Das Blitzlichtgewitter katapultierte Katja zurück an einen Januarabend im Jahr 2011. Dabei war sie extra später gekommen, in der Hoffnung, dass sich nun nicht mehr so viele Journalisten und Fotografen herumtreiben würden.
Damals hatte sie sich an Guido Westerwelle geklammert und geflüstert: "Lassen Sie mich bloß nicht allein!" Die Kameras und die Menge an Leuten hatten sie geradezu in Panik versetzt. Manchmal konnte sie kaum glauben wieviel Zeit seitdem vergangen und was alles geschehen war. Sie war in die Bürgerschaft eingezogen, hatte sich scheiden lassen, neue Liebe gefunden und verloren. Die FDP war aus dem Bundestag geflogen und beim Wiedereinzug, war Katja dabei gewesen. Guido hatte ihn schon nicht mehr erlebt. Sie war aufgestiegen, war gefallen, hatte die Reißleine gezogen und... und hatte sich zwischendrin, einfach so, in Linda verliebt.
Katja bahnte sich ihren Weg durch die Journalisten und betrat den Saal. Kameras und Menschenmengen mochte sie noch immer nicht, doch Angst jagten sie ihr schon lange nicht mehr ein. Was ihr Angst machte war der Gedanke daran Linda zu verlieren. "Lass mich bloß nicht allein", flüsterte sie sich selbst zu, als sie Lindas blonde Mähne zwischen den Anwesenden entdeckte. Einen Moment lang blieb Katja stehen und beobachtete sie.
Linda unterhielt sich mit einem älteren Herren aus dem baden-württembergischen Landesverband. Katja sah sofort, dass sie nicht besonders interessiert an der Unterhaltung war. Linda hatte ihre Hände vor dem Körper miteinander verschränkt und ein professionelles Lächeln aufgesetzt. Sie nickte viel zu oft ihrem Gesprächspartner zu und Katja konnte förmlich hören wie sie an den vermeintlich richtigen Stellen 'Ja' sagte.
Sie hatte es immer geliebt Linda bei Interviews zuzusehen und ihre Körpersprache zu lese. Unweigerlich verglich Katja diese professionelle Performance dann mit der Linda, die sie privat kannte. Die private Linda, die so viel entspannter war, Witze riss und flirtete. Doch über die Jahre war Katja noch etwas anderes aufgefallen. Auch Profi-Linda hatte sich verändert. Man konnte es beobachten, seit sie ihr Amt als Generalsekretärin damals verloren hatte, seit sie beide sich getrennt hatten. Linda wirkte durchgehend so, als ob sie erwartete gleich attackiert zu werden. Wie ein Tier, welches Angst hatte, dass sich der nächste Fressfeind gleich auf es stürzen würde, wenn es auch nur eine Sekunde nicht aufmerksam war und einen Fehler beging.
Linda hatte in der Vergangenheit viel Mut und Risikobereitschaft bewiesen, auch wenn ihr das nicht leicht gefallen war, doch wie oft war sie nur knapp an der persönlichen und politischen Katastrophe vorbeigeschrammt? Vermutlich öfter, als Katja selbst wusste. Mittlerweile musste Lindas Angst vor einem Fehltritt größer sein denn je, vor allem, seit sie Vorsitzende war. Und Katja brachte sie mal wieder in so eine scheiß Lage.
Rational betrachtet wusste sie natürlich, dass Linda an ihrer privaten Situation selbst schuld war. Sie sollte weder Sahra noch sie so lange hinhalten, doch hätte Katja das ganze nicht aufhalten können? Hätte sie nicht einfach in Hamburg bleiben können? Oder zumindest die Klappe halten, als Linda und Sahra mit ihrer Beziehung an die Öffentlichkeit gegangen waren? Gleichzeitig wusste sie, dass es ihr unmöglich gewesen wäre Linda einfach gehen zu lassen. Katja lächelte traurig. Allein ihr Anblick löste in ihr ein Gefühl aus, das so unbeschreiblich schön und schmerzhaft zugleich war.
"Was stehst du hier denn so rum?", fragte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Gyde Jensen war aufgetaucht und schwenkte ein Glas Wein in ihrer Hand. "Gyde! Hey, schön dich zu sehen", begrüßte Katja ihre Kollegin aus dem Norden und drückte sie kurz an sich. "Bist du so gefangen von ihrem Anblick?", fragte Gyde grinsend und wies mit dem Kopf in Lindas Richtung. "Sie sieht toll aus heute, ich weiß." Katja nickte langsam. Ja, Linda war bezaubernd, aber das war sie auch in einem alten T-Shirt und ungeschminkt auf ihrem Balkon oder angetrunken in einem schlecht beleuchteten Hotelzimmer.
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Irgendwo in Berlin
FanfictionLindas Karriere scheint am Ende zu sein. Von Christian in die zweite Reihe der FDP gedrängt, sieht sie sich jetzt auch noch mit dem Ende ihrer Ehe konfrontiert. Neben politischen Intrigen, ihrer neuen Freundschaft zu einer linken Politikerin und ve...