54 - Wie in der ersten Nacht

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"Ich glaube nicht, dass es Zufall ist, dass wir beide einander getroffen haben. Ganz unabhängig davon, ob man nun an Gott, das Schicksal oder was weiß ich glaubt, denke ich, dass es einen Grund hat, dass du in mein Leben getreten bist und heute Abend hier bist. All die Schwierigkeiten, die wir hatten, all die Verletzungen, ich denke, dass auch die einen Grund hatten. Vielleicht musste es so sein, verstehst du? Vielleicht mussten wir uns erst verlieren, uns verändern, um dann wieder zueinander zu finden. Gerade im vergangenen Jahr habe ich eine Gefühlsachterbahn durchgemacht, die ich so nie erwartet hätte. Aber egal, wie sehr wir beide uns verändert haben, eines ist doch gleich geblieben: Ich habe dich immer geliebt und scheiße... ich habe dich jede Sekunde, in der du nicht da warst vermisst. Und ich vermisse dich heute kein Stück weniger, als damals, in der ersten Nacht ohne dich. Und auch wenn es mir weh tut sie gehen zu lassen, ist das nichts im Vergleich mit dem was ich fühle, wenn ich mir ein Leben ohne dich vorstelle. Annalena hat gesagt: Hör' auf dein Herz. Und genau das habe ich getan, auch wenn mein Kopf natürlich sagt, dass ich mir das gut überlegen soll, denn... so bin ich eben, ein Kopfmensch. Aber ja, ich habe mich entschieden...", sagte Linda und drückte die Hand ihrer Auserwählten fester.

"Ich entscheide mich für dich, Katja Rita Suding. Denn es gibt nichts in diesem Universum, nach dem sich meine Seele mehr sehnt, als nach dir und deiner Nähe. Und ich flehe dich an: Gib mir diese letzte Chance dich so zu lieben, wie du es verdient hast."

Ganz langsam hob Katja den Kopf und sah Linda mit tränennassem Gesicht an. Hatte sie das eben richtig verstanden? Sie war fest davon ausgegangen Linda hier und heute endgültig zu verlieren. Jedes Wort, jeder Blick zuvor hatte eigentlich darauf hingedeutet, dass Linda sich für Sahra entscheiden würde.

Lange sah Katja sie an, unfähig etwas zu sagen. Sie spürte nichts, außer Lindas warme Hand in ihrer und das Klopfen ihres eigenen Herzens. Langsam wurde ihr Gegenüber nervös. Dann ergriff Katja auch Lindas andere Hand. "Linda... Damals im Freiheitslabor, da habe ich gesagt, dass ich dich immer geliebt habe und ich damit auch nicht aufhören werde, richtig? Wir beide, das ist nicht einfach, ich weiß das. Aber ich weiß auch, wie ich es schon in dieser Nacht in Hamburg gewusst habe: Du bist die, mit der ich mein Leben verbringen will."

Linda atmete zitternd ein. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. "Also heißt das...?" Katja antwortete nicht direkt. Sie zog Lindas Gesicht zu sich heran und flüsterte gegen ihre Lippen: "Das heißt ja, ich gebe dir noch eine Chance. Ich würde dir noch tausend Chancen geben. Ich liebe dich, Linda Teuteberg. Ich liebe dich mehr, als ich je für möglich gehalten habe." Mit nun ebenfalls tränengefüllten Augen überbrückte Linda die letzten Millimeter zwischen ihr und Katja und küsste sie.

***

Ein sanftes Lächeln zeichnete sich auf Katjas Lippen ab, als ihr Blick auf Linda fiel, die mit dem Rücken zu ihr im Rahmen der Balkontür stand und aufs Wasser unter ihr hinausblickte. Immer wenn sie an diesen Kuss auf dem Marie-Elisabeth-Lüders Steg dachte, bekam sie Gänsehaut. Keines von Lindas Worten konnte Katja so glaubhaft versichern, dass sie es ernst meinte wie dieser Kuss. Worte waren anfällig für Lügen, doch jede Berührung, jedes Seufzen, das Gefühl von Lindas Zungenspitze, die über ihre Unterlippe strich - das war die reinste Form der Wahrheit.

Katja schlang von hinten die Arme um Lindas Taille und stützte ihr Kinn auf ihrer Schulter ab. "Du hattest recht, es war eine gute Idee nach der Konferenz noch ein paar Tage zu bleiben", sagte die Innenministerin leise und legte ihre rechte Hand auf Katjas, welche auf Lindas Bauch ruhte. Anfangs war Linda vom Vorschlag das Wochenende in Hamburg zu verbringen nicht begeistert gewesen. In Berlin und Potsdam wartete genug Arbeit auf sie und irgendwie hatte sie ein schlechtes Gewissen, wenn sie einfach so einen Urlaub einschob. Doch Hamburg war eine besondere Stadt für sie beide und so hatte sie schließlich nachgegeben.

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