29 - Wasser den Bach runter

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Sahra ging im Stechschritt auf ihre Bürotür zu. Normalerweise hielt sie sich nicht sehr lange auf dem Gang auf, nicht, dass sie noch einem ihrer Fraktionskollegen über den Weg lief. Nur noch eine Woche, dachte sie, als sie ihre Bürotür aufschloss. Eine Woche, dann wäre endlich Sommerpause und sie musste sich nicht mehr mit den Katastrophen ihrer Partei rumschlagen. Zumindest eine Zeit lang nicht.

Das einzig Gute daran, dass sie mittlerweile wirklich keine relevanten Funktionen mehr in der Partei hatte war, dass sie nicht diejenige war, die den Karren aus dem Dreck ziehen musste und das war in der Linken mittlerweile eine Art Daueraufgabe geworden.

Zudem hatte Sahra auch noch genug eigene Probleme. Seit Weidel in der Kantine die Beziehung zwischen Katja und Linda ausgeplaudert hatte, saßen sie und ihre Liberale wie auf heißen Kohlen. Natürlich drehten die Leute sich jetzt einmal öfter zu Linda um, achteten vielleicht etwas genauer darauf mit wem sie ihre Zeit verbrachte.

Der große Aufschrei war zwar ausgeblieben, doch Sahra hatte manchmal das Gefühl, dass dies Linda nachdenklich machte. Überlegte sie, ob sie sich damals falsch entschieden hatte, als sie sich von Katja trennte? Dachte sie darüber nach, ob sie es aussitzen könnte ihre Beziehung zu Sahra endlich öffentlich zu machen?

Die Politikerin schlängelte sich durch die Bücherstapel und ließ sich auf dem Bürostuhl nieder. Sie war erschöpft. Wenn Linda und sie sich in den letzten Tagen trafen, dann immer sehr spät Abends und eine von ihnen musste sehr früh Morgens bereits das Haus wieder verlassen. Die beiden Frauen wollten vorsichtig sein.

Interfraktionell hatte es bisher keine Probleme für Linda gegeben. Die meisten Kollegen waren sogar richtig begeistert, als sie hörten, dass Linda und Katja ein Paar gewesen waren. Marie-Agnes spekulierte beim Mittagessen regelmäßig darüber, ob die Beziehung nicht doch eine Zukunft haben könnte und wurde dabei ab und an von Konstantin Kuhle und Annalena Baerbock unterstützt, die ebenfalls hellauf begeistert waren.

Genervt stieß Sahra die Luft aus ihren Lungen. Natürlich waren sie begeistert. Die perfekte Katja Suding und die herausragende Linda Teuteberg gaben doch ein so schönes Paar ab. Manchmal glaubte auch Sahra, dass die beiden sehr viel besser zueinander passten als Linda und sie selbst, doch sie war klug genug zu wissen, dass Gefühle jeglicher rationalen Grundlage entbehrten.

Linda hatte sich trotz ihrer Unzulänglichkeiten und ihres Rufs in sie verliebt. Das war alles was zählte, auch wenn es offensichtlich geworden war, dass Katja ihrerseits wohl noch Gefühle für ihre ehemalige Fraktionskollegin hatte.

Entschlossen öffnete Sahra eine Akte und begann die ungelesenen Anträge durchzuarbeiten. In den meisten ging es um Haushaltsangelegenheiten. An Lindners Namen blieb ihr Blick hängen

Christian Lindner war überraschenderweise anstatt von Linda und Katja ins Kreuzfeuer geraten, auch wenn er sich das selbst zuzuschreiben hatte.

Ende der letzten Woche hatte Markus Lanz ihn in seiner Sendung gefragt, ob es nicht einen bitteren Beigeschmack hätte, dass Linda Generalsekretärin geworden war, während ihre Freundin stellvertretende Parteivorsitzende gewesen sei und ob Lindner glaubwürdig versichern konnte, dass ihre Nominierung damit nichts zu tun hatte. Die üblichen Verdächtigen hatten auf Twitter natürlich darüber diskutiert, ob Linda sich hochgeschlafen hatte. Ganz vorne dabei Beatrix von Storch und Erika Steinbach.

Lindner hatte geantwortet, dass dem nicht so sei und die Nominierung einer Generalsekretärin allein dem Parteivorsitzenden obliegen würde. Verschiedenste Mitglieder des Präsidiums hätten sich für Linda ausgesprochen, doch am Ende hätte er sie nominiert, weil er sie sehr schätze und für die geeignetste Kandidatin hielt.

An diesem Punkt hätte Lindner einfach die Klappe halten sollen, doch natürlich hatte er das Bedürfnis gehabt sich weiter zu rechtfertigen. Ein Raunen ging durch das Publikum, als Lindner dann ausführte, dass er Linda nominiert habe lange bevor er von der Beziehung wusste und seine Möglichkeiten abwog, als die beiden Frauen ihm von der Beziehung erzählten.

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