Gyde Jensen tippte zufrieden auf den posten-Button und sah sich wenige Sekunden später ihre Instagram-Story an. Ein klassisches Aufzugselfie. Perfekt. Sie hob den Blick. Mist, der von der AfD sprach ja immer noch.
Verstohlen sah sie hinüber zu Robert Habeck, der auf dem Platz neben Olaf Scholz saß. Es war egal, ob dieser Mann ein Hemd und Sakko trug oder eine Jeans und T-Shirt. Er sah einfach verboten gut aus für einen Grünen. Gyde sah wie Annalena Baerbock sich von hinten über Habeck beugte und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Manchmal würde sie echt gerne mit ihr tauschen.
Auch Christian Lindner betrat in diesem Moment die Regierungsbank und ließ sich neben Habeck nieder. Sofort veränderte sich Baerbocks entspannter Gesichtsausdruck. Sie sagte irgendetwas in Christians Richtung, worauf er nicht reagierte. Kopfschüttelnd verließ sie die Reihe und ließ sich neben Hubertus Heil nieder, der ebenso abfällig auf Christian schaute.
Habeck und Christian tauschten kurz einen Blick, sagten jedoch ebenfalls nichts zueinander. Christians sah ein bisschen so aus wie ein trotziges Kind. Was war da denn los? Hatte Gyde da etwas nicht mitbekommen? Bevor sie sich jedoch weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte, was unter den Ministern ablief, bemerkte Gyde wie sich jemand neben sie in den blauen Stuhl fallen ließ. Es war Linda Teuteberg.
"Hey, na wie lief dein A-" Gyde brach ab, als sie Linda genauer betrachtete. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen, doch Linda war offensichtlich in keiner guten Verfassung. Sie sah müde aus. Gyde war sich sicher, dass sie wohl kaum geschlafen hatte in der vergangenen Nacht. Ihren geschwollenen Augen und den roten Flecken auf ihrem Gesicht nach zu urteilen, war es aber kein Schlafentzug der angenehmen Sorte gewesen.
"Frag besser nicht", krächzte Linda und starrte stur geradeaus. "Lief wohl nicht besonders?", fragte Gyde trotzdem und Linda schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf. "Zunächst schon. Aber dann... dann ist die Stimmung irgendwie gekippt." Gyde streckte die Hand aus und wollte Lindas ergreifen, doch diese schüttelte den Kopf und zog ihre Hand weg.
"Wenn du mich jetzt anfasst, dann kann ich für nichts garantieren und ich würde mein verheultes Gesicht nur ungern in einem Phoenix-Mitschnitt sehen", sagte die Blondine. Noch immer starrte Linda auf das Rednerpult, an dem mittlerweile Lars Klingbeil stand. Gyde zog ihre Hand zurück und seufzte.
„Was ist denn passiert?", fragte sie. Linda schloss die Augen und ließ den Kopf hängen. „Ich habe ihr von Katja erzählt. Dann haben wir uns geküsst und es war... unglaublich, aber danach hat sie gefragt warum ich sie nicht schon früher geküsst habe... und naja als sie gehört hat, dass ich es wegen Katja nicht konnte oder wollte, da hat sie sich wohl ein bisschen gefühlt als ob sie die zweite Wahl wäre."
Linda blieb auch gar nichts erspart. „Das tut mir echt leid für dich", antwortete Gyde. Sie konnte Sahras Reaktion schon verstehen, war sich aber sicher, dass sich die Aufregung bei der Linken bald legen würde. Linda sah hinüber zu den Sitzen der Linkspartei, doch natürlich war Sahra Wagenknecht nicht da. "Wieso tust du dir das heute an? Du hättest doch zuhause oder im Büro bleiben können", sagte Gyde und Linda wand zum ersten Mal den Blick zu ihr. Der Ausdruck in ihren Augen brach Gyde Jensen fast selbst das Herz. Sie hatte vielleicht noch nie einen so verletzten Blick bei Linda gesehen wie diesen hier.
„Erst dachte ich, ich könnte nochmal mit ihr reden, aber dazu müsste ich in ihr Büro und das packe ich grade wirklich nicht. Dann dachte ich, dass mich die Debatte ablenkt, aber danach sieht es nicht aus. Ich ziehe jetzt einfach diese Woche durch und dann verkrieche ich mich über die Wahlkreiswoche im Bett." Linda sah so aus, als ob sie am liebsten den Kopf auf den Tisch vor ihr gelegt und geweint hätte. Gyde wusste nicht was sie sagen sollte. Sie war sowieso nicht gut darin tröstende Worte zu finden. „Ich bin mir sicher, dass ihr euch schon wieder vertragt", sagte sie und sah dann auf die Uhr. „Wollen wir einen Kaffee trinken gehen? Vielleicht bringt dich das auf andere Gedanken." Linda stimmte zu. Vielleicht war es ganz gut den Plenarsaal zu verlassen.
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Irgendwo in Berlin
FanfictionLindas Karriere scheint am Ende zu sein. Von Christian in die zweite Reihe der FDP gedrängt, sieht sie sich jetzt auch noch mit dem Ende ihrer Ehe konfrontiert. Neben politischen Intrigen, ihrer neuen Freundschaft zu einer linken Politikerin und ve...