33 - Im Freiheitslabor I

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Diesmal wurde das Kapitel selbst mir ein bisschen zu lang. Deswegen jetzt Teil 1 und morgen früh Teil 2. Auf eine erfolgreiche, neue Woche!

„Sahra, ich will unsere Beziehung öffentlich machen." Lindas Körper kam gerade von seinem High herunter. "Ich liebe dich. Und Lindner ist gerade sowieso dabei mein Leben zu zerstören, also... warum nicht den Schritt wagen?" Die beiden Frauen lagen in Lindas Bett. Nur ein paar Kerzen und der Mondschein erhellten die Szene.

Seit Christian Lindner ihr am Anfang der Woche mit dem Ende ihrer Parteikarriere gedroht hatte, hatte Linda viel darüber nachgedacht, wie es nun weitergehen sollte. Sie hatte viel über die vergangenen Jahre nachgedacht, die Ereignisse der letzten Monate reflektiert. Auch über Katja und Sahra hatte sie sich intensiv Gedanken gemacht.

Sahra starrte Linda ungläubig an. Sie hatte eigentlich nur darauf gewartet, dass Linda irgendwann diesen Vorschlag machen würde, aber jetzt, da ihre Karriere wieder einmal am Boden war, hatte die Linke damit nicht gerechnet. "Weil du dein Leben dadurch unter Umständen nur noch schneller zerstören würdest? ", antwortete sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

Linda drehte sich auf die Seite und stütze sich auf ihren Ellenbogen, damit sie Sahra direkt ansehen konnte. "Schau mal, ich war immer professionell, ich habe mir nie einen Fehltritt erlaubt, aber wohin hat mich das gebracht? Komm schon, lass uns mutig sein, lass uns dumm und unseriös sein. Keine von uns beiden hat noch etwas zu verlieren. Mal ganz davon abgesehen, dass ich es von allen Dächern rufen will, dass du zu mir gehörst."

Sahra legte eine Hand an Lindas Wange und streichelte diese mit ihrem Daumen. Wie so oft, wenn sie Linda so ansah regten sich die Schmetterlinge in ihrem Bauch. Auch sie wollte jedem zeigen, dass ihr Herz nur Linda gehörte. „Nicht, dass mir diese Einstellung nicht gefallen würde, aber bist du dir sicher? Und wie willst du das machen?" Linda lächelte und beugte sich zu Sahra hinüber. Sie gab ihr einen kurzen Kuss und kuschelte sich dann in ihren Arm.

"Ich weiß nicht. Vielleicht sage ich es einfach mal während eines Interviews. Oder ich schreibe es in meiner nächsten Kolumne für die SuperIllu." Sahra gab ein gequältes Geräusch von sich, während Linda kicherte. "Bitte, alles nur nicht die SuperIllu", sagte sie, wofür sie sich von Linda einen sanften Klaps auf den Oberschenkel einfing.

In den Augen der Liberalen war es der nächste logische Schritt. Christian hatte recht. Wäre sie Parteivorsitzende geworden und dann hätte jemand von ihrer Liebe zu Sahra Wind bekommen, dann wäre sie den Job sehr schnell wieder los gewesen. Wenn sie jetzt, am Tiefpunkt ihrer Karriere ihre Beziehung zu Sahra öffentlich machte, dann könnte sie ihr Comeback auf einer vollkommen offenen Basis aufbauen. Keine Geheimnisse mehr, keine Überraschungen.

Und wenn es kein Comeback gab? Egal. Dann hätte sie Sahra und sie müsste sich nicht mehr verstecken. Eigentlich konnte sie nur gewinnen, denn wenn sie dann doch noch einmal Parteikarriere machte, während sie in eine Beziehung zu einer Linken-Politikerin steckte, dann konnte sie wirklich alles schaffen.

Wenn Sahra ehrlich war, dann hatte Linda eigentlich recht. Ihr eigenes Comeback lag in so weiter Ferne, dass sie sich über die Auswirkungen auf ihre Karriere überhaupt keine Gedanken mehr machte und was ihre Partei über sie dachte war ihr sowieso herzlich egal. Vermutlich wäre das Gemurre über ihre Beziehung zu Linda weniger schlimm als das, was sie sonst gewohnt war.

"Dann lass es uns tun, Schatz. Lassen wir es die Welt wissen", flüsterte Sahra und legte ihre Lippen lächelnd auf Lindas. Diese zog die Ältere ein Stück auf sich und strich ihr die dunklen Haare nach hinten. "Sicher?", fragte sie. Sahra nickte glücklich. "Sicher. Aber..." Sahras Hand fuhr zum zweiten Mal an diesem Abend an Lindas Körper hinunter, was bei der Blondine eine angenehme Gänsehaut auslöste. "Vielleicht kümmern wir uns morgen früh darum." Linda grinst zurück und verschloss Sahras Lippen wieder mit ihren.

Am nächsten Morgen trat Linda auf den Balkon ihrer Wohnung und öffnete mit einem entschlossenen Lächeln Twitter, während Sahra mit einer Tasse Kaffee hinter ihr stand und beobachtete was die Blondine in die Tasten tippte.

***

Als Katja den Motorradhelm abnahm zitterte sie immer noch. Unschlüssig starrte sie auf die Tür vor ihr. Eigentlich hatte sie doch neu anfangen wollen. Eigentlich hatte sie sich auf die Sache mit Clara konzentrieren wollen, gerade weil es mittlerweile wieder ganz gut zwischen ihnen aussah. Aber hier stand sie nun. In Potsdam. Vor Lindas Büro. Katja war nicht ganz sicher warum sie hier war.

Den vorherigen Abend hatte sie mit Clara in deren Wohnung verbracht. Sie hatten lang und breit darüber gesprochen wie es weitergehen sollte und natürlich war die Ex-Abgeordnete nicht mehr nach Hause gefahren.

Irgendwann im Laufe der Nacht hatte ihr Smartphone den Geist aufgegeben und da Clara kein passendes Ladekabel besaß, hatte Katja bis zum heutigen Vormittag warten müssen, bis sie ihre Benachrichtigungen wieder abrufen konnte. Deswegen hatte sie die Nachricht des Jahres auch verpasst.

Als sie endlich wieder auf diverse Nachrichten- und social media-Apps zugreifen konnte, hatte sie ein Schwall an Nachrichten getroffen. Erst hatte Katja gar nicht verstanden um was es ging. Bis sie Twitter öffnete, wo ihr sofort ein Post von Linda in die Augen sprang.

Linda Teuteberg
Ich bin #FreieDemokratin. Ich bin demokratisch gewählte Abgeordnete. Ein freies, selbstbestimmtes Leben ist eines der höchsten Güter für mich. Deswegen wähle ich heute die #Freiheit und teile Ihnen und Euch mit: Ich führe eine Beziehung mit Sahra Wagenknecht. Liebe ist überparteilich. #Brandenburgerin

Die Kommentare unter dem Post waren regelrecht explodiert. Natürlich verursachte diese Nachricht einen Haufen Fragen. Die Reaktionen waren teils ablehnend, teils voller Glückwünsche. Einige Personen merkten an, sie hätten es immer gewusst. Einige Sekunden hatte Katja gerätselt was zum Teufel ein Wagenberg sein sollte.

Wenig später schickte Gyde ihr auch einen Auszug aus einer Mail, die Linda wohl den Präsidiumsmitgliedern geschickt hatte und in der sie ihre Beziehung zu Sahra bestätigte. Offensichtlich hatte Linda auch ihre Kollegin nicht vorgewarnt, denn Gyde war ebenso wie Katja aus allen Wolken gefallen.

Sahra hingegen hatte ihrer Partei wohl gar nicht Bescheid gesagt, denn Clara erfuhr ihrerseits erst durch Katja von der Enthüllung. Die jüngere Linke wusste nicht was sie dazu sagen sollte. Sie selbst hatte ja etwas mit einer FDPlerin am laufen, auch wenn Katja keine Abgeordnete mehr war, weshalb es sie nicht ganz so sehr empörte. Was Claras Parteikollegen zu dem Thema sagten, das wusste Katja noch nicht.

Immer wieder hatte sie den Tweet gelesen. Hatte Linda eigentlich eine Ahnung was das bedeutete? Katja hatte sich erst mit Annalena unterhalten, die ihr erzählt hatte, was in Lindners Büro vorgefallen war. Linda war sowieso schon wieder am Boden und jetzt kam sie damit um die Ecke? Was hatte sie sich dabei gedacht? Wie sollte sie sich davon je wieder erholen?

Es hatte natürlich schon die ersten Artikel in der Boulevard-Presse gegeben und auch auf Twitter war eine hitzige Diskussion entbrannt. Da gab es Vorwürfe der Doppelmoral und der Unglaubwürdigkeit. Manche Abgeordnete aus den Landesverbänden hatten bereits ihrerseits Spitzen gegen Linda verteilt, ebenso auch aus anderen Parteien. Für die AfD war das wieder ein gefundenes Fressen. Weidel hatte jeden beleidigenden Kommentar bezüglich Linda geliket.

Von Lindner und der erweiterten Parteiführung hatte es noch kein Statement gegeben.

Katjas Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Aber ihr Verhältnis war ein zu großes Karriererisiko für Linda gewesen. Langsam hinterfragte auch die Ex-Politikerin wie viel ihre Beziehung tatsächlich bedeutet hatte.

Umso länger sie darüber nachdachte, desto schmerzhafter wurde das Gefühl. Es war offiziell. Erst jetzt sickerte in Katjas Verstand, dass sie Linda verloren hatte. Solange niemand wusste, was zwischen Sahra und Linda lief, hatte sie immer noch die Hoffnung gehabt, dass sie eines Tages vielleicht doch noch eine Chance hatten. Irgendwann hatte sie die Schlüssel zu ihrem Motorrad geschnappt und war ins Treppenhaus gestürmt. Das nächste, das sie wusste war, dass sie in Potsdam stand. Vor der Tür zu Lindas Büro. Verdammte Kurzschlusshandlung.

Doch sie musste mit Linda reden. Mit pochendem Herzen und einem schweren Gefühl in der Magengrube klopfte Katja gegen die Tür. Wenige Sekunden später wurde geöffnet. Eine junge Frau stand in der Tür und sah Katja überrascht an. „Frau Suding? Was machen Sie denn hier?" Bevor Katja antworten konnte tauchte hinter der Frau Linda auf. „Katja? Was ist los? Alles in Ordnung?"

Katja stockte der Atem.

Irgendwo in BerlinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt