2

1K 38 58
                                    

Das Essen, das nun vor uns abgestellt wird, lässt die Essensreste in meinem Magen des Vorabends aufkommen. Alles in mir verkrampft sich und ich hätte mich übergeben können, bevor mein nüchterner Magen gefüllt ist.
„Ehrlich? Ich mag Garnelen gar nicht", höre ich Rana sprechen. Ich zwinge mich darum, unbekümmert zu wirken und steche in meinem Essen herum, um beschäftigt auszusehen.

„Ich mag Pasta nicht."
„Aziza auch nicht." Als ich meinen Namen höre, sehe ich vom vollen Teller auf und treffe auf Aymans Augen, die mich fokussieren.
„Sie hat anscheinend Geschmack."
„Jeder Mensch mag Pasta."
„Ja", stimmt nun Pechschwarz - der Mützenträger - Ranas Aussage zu und sieht argwöhnisch zwischen mir und Ayman her. Es war schon immer ein Reflex von mir, Menschen, dessen Namen ich nicht kenne, nach ihrer Augenfarbe zu benennen. Jeder Mensch hat ein kleines Detail, das aus seinen Augen sticht und minimal auffällt, so dass es sich von den anderen Augenpaaren unterscheidet.

„Ihr seid vermutlich Außerirdische." Er hat eine mir vertraute Stimme und besitzt ein schiefes Lächeln. Ich meine, beidem schon begegnet zu sein, doch je länger ich ihn unwissend analysiere, desto seltsamer entwickelt sich die Situation.
„Ich mag italienisches Essen nicht besonders." Ich zucke mit den Schultern und halte meinen Blick auf das unberührte Essen gesenkt, um dem intensiven Blick von Pechschwarz auszuweichen.

Ich komme nicht damit zurecht, dass er von der ersten Sekunde an lächelt als hätte er keine Probleme im Leben. So, als wäre sein Lächeln ein Normalzustand.
„Vielleicht bevorzugt du mich als algerische Kostspeise mehr." Sein Grinsen wächst und er schiebt seinen Teller beiseite, um die Arme auf den Tisch zu verschränken.
„Der war ganz schlecht, Macho."
„Hast du das mich mal probiert?"

Er zwinkert zweideutig, dass ich verstört die Nase kräusele und das Gelächter von allen dreien wahrnehme. Ich nehme an, dass ihn ihn sympathischer gefunden hätte, wenn er nicht mit solch einem Spruch und seiner Selbstgefälligkeit rausgerückt wäre.
„Iss deine Spaghettis und behalte deine Kommentare für dich."
„Schade."

Was mich am meisten stört? Wie er mich ansieht. Also wirklich, denn es ist ein solch intensiver Blick, dass ich glaube, ich wäre entblößt und jeder Millimeter meinerseits sichtbar. Als würde er jede Narbe und jedes Muttermal kennen, das es auf meiner Haut gibt. Ich senke den Blick erneut auf das dampfende Gericht und zerstückele dieses, obwohl ich seine Augen ganz klar und deutlich durch jeden Knochen wahrnehme.

„Nichts für ungut, du bist nicht ihr Typ."
„Ich bin jedermanns Typ." Ich höre selbst jetzt, ohne ihn anzusehen, sein Grinsen heraus. Meine Hand verkrampft sich um die Gabel und ich schließe für eine Sekunde die Augen. Dieses Grinsen ist nicht er der Hauptgrund für meine plötzliche Anspannung, sondern die verdammte Provokation in dem Unterton und seine Selbstgefälligkeit. Vielleicht wäre ich weniger abgeneigt, wenn er nicht den selbstverliebten Macho hängen lassen würde. 

„Scheint nicht so, Latif", beteuert Ayman schmunzelnd.
„Bild' dir nicht so viel ein", mischt sich Hellbraun dazu und steckt sein Handy ein. Er beginnt sofort zu essen, wodurch er abgelenkt ist und Latif die Chance nutzt, um ihm stumm und überdramatisiert nachzuäffen.
„Dicker, iss nicht so viel", keift Latif gespielt.
„Iss du lieber mehr und halt die Klappe." Ich kann nicht anders und muss verachtend darüber schmunzeln.

„Ja, schaut. Sie lacht", Latif zeigt mit beiden Daumen auf sich. „wegen mir. Ich sag es euch, sie liebt mich."
„Deine Arroganz beinhaltet sicher genug Liebe, als dass meine noch nötig ist."
„Schenkst du sie mir denn?" Ich erwidere sein Schmunzeln fälschlicherweise, hätte dabei allerdings die Gabel am liebsten in seine Augäpfel gestochen. Ich bereue, dass ich nicht Zuhause geblieben bin und einen neuen klischeehaften Roman aufgeschlagen habe, obwohl ich kurz davor war, genau das zu tun, mich in der letzten Sekunde allerdings habe überzeugen lassen.
„Lieber sterbe ich."

MAYBEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt