46 - Tief aus dem Inneren

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Linda und Sahra saßen einander mehrere Minuten gegenüber. Während Erstere mit sich haderte und immer wieder versuchte die Worte, die ihr seit Monaten im Halse feststeckten auszusprechen, rutschte Letztere immer nervöser auf ihrem Stuhl herum.

Schließlich ergriff Sahra Lindas Hände. „Rede mit mir, Liebling. Was ist los?" Instinktiv sah Linda auf und ihr Blick traf Sahras dunkle Augen. Diese dunklen Augen, die sie so oft quer durch den Plenarsaal anfunkelten, die in unzähligen Nächten voller Begierde über ihre Kurven geglitten waren und sie jetzt besorgt und auch ein wenig misstrauisch durchbohrten.

„Erinnerst du dich an unseren Streit? Kurz vor dem Parteitag? Als es darum ging wer mein Co-Vorsitzender werden soll?", begann Linda schließlich das schwerste Gespräch ihres bisherigen Lebens. „Ehm, ja, vage. Wieso?", antwortete Sahra.

„Wir haben wegen Katja gestritten. Du bist dann nach Düsseldorf gefahren und ich hatte hier bzw. in Berlin zu tun. Ich war auf diesem Frauen100 Dinner eingeladen." Sahra nickte langsam. Ja, daran erinnerte sie sich und sie erinnerte sich noch besser als sie zugeben wollte, an jeden Streit, den sie und Linda jemals wegen Katja geführt hatten.

„Katja war auch bei dem Dinner", sprach Linda langsam weiter. „Ja, das weiß ich doch. Aber ich verstehe nicht ganz was das mit deinem Verhalten zu tun hat. Hat Suding was gesagt? Hör mal, nur weil sie dem Druck als Vize nicht standgehalten hat und ihr das Leben als Politikerin zu viel wurde, heißt das nicht, dass das bei dir auch der Fall sein muss. Es tut mir leid, was ich über Machtpositionen gesagt habe, Linda, ich hätte nicht..." Doch Linda unterbrach Sahra.

„Bitte. Bitte entschuldige dich nicht bei mir. Wenn du jetzt damit anfängst, dann bekomme ich gleich kein Wort mehr raus", sagte sie mit belegter Stimme. Es wäre zu einfach, jetzt wieder zurückzurudern oder Sahra irgendeine weitere Lüge aufzutischen, doch Linda musste das hier durchziehen. Der Moment war gekommen. „Mein Verhalten in den letzten Monaten hat nichts mit der Arbeit zu tun. Um ehrlich zu sein ist der Parteivorsitz das kleinste meiner aktuellen Probleme. Nein, es geht um uns. Um dich, mich und... und um Katja."

Sahra richtete sich leicht in ihrem Stuhl auf. Wie automatisch zog sie ihre Hände von Lindas zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie wusste was jetzt kommen würde. Oder sie ahnte es. Ganz sicher war sie nicht. Sicher war nur, dass sie Linda nicht den Gefallen tun würde es selbst auszusprechen. Sie wollte, musste, es aus dem Mund der Blondine hören.

„An diesem Abend... Scheiße... an diesem Abend ging es mir furchtbar. Nachdem wir beide unsere Beziehung öffentlich gemacht haben stand Katja vor meiner Tür. Sie hat mir ihre Liebe gestanden und ich habe ihr gesagt, dass ich mich für dich entscheide. Bei diesem Dinner haben wir deswegen kein Wort gewechselt und ich war ohnehin schon deprimiert, weil wir beide uns gestritten hatten." Linda musste eine kurze Pause einlegen, eher sie weitersprach. Sahra hörte ungerührt und mit versteinertem Gesichtsausdruck zu. Sie hatte bis eben nichts von Katjas Besuch im Freiheitslabor gewusst.

„Dann hat diese verdammte Karven angefangen mit ihr zu flirten und ich habe mein ganzes Leben den Bach runtergehen sehen. Ich bin in irgendeine Abstellkammer geflüchtet, um mich wieder zu fangen, doch dann kam Katja plötzlich rein. Die hatte wohl die gleiche Idee gehabt. Und dann haben wir geredet. Über alles und... und ich musste mir und ihr eingestehen, dass ich noch immer Gefühle für sie habe. Wir haben uns geküsst und... Ich hab in dieser Nacht mit Katja geschlafen." Den letzten Satz flüsterte Linda nur noch. „Sahra es tut mir so leid. Ich wusste nicht wie ich es dir sagen soll und es war nur dieses eine Mal, ich weiß nicht was..." Sahra hob eine Hand und sagte: „Halt die Klappe, Linda."

Sofort verstummte sie. Sie wagte es kaum in Sahras Augen zu sehen. Einige Zeit schwiegen die beiden Frauen. Sahra schien zu überlegen, was sie auf dieses Geständnis antworten sollte. Die Minuten verstrichen und in Linda hatte das Gefühl eine unsichtbare Hand würde sie langsam zerquetschen, so sehr schloss sich die Angst um ihr Herz.

Irgendwo in BerlinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt