28 - Kantinengeflüster

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Als Linda zum ersten Mal nach ihrem Instragram-Live wieder den Bundestag betrat, fühlte es sich so an, als ob sämtliche Blicke von Kollegen und Mitarbeitern auf sie gerichtet wären. Zum einen schienen viele von ihnen niemals mit einer solchen Offenbarung seitens Linda gerechnet zu haben, zum anderen sorgte Lindas Geständnis, sie hätte eine Beziehung mit einer Kollegin geführt, für Spekulationen.

Linda hatte Sahra an ihrem Büro abgeholt. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg in die Bundestagskantine. Schon den ganzen Tag war die Ältere ungewöhnlich still gewesen, hatte nicht mal widersprochen, als sich Linda bei der Lektüre ihres morgendlichen E-Papers der Märkischen Allgemeinen über Kevin Kühnerts Aussagen zum Mietendeckel aufgeregt hatte.

"Hey, was ist eigentlich los heute? Du bist schon den ganzen Tag so komisch drauf", flüsterte sie und versuchte Sahra in die Augen zu sehen. Diese wich ihrem Blick jedoch aus.

"Ach es ist nichts. Ich weiß es selbst nicht so genau. Ich glaube es beschäftigt mich einfach immer noch, dass wir beide unsere Beziehung geheim halten müssen. Gerade nach gestern und nachdem jeder so gut auf dein coming out reagiert hat." Linda seufzte. Sahra war bei diesem Thema sehr ambivalent eingestellt. Mal wollte sie, dass jeder von der Beziehung erfuhr, dann wieder nicht. Erst hielt sie nichts von Lindas coming out, jetzt wollte sie aber hinausposaunen, dass die beiden einander liebten.

"Was würde dir denn gut tun?", fragte Linda noch leiser und Sahra sah auf. Die Linke konnte es nicht verhindern, dass sich ein kleines Grinsen auf ihr Gesicht stahl. "Das meinte ich nicht", sagte Linda und grinste ebenfalls. "Ich denke einfach an den Sommer. Nur du, ich und ein abgeschiedenes Haus im Grünen."

"Lieber ein Haus im Grünen, als ein Grüner im Haus", sagte Linda scherzhaft, während sie den Raum nach Gyde, die einen Tisch besetzen wollte absuchte. Lachend schüttelte Sahra den Kopf. "Vergiss nicht, DU willst mit denen koalieren." Linda lächelte. "Ich mache doch nur Spaß. Übrigens: wenn man vom Teufel spricht."

Linda hatte Gyde, die bereits mit Konstantin und Katja, die einen „geschäftlichen" Termin mit Clara hatte, an einem Tisch saß, entdeckt. Abgesehen von diesen beiden, hatten sich jedoch auch Baerbock und Habeck neben Gyde niedergelassen.

"Was soll das denn?", brummte Sahra genervt. Sie hatte sich gerade so an die Mittagessen mit den FDPlern gewöhnt. Musste sie sich jetzt etwa auch auf die Grünen einstellen? Linda zuckte mit den Schultern. "Mal sehen was die von uns möchten", antwortete sie. Sahra warf ihr einen kritischen Seitenblick zu. "Naja, wohl eher von dir. Von mir wollen die sicher nichts."

"Linda! Schön, dass du endlich hier bist!", rief Annalena, als die blonde Potsdamerin sich neben sie setzte. "Ich dachte wir könnten mal ein kleines Gespräch führen. So unter Koalitionspartnern", sagte die Grüne und kurz fiel ihr Blick dabei auf Sahra, die sich jedoch nichts anmerken ließ. Gyde warf schnell ein: "Wir können die Angelegenheit vor Sahra besprechen. Die ist auch im Team Teuteberg." Sahra lächelte die Rothaarige dankbar an und Konstantin stöhnte auf. "Bitte nicht dieser Name", jammerte er.

"Wie dem auch sein", sagte Robert, was Konstantins Aufmerksamkeit sofort auf sich zog. "Ihr wisst ja mittlerweile alle welche verrückten Plan Annalena und ich da ausgeheckt haben." Alle nickten. Linda war ein wenig schleierhaft woher Konstantin und Katja von Annalenas grün-gelber Phantasie wussten.

"Unser Auftrag ist klar: Lindner muss weg", sagte Robert. "Also nicht ganz. Aber wir bzw. ihr braucht jemanden, der die FDP ein wenig anders führt und ausrichtet als jetzt. Wir könnten die Zukunft sein, wenn wir uns schlau anstellen." Sahra schnaubte leise und widmete sich stumm ihrem Essen. Eine grün-gelbe Regierung war für sie vermutliche ein Albtraum.

Konstantin und Gyde haben zustimmendes Gemurmel von sich. "Ich finde das Christian gegenüber nicht unbedingt fair. Ich meine ich bin auch dafür, dass Linda oder wer auch immer den Parteivorsitz übernimmt, aber nicht alles was Christian macht ist schlecht. Er ist auch nur ein Mensch", meldete Katja sich mit besorgten Unterton aus der Ecke.

Irgendwo in BerlinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt