Kapitel 40

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Das nächste Wochenende kam schneller als ich erwartet hatte und ehe ich mich versah, befand ich mich hinter der Theke im Lucky und gab einen Drink nach dem anderen aus. Es war voll und stressig und so konnte ich die meiste Zeit meine Angst vergessen, Harry hier antreffen zu können. Trotzdem stieg mein Puls immer in die Höhe, wenn ich einen ähnlich aussehenden Mann in der Menschenmenge erahnte.

Als dann ein Mann mit einer erstaunlich ähnlich klingenden Stimme mit den Worten „Hey Kleiner, einen Gin Tonic bitte." einen Drink bestellte, schlug mir mein Herz bis zum Hals. Es beruhigte sich erst wieder, als ich sah, dass der Mann schulterlange schwarze Haare hatte und vieles war, aber definitiv nicht wie Harry aussah.

Ich nickte den Mann kurz zu, machte ihm sein Getränk fertig und verabschiedete mich wenig später wieder mit einem Nicken von ihm. Wenn das so weiter ginge, würde ich heute Abend mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus geliefert werden müssen.

Dabei wusste ich nicht wirklich woher meine Angst ruhte. Hatte ich Angst von ihm ignoriert zu werden? Hatte ich Angst vor seiner Wut? Oder davor erneut die Enttäuschung in seinen Augen zu sehen? Die verletzte Seite in ihm zu erahnen, die er nie bewusst zeigen wollte?

Ein erstauntes „Louis" riss mich aus meinen Gedanken und als ich mich diesmal zur Theke umdrehte, war es keine Einbildung. Harry stand vor mir und das fand mein sich überschlagenes Herz überhaupt nicht witzig. „Harry", hauchte ich gerade so laut zurück, dass er mich über die Musik hinweg hören konnte. Ich versuchte in seinem Blick zu erkennen, mit welcher meiner Ängsten ich mich nun beschaffen musste, doch bis auf die Ungläubigkeit mich hier anzutreffen, ließ er nichts durchblicken.

„Was machst du denn hinter der Theke?", fragte Harry als Nächstes und damit schloss sich mein Eindruck von ihm, zu einem runden Bild zusammen. „Ich arbeite hier, um mir bald eine eigene Wohnung leisten zu können", erklärte ich ihm meine Situation. Harry nickte daraufhin verstehend und nahm sich eine Getränkekarte, die wir auf der Theke ausgelegt hatten. Erst dachte ich, dass der private Teil unseres Gespräches damit beendet war, doch dann setzte er ein „Wo wohnst du bis dahin?" hinterher, ohne von der Karte aufzublicken. Interessierte es ihn wirklich oder versuchte er nur Smalltalk zu führen?

„Bei Zoeys Eltern. Sie nehmen mich so lange auf, bis ich was eigenes finden." Harry schaute mich daraufhin warm lächelnd an und fügte halb im Spaß hinzu: „Es freut mich zu hören, dass du in keiner kalten Straße schlafen musst."

Ich zwang mich ebenfalls zu einem Lächeln, auch wenn mir gar nicht danach zu Mute war. Immerhin reagierte man so auf einen Witz. Kurz kehrte Stille ein, in der ich meinen ganzen Mut zusammen nahm und Harry fragte: „Können wir in meiner Pause kurz red...?"

„Ich nehme einen Vodka-E", unterbrach mich Harry plötzlich, ohne dass ich meinen Satz beenden konnte. Erstaunt guckte ich ihn an. Es gab keinen Zweifel daran, dass er mich gehört hatte und genau wusste, was ich ihn fragen wollte. „Mit Eis", setzte er noch hinterher und signalisierte mir damit deutlich, dass für ihn das letzte private Wort gesprochen war.

„Kommt sofort", sagte ich und ignorierte den Klos in meinem Hals, der sich bei seinen Worten gebildet hatte. Als ich ihm kurz darauf sein bestelltes Getränk vor die Nase stelle und Harry bezahlte, lächelte er mich erneut an. „Danke", formte er mit seinen Lippen, ohne dass ich sagen konnte, ob wirkliche Worte seinen Mund verlaßen, dann drehte Harry sich um und verschwand in der Menschenmenge.

Etwas verdattert schaute ich ihm hinterher. Was war das denn gewesen? Und kaum hatte sich die Frage in meinem Kopf gebildet, traten Tränen in meine Augen. Tom, der mit mir hinter der Theke stand, rief ich kurz zu, dass ich auf Toilette müsste. Als dieser daraufhin nickte, verließ ich die Theke, doch mein Weg führte mich an den Toiletten vorbei, hinaus auf den Hinterhof des Clubs. Ich brauchte dringend frische Luft, wenn ich nicht in Tränen ausbrechen wollte. Und so blieb ich einige Minuten dort stehen und konzentrierte mich nur auf meine Atmung. Die dröhnende Musik des Club bildete ein monotones Hintergrund Geräusch, welches mir dabei half, meine Gedanken zur Ruhe zu bringen.

Und dann realisierte ich es. Da war keine Wut gewesen. Er hatte mich auch nicht ignoriert und vor allem, war er nicht mehr verletzt. Es war ihm einfach egal. Er hatte mich genauso behandelt, wie er es getan hatte, als wir uns nach unserem ersten Zusammentreffen hier im Club wiedersahen. Er hatte mit mir abgeschlossen, wie er es schon mit dutzenden Männern vor mir gemacht hatte. Es war egal, was alles zwischen uns passiert war. Ich war nicht mehr als ein blödes Experiment für ihn gewesen, welches nun abgeschlossen war.

Ich atmete erneut ein und auf, schüttelte meinen Kopf und ging wenig später wieder hinter die Theke, um weiter zu arbeiten. Das Gefühl habend, dass Ablenkung jetzt das einzige war, was mich vor einem erneuten Gefühlsausbruch retten konnte.

Harry sah ich den ganzen Abend nicht mehr und die Menschenmassen, die an diesem Abend etwas bestellten, nahmen mich tatsächlich so in Beschlag, dass ich am Ende meiner Schicht das Gefühl hatte, nur noch Taubheit in Bezug auf Harry zu spüren.

Kaputt und ausgelaugt öffnete ich um 4 Uhr morgens die Tür des Clubs und fand mich auf der immer noch belebten Straße der Stadt wieder. Auf der anderen Seite stand ein Auto, an dem Jack angelehnt stand und mir lächelnd zuwinkte. Er hatte mich wie versprochen abgeholt. Es war nur eine von vielen Gesten, mit denen er mir zeigte, wie wichtig ich ihm war.

Ich zwang mich ebenfalls zu einem Lächeln und ging zu Jack hinüber. Zur Begrüßung küssten wir uns kurz und Jack fragte freudestrahlend, wie mein erster Arbeitstag gewesen war. „Gut, aber ich bin echt müde", antwortete ich ihm. „Dann ist es ja gut, dass du nicht mehr selber fahren musst. Komm steig ein. Ich bringe dich zu Zoey."

Ich nickte Jack dankbar zu, dann löste ich mich von ihm und ging einmal um das Auto herum, um auf den Beifahrersitz einzusteigen. Doch kurz bevor ich das tat, sah ich Harry, der gerade aus den Club gekommen sein musste. Er hatte mich und Jack gesehen. Gesehen, dass wir uns geküsst hatten, da war ich mir sicher. Denn die von mir eben so sehr gewünschten Emotionen, spiegelten sich nun in seinen Blick wieder. Als er sah, dass ich ihn bemerkt hatte, drehte er sich zu dem Mann um, der neben ihn stand und mit dem er offensichtlich zusammen den Club verlassen hatte. Der Mann reichte Harry seine Hand und ohne mir einen weiteren Blick zu würdigen, ergriff Harry sie und ließ sich von ihm in das gerade angehaltene Taxi ziehen.

Mein Herz zog sich ungesund zusammen und die Tränen unterdrückend, stieg ich in das Auto zu Jack. Am liebste würde ich schreien. Ich verstand nicht, warum alles so kompliziert sein musste. Warum Harry mich nicht einfach lieben konnte, so wie es wollte und brauchte.

Dass das ziemlich egoistisch war, war mir in diesem Moment mehr als egal.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 03, 2023 ⏰

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Lucky || Larry Stylinson Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt