11 - Unvorhergesehene Wendungen

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Es klingelte an Lindas Tür. Nervös betätigte die Blondine den Türöffner und überprüfte dann nochmal ihr Aussehen in dem großen Spiegel, der in ihrem Flur hing. Die Frisur saß, die blaue Bluse gab ihr Sicherheit und die Jeans ließ ihre Beine gut zur Geltung kommen. Perfekt. Sie war bereit.

Dieser kleine Anflug von Selbstbewusstsein verabschiedete sich sofort wieder, als Sahra Wagenknecht vor ihr stand. Elegant ließ sie ihren Mantel von den Schultern gleiten und enthüllte den Blick auf ihren schlanken Körper, der heute in einem pflaumenfarbenen Etuikleid steckte. Die Haare waren hochgesteckt wie eh und je, wobei sich einige Strähnen in ihrem Nacken gelöst hatten. Linda blieb die Luft weg. Sie war bei weitem nicht so drauf wie Christian, aber am Ende des Tages war auch sie nur ein Mensch und musste zugeben, dass Sahra verdammt heiß aussah.

Die schöne Frau vor ihr schloss sie zur Begrüßung in die Arme. Das Gefühl von Sahras Körper an Lindas war ihr mittlerweile so vertraut geworden. Am liebsten wäre sie so stehen geblieben und hätte Sahra nicht mehr losgelassen. Oder sie direkt ein paar Meter weiter in ihr Schlafzimmer gezogen.

„Schön, dass du da bist", murmelte Linda stattdessen an Sahras Schulter. "Ich freue mich auch. Es riecht echt gut hier", sagte Sahra anerkennend. "Danke, es gibt Curry. Das ist ehrlich gesagt auch das einzige Gericht, das ich wirklich kochen kann, dafür aber in zig Variationen." Sahra grinste und folgte Linda in die kleine Küche. "Na da hast du meinen Kochkünsten noch immer einiges voraus."

Linda bedeutete Sahra am Esstisch Platz zu nehmen. "Dauert nicht mehr lange, ich bin gleich fertig", sagte sie und machte sich daran zwei Teller fertig zu machen. "Heute habe ich mal den Wein mitgebracht", kündigte Sahra an und zog eine Flasche aus ihrer Tasche. Linda lächelte dankbar und nickte in Richtung eines Küchenschranks. "Da drüben sind die Gläser drin, wenn du so lieb wärst." Sahra holte zwei Weingläser aus dem Schrank und schenke beiden großzügig ein. Vielleicht ging es ihr ebenso wie Linda, die sich sicher war, dass die kommenden Stunden leichter mit ein bisschen Wein zu bewältigen waren.

Eigentlich war es sogar richtig schön, fand Linda, als Sahra und sie sich beim Essen gegenübersaßen. Die angespannte Stimmung von heute Mittag war verflogen und die beiden lachten viel miteinander. Linda erwischte sich bei der Vorstellung, sie und Sahra würden jeden Abend miteinander auf diese Weise verbringen. Beinahe hätte die FDP-Politikerin vergessen weshalb sie Sahra überhaupt hergebeten hatte. Immer wieder verlor sie sich in Sahras Anblick. Die Stimme der Dunkelhaarigen hüllte sie ein und sie bemerkte gar nicht wie schnell die Zeit verging.

Als die Teller leer vor ihnen standen und Linda beiden ein weiteres Glas Wein einschenkte, ließ Sahra ihren Blick durch den Raum schweifen. Es war das erste Mal, dass sie in Lindas Wohnung war und natürlich interessierte sie wie diese lebte. "Nette Tapete", sagte Sahra und sah belustigt auf die silbrige Tapete mit Rankenmuster, die neben dem Küchentisch an der Wand klebte. Linda lachte kurz. "Ich dachte die bringt ein bisschen Aufregung in den Raum." Die beiden prosteten einander zu und nahmen jeweils einen Schluck Wein.

Sahras Blick wurde plötzlich ernst. "Warum bin ich hier Linda?", fragte sie und stellte das Glas vor sich ab. Linda atmete tief durch. "Ja, ich schätze irgendwann müssen wir zu diesem Punkt kommen. Ich habe dich eingeladen, weil du nicht die Einzige bist, die etwas verschwiegen hat." Sahra lächelte nochmals entschuldigend. Linda schüttelte den Kopf. "Schon gut, das mit Oskar. Was hätte es schon geändert, wenn du mir davon erzählt hättest?" Sahra richtete den Blick wieder auf die Rankentapete und lächelte leicht. Nur zu gerne hätte Linda gewusst, was sie in diesem Moment dachte.

"Und was hast du verschwiegen?", fragte Sahra leise. Linda lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und seufzte. "Lass uns nach drüben gehen. Das wird eine lange Geschichte." Sahra folgte Linda ins Wohnzimmer. Als sie sich aufs Sofa setzte, musste Linda lächeln. Sie war ein bunter Klecks in der ansonsten von kalten, hellen Farben dominierten Wohnung, ein Bild, das sich auch gut auf Lindas gesamtes Leben übertragen ließ.

Irgendwo in BerlinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt