53 - Ich schwöre es

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Clara Bünger ließ sich in der letzten Reihe der Linksfraktion auf einen der blauen Sitze fallen. "Ich habe nicht erwartet dich hier zu sehen", murmelte sie und betrachtete Sahra Wagenknecht von der Seite. Sahra errötete leicht. "Naja... egal was vorgefallen ist... glaubst du ich lasse mir das hier entgehen?", gab sie zurück. Clara seufzte leise. "Ich habe mit dem Gedanken gespielt nicht zu kommen. Ich dachte, dass Katja vielleicht oben auf der Tribüne sitzt und... Wie schaffst du das Sahra? Das mit mir und Katja kann man nicht ansatzweise mit dir und Linda vergleichen und wenn ich daran denken wie sehr es mir noch immer weh tut, dass das mit ihr und mir nicht geklappt hat... Wie kannst du sie ansehen ohne daran zu Grunde zu gehen?"

Sahra lächelte etwas traurig und schüttelte den Kopf. "Kann ich nicht, Clara. Ich sehe sie und alles in mir wird kalt bei dem Gedanken daran, dass ich sie vielleicht für immer an jemand anderen verloren habe; daran, dass sie vielleicht nie wirklich zu mir gehört hat. Aber dieser Moment hier. Das ist ihr wichtig. Das ist die Spitze ihrer bisherigen Karriere und wenn ich mich da verkrieche, dann habe ich sie nicht verdient. Dann brauche ich nicht von mir behaupten, dass ich sie liebe", flüsterte sie und richtete ihre Aufmerksamkeit dann wieder auf das, was sich vor ihnen abspielte.

Die Sitze der AfD waren verschwunden und somit gab es - ganz im Sinne von Franz Josef Strauß - keine Kraft mehr im Deutschen Bundestag, die rechts von der CDU/CSU stand. Dorothee Bär schaute sehnsüchtig hinauf zur Regierungsbank. Vermutlich hätte sie einiges dafür gegeben dort wieder sitzen zu dürfen. Neben der Union erstreckten sich die beachtlich gewachsenen Fraktionen von FDP und Grünen. Die Zitrus-Koalition. Die erste ihrer Art.

Sahra betrachtete die Präsidentin. Auch das war ein Novum. Schon zu Zeiten der Weimarer Republik hatte sich die Praxis herausgebildet, dass die größte Fraktion des Parlaments auch den Bundestagspräsidenten stellte. Eine gesetzliche Bestimmung gab es dazu zwar nicht, aber es war eben eine Tradition. Demnach hätte eigentlich jemand von den Grünen die Nummer 2 im Staat sein müssen, doch auch hier hatte die Koalition neue Wege beschritten. Weder Grüne noch FDP hatten einen Kandidaten für das Amt nominiert und so hatte der Bundestag erneut Bärbel Bas zur Bundestagspräsidentin gewählt (Ja, das ist aus so vielen Gründen unrealistisch, aber ich kann Bärbel doch nicht in Rente schicken!?).

"Gemäß Art. 64 Absatz 2 GG leisten die Bundesministerinnen und Bundesminister den in Art. 56 Satz 1 GG festgeschriebenen Amtseid. Ich werde nun den Eid laut vorlesen und bitte dann die Bundesministerinnen und Minister einzeln vorzutreten und diesen mit den Worten: 'Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe' oder 'Ich schwöre es' zu bekräftigen. Der Eid lautet: Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde", hallte die Stimme von Bärbel Bas durch den Raum.

Clara und Sahra erhoben sich von ihren Plätzen. Der Rest ihrer Kollegen tat es ihnen gleich.

Unten auf der Regierungsbank hörte Linda ihr Herz klopfen. Sie konnte Bärbels Stimme kaum wahrnehmen, so aufgeregt war sie in diesem Moment. Robert sah zu ihr herüber und zwinkerte ihr aufmunternd zu. Linda zwang sich zu einem Lächeln, das in einer schiefen Grimasse endete. Langsam setzte sie sich in Bewegung und trat vor das Mikrophon. Sie war als erste dran. „Linda Teuteberg, Bundesministerin des Inneren und für Heimat", verkündete Bärbel und nachdem sie noch einmal tief durchgeatmet hatte antwortete Linda: "Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe."

Applaus brandete auf und auch Sahra klatschte kräftig in die Hände. "Bundesinnenministerin Teuteberg", sagte sie leise. "Und Vizekanzlerin", ergänzte Clara. Sahra nickte und konnte sich nicht gegen das stolze Lächeln wehren, das sich auf ihrem Gesicht ausbreitete. Von der Weite sah sie, wie Annalena Linda über den Arm strich, bevor sie selbst an das Mikrophon trat.

Irgendwo in BerlinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt