"Ich bin noch immer der Meinung du hättest gegen ihn antreten sollen", sagte Gyde ein bisschen patzig. Linda stand mit ihrer Kollegin im Innenraum eines Clubs, den der Vorstand extra für den Parteitag angemietet hatte. Aus den Boxen dröhnte Crying at the Discotheque. Passend, wie Linda fand.
Vor gut 2 Stunden wurde Christian Lindner erneut zum Parteivorsitzenden der FDP gewählt. Zu Lindas Überraschung hatte er einiges an Zustimmung verloren seit der letzten Wahl, was vielleicht auch an den Gerüchten um die Probleme innerhalb der Koalition lag. Natürlich hatte ihn noch immer eine atemberaubende Mehrheit der Delegierten gewählt, aber es gab doch einige Enthaltungen und Nein-Stimmen.
"Habe ich nicht gesagt, dass ich zu dem Thema nichts mehr hören will?", sagte Linda verbissen und ließ ihren Blick durch die Menge schweifen. Wen juckte schon der Parteivorsitz? Sie hatte ganz andere Probleme. Immer und immer wieder spielte sich vor Linda's innerem Auge die Situation zwischen ihr und Sahra am vergangenen Sonntag ab.
Sahra hatte sich auf sie zu bewegt. Bis ihr Handy geklingelt hatte, hatte es so ausgesehen, als ob Sahra sie küssen wollte. Diese Feststellung ging einfach nicht in Lindas Kopf. Lag es daran, dass sie die andere überrumpelt hatte? Oder war es Sahras aufgewühlter Zustand gewesen, der sie dazu getrieben hatte?
Ihre Meinung zu dem Abend war gespalten. Auf der einen Seite war sie froh Sahra nicht geküsst zu haben und die Dinge dadurch nur weiter zu verkomplizieren. Auf der anderen Seite hatte sie es jede Sekunde, seit sie Sahras Wohnung verlassen hatte, bereut.
Die beiden Frauen hatten noch gut eine Stunde über Oskars Anruf gesprochen, dann war Linda gegangen. Über den Beinahe-Kuss hatten sie sich nicht unterhalten. Auch in den folgenden Tagen machte Sahra keine Anstalten das Thema anzusprechen und verhielt sich gegenüber Linda so wie immer. Am Ende war Linda fast davon überzeugt gewesen, sie hätte die ganze Geschichte nur geträumt.
Aber nein, das hatte sie nicht. Sie hatte gespürt was da zwischen Ihnen gewesen war. Wenn Linda daran dachte, bekam sie auf dem ganzen Körper eine Gänsehaut. Kurz schloss sie die Augen. Sahra warf sie immer ein bisschen aus der Bahn.
"Äh, Linda", unterbrach Gyde Lindas Gedankenspiel. Fragend sah sie die Rothaarige an. Diese nickte in die Richtung, in der gerade noch Lindner und seine Jünger gestanden hatten.
Linda's Atem stockte, als sie die dunkelhaarige Frau auf sich zukommen sah und für eine Sekunde war sie nicht in einem stickigen Club, sondern auf einem sonnigen Balkon, mit ihren Lippen auf denen der Anderen.
"Hallo Linda", sagte sie und lächelte unsicher.
Sie sah gut aus. Gesünder und so viel glücklicher als das letzte Mal. Trotzdem stand Katja Suding die Nervosität ins Gesicht geschrieben. Insgeheim hatte Linda schon den ganzen Tag Ausschau nach ihr gehalten, sie jedoch nirgends in der Menge entdecken können."Katja", begann sie schlussendlich. "Wo hast du dich den ganzen Tag versteckt?" Linda schloss Katja zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder in die Arme. In ihr brach ein heilloses Gefühlschaos aus.
Katja löste sich von Linda, ließ ihre rechte Hand jedoch auf dem unteren Rücken ihrer Ex-Freundin ruhen. Sie wand sich Gyde zu. "Hey Gyde! Na, wie geht's den Kids?", fragte sie.Gyde war offensichtlich ein wenig überfordert mit der Situation, denn sie tauschte einen schnellen Blick mit Linda, ehe sie sagte: "Gut, gut, die Große ist ein richtiger Wildfang, aber wie geht es dir?" Katja erzählte von den letzten Monaten seit ihrem Ausstieg und ihrer Zeit in den USA. Sie sprachen kurz über Katjas Buch und ihren Plan für die Zukunft. Dabei warf Katja Linda immer wieder glühende Blicke zu. Linda ihrerseits konnte sich kaum auf das Gesagte konzentrieren. Zu viel unausgesprochenes hing zwischen ihr und Katja in der Luft.
Das fiel auch Gyde auf, denn irgendwann grinste sie Linda zu und sagte: "Ich glaube Konstantin hat mich gerufen. Entschuldigt mich bitte und... einen schönen Abend euch beiden." Bevor Linda protestieren konnte war Gyde verschwunden und sie allein mit Katja. Die beiden sahen sich eine Weile stumm an.
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Irgendwo in Berlin
FanfictionLindas Karriere scheint am Ende zu sein. Von Christian in die zweite Reihe der FDP gedrängt, sieht sie sich jetzt auch noch mit dem Ende ihrer Ehe konfrontiert. Neben politischen Intrigen, ihrer neuen Freundschaft zu einer linken Politikerin und ve...