43 - Grünes Licht

214 24 68
                                    

Nachdenklich sah Annalena hinüber zu ihrem Mann, der in der hintersten Ecke des Gartens zusammen mit ihren Töchtern unter einem Kastanienbaum kniete. Es war ein sonniger Freitagabend, doch relativ frisch draußen. Der Sommer war endgültig vorbei und vielleicht waren es die letzten warmen Sonnenstrahlen, die sich in diesem Jahr ihren Weg durch die Baumkronen bahnten.

Die Außenministerin nahm einen Schluck von ihrer Spezi. Was bedeutete das schon? Der letzte warme Tag? Heutzutage hatte es schließlich auch im November zum Teil noch 15 Grad. Sie wandte den Blick von ihrer Familie ab und sah in die Runde, die sich heute auf ihrer Terrasse versammelt hatte. Links von ihr saßen Omid und Ricarda, welche dem missmutig dreinblickenden Mann die Schulter tätschelte. Den beiden gegenüber saßen Konstantin und Gyde, welche ihrem Parteifreund grade ein Bier öffnete. Direkt neben Annalena hatte Linda Platz genommen und hielt ein Glas Weißwein in den Händen. Wieder einmal wirkte ihre Potsdamer Kollegin so, als ob sie ganz woanders wäre.

Annalena nahm sich die Zeit die attraktive Blondine näher zu betrachten. Sie sah müde aus, was aber vermutlich daran lag, dass sie sich noch nicht an ihre längeren Arbeitszeiten und neuen Aufgaben als Parteivorsitzende gewöhnt hatte. Die blauen Augen starrten in die Tiefe des Glases, welches sie unablässig zwischen ihren schmalen Fingern drehte und schienen darin Dinge zu sehen, die den anderen Personen im Baerbock'schen Garten verborgen bleiben sollten. Annalena seufzte. Linda war in vielerlei Hinsicht besonders.

Die Liberale sah auf und traf ihren Blick. "Was ist?", fragte sie leise. Annalena schüttelte nur lächelnd den Kopf. "Gar nichts. Ich habe nur über etwas nachgedacht." Bevor Linda sie jedoch bitten konnte das zu spezifizieren, meldete Omid sich zu Wort. "Also und ihr denkt, dass das alles eine gute Idee ist? Ich bin ganz ehrlich, eine Koalition Grüne/FDP klingt für mich zumindest wild." Ricarda lehnte sich stöhnend zurück. Sie hatte in den letzten 10 Minuten versucht ihm gut zuzureden und war kläglich gescheitert.

"Ich denke, dass das unsere beste Chance ist. Auf die Union habe ich wenig Lust und die SPD ist... naja es ist die SPD. Außerdem ist die Gefahr, dass die am Ende doch mehr Prozente holen als wir groß", erklärte Annalena. Konstantin sah kurz so aus, als ob er hinterfragen wollte, warum Annalena nicht davon ausging, dass die FDP die Grünen überholte, hielt dann allerdings doch den Mund.

"Sieht im Moment ja eher nicht so aus", gab Omid schließlich zurück. Linda straffte die Schultern und sah ihn an. "Glauben Sie mir, bis vor ein paar Monaten wäre mir so ein Bündnis auch nicht eingefallen, aber umso mehr ich darüber nachdenke, umso realistischer sehe ich eigentlich eine konstruktive Zusammenarbeit. In einigen Bereichen zumindest. Und naja... es gibt nichts Gutes, außer man tut es."

Omid sah hilflos zu Ricarda. "Du findest das auch?" Ricarda legte wieder ihre Hand auf seine Schulter. "Manche Liberale sind wirklich okay. Meine Zusammenarbeit mit Ria war beispielsweise immer sehr... konstruktiv, wie Linda sagt."

"Robert findet die Idee auch gut", warf Konstantin grinsend ein. Mittlerweile verstand er sich wirklich gut mit Habeck. Omid seufzte und griff nach seiner Bierflasche. "Na gut. Wagen wir es." Annalena lehnte sich zufrieden zurück und trank noch einen Schluck Spezi. "Dann kann es ja losgehen mit Operation Lemon Tree!"

Omid stand auf und sah noch einmal kopfschüttelnd in die Runde, bevor er sich zu Annalenas Mann unter den Kastanienbaum gesellte. "I don't want to sit on the lemon tree", säuselte er singend im Weggehen.

Ricarda sah ihm kopfschüttelnd hinterher. "Er gewöhnt sich schon noch an die Idee." Annalena und Linda tauschten einen nicht sehr überzeugten Blick. "Wo wir gerade schon beim Thema waren", begann Gyde nun. "Wo ist unser Wirtschaftsminister eigentlich?" Ein zartes Rosa legte sich über ihr Gesicht. Auch wenn sie Robert mittlerweile besser kannte wurde sie noch immer ein wenig nervös, wenn es um ihn ging.

Irgendwo in BerlinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt