anfang unseres Zusammentreffen hätte einschlagen sollen, und ließ mich verdattert auf den Rasen sitzen.

Meine Gedanken huschten zu Harry und ein schlechtes Gewissen machte sich in mir breit. Warum hatte ich Jack geküsst? Er war ein Riesenarschloch und Harry ... ja was war mit Harry? Harry würde es völlig egal sein, wenn er wüsste, dass ich Jack geküsst habe. Er würde wahrscheinlich stolz auf mich sein, dass ich mich auch an meinen Part unserer Abmachung hielt. Auch wenn Jack sichtlich der falsche Mann war, um dies zu tun.

Doch ich konnte nicht abstreiten, dass ich mich zu einem gewissen Grad in Jack hineinversetzen konnte und das führte dazu, dass ich nicht mehr sauer auf ihn sein konnte. Jeder Spruch und jede Wut mir gegenüber hatte seinen Ursprung darin, dass er sich in mir wiedererkannt und er Angst hatte, genauso zum Außenseiter zu mutieren, der von seiner Familie verstoßen würde. Auch wenn das sein Verhalten nicht völlig rechtfertigen konnte.

„Was sitzt du hier auf den Boden?", holte mich Niall aus meinen Gedanken. „Ich ... ich. Also. Harry war hier und hat mir Bescheid gesagt, dass er für zwei Tage nach London fliegt."

„Und daraufhin musstest du dich erstmal setzten?", harkte Niall nach. „Ja.", antwortete ich knapp, mit mehr als bewusst seiend, dass dies die schlechteste Ausrede aller Zeiten war. Aber egal wie schlecht Jack mich behandelt hatte, ich würde ihn vor niemandem Outen. Die Wahl sollte er selber haben.

„Dann hast du seine Wohnung ganz für dich? Das ist doch großartig. Komm ich begleite dich.", sagte Niall enthusiastisch und hielt mir seine Hand hin, an der ich mich hochzog. „Hast du dich gerade selber eingeladen?", fragte ich belustigt nach, woraufhin Niall nur glücklich grinsend nickte.

Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu Harrys Wohnung. Dabei begleitete mich ein ungutes Gefühl, dass wir verfolgt wurden. Doch jedes Mal wenn ich mich umblickte, sah ich niemanden.

Das Gefühl hörte erst auf, als wir im passenden Bus saßen, der uns in die Stadt und zu unserem Ziel bringen würde.

Lucky || Larry Stylinson Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt