24 - Agieren oder Reagieren

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Katja sah auf ihre Armbanduhr. Wie lange würde diese Frau denn noch brauchen? Umso länger die Ex-Abgeordnete auf dem Parkplatz stand und wartete, umso beobachteter fühlte sie sich. Für eine Sekunde wurde sie zurückversetzt zu dem letzten Mal, als sie im Schutze der Dunkelheit hier auf jemanden gewartet hatte, um endlich nach Hause zu fahren. Heute fühlte es sich so an, als ob das Jahrzehnte her war.

Noch ließ sich für Katja nicht ganz definieren was das mit ihrer "Chefin" Clara Bünger eigentlich war. Ja, sie kümmerte sich sehr intensiv um ihre PR, doch vornehmlich hatte sie sich in der letzten Zeit um Clara selbst gekümmert. Katja mochte die Politikerin, auch, wenn sie bei der Linken war. Seufzend warf sie den Kopf zurück und schaute abermals auf ihre Uhr.

Wer hätte das je geahnt? Linda hatte was mit Wagenknecht und sie führte eine, wie auch immer geartete, Beziehung mit Sahras Fraktionskollegin. Sahra und Linda. Der Gedanke an die beiden kam der Hamburgerin noch immer seltsam vor und manchmal, wenn sie die beiden zusammen durch die Gänge streifen sah, fühlte es sich so an, als ob in ihrem Inneren etwas an ihren Eingeweiden nagen würde. Wieder wurde Katja schmerzlich bewusst, dass sie Linda verloren hatte.

Sie zwang sich geradeaus zu sehen. Das mit Linda war vorbei und sie sollte sich eigentlich darauf konzentrieren jemand anderen kennenzulernen. Clara beispielsweise. Und doch schob Linda sich viel zu oft in das Zentrum von Katjas Gedanken.

Katja kam es für einen Moment sogar beinahe so vor, als ob ihre Kollegin und Freundin am anderen Ende des Parkplatzes stand und zu ihr herübersah. Erst als Linda mit wippenden blonden Haar auf Katja zusteuerte, bemerkte die Ältere, dass es sich tatsächlich um ihre Ex-Freundin handelte und nicht um eine sehnsüchtige Manifestation ihrer Phantasie.

"Hey", begrüßte Linda sie und blieb einen guten Meter vor ihr stehen. Vielleicht lag es an Katja, doch die Blondine schien im dämmrigen Licht geradezu zu strahlen. "Was machst du denn noch hier?", fragte Linda und schob sich eine lose Haarsträhne hinter ihr Ohr. Katja schluckte und rang um Konzentration. Sie war gerade überhaupt nicht eingestellt auf eine Unterhaltung.

"Oh hey, Linda. Ehm ich habe was im Büro vergessen und das müsste ich noch unbedingt holen", antwortete sie. Linda sah nicht überzeugt aus. "Dafür dass es dringend ist, stehst du schon eine Weile hier und rührst dich nicht." Katja hoffte, dass man in ihrem Gesicht nicht sehen konnte wie fieberhaft sie nach einer plausiblen Erklärung suchte. Stattdessen fragte sie allerdings: "Beobachtest du mich etwa?" Linda lachte leise und schüttelte den Kopf. "Keine Angst. So weit bin ich noch nicht. Mein Name ist ja auch nicht Weidel."

Katja runzelte die Stirn. "Weidel? Wieso was hat die denn damit zu tun?" Linda zuckte mit den Schultern und rieb sich über die Augenlider. Erst jetzt fiel Katja auf wie müde ihr Gegenüber aussah. "Linda. Du kannst es mir sagen", flüsterte sie und trat näher an die Abgeordnete heran. Vorsichtig, fast zögernd legte Katja ihre Hände auf Lindas Arme, doch diese ließ es geschehen. "Ich kenne doch sowieso jedes deiner kleinen Geheimnisse."

Linda lächelte und nickte zustimmend. Vermutlich gab es tatsächlich keine andere Person auf der Welt, die sie so gut kannte wie Katja es tat. Mit Ausnahme von Sahra vielleicht. "Sie tut das, was sie immer macht, wenn sie anders nicht weiterkommt: Sie setzt mich unter Druck." Linda wich Katjas Blick aus. "Warte - weiß sie etwa von dir und Sahra?, fragte die Dunkelhaarige und war einen Moment lang ehrlich erschrocken.

"Nein, davon hat sie zum Glück keine Ahnung. Aber sie will ihre Informationen über mich preisgeben. Und vielleicht in dem Zuge auch über dich." Einen Moment lang schwieg Katja, dann sagte sie: "Naja, was mich betrifft, so ist mir das eigentlich egal. Ich bin nicht mehr Katja Suding, die stellvertretende Parteivorsitzende. Ich bin einfach Katja und mein Lebensglück hängt nicht von der öffentlichen Meinung ab. Was dich anbelangt, da verstehe ich natürlich, dass du nicht unbedingt willst, dass Weidel ausplaudert was damals... zwischen uns war."

Irgendwo in BerlinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt