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Ich träume nicht viel, aber wenn, dann träume ich richtig. Nicht visuell, sondern nach meinem Instinkt. Na ja, von einem großen Haus mit vielen Kindern, einem herzhaften Ehemann und die Sicht auf die Weite. Vielleicht auch einen großartigen Job und ein schönes Verhältnis zu meiner Familie, aber wie es scheint, bleiben Träume nur Träume, um sie zu träumen und im Gedächtnis zu behalten.

Ich glaube, das ist das Geheimnis vieler Autoren. Ihre Träume sind zu groß und ihre Umwelt viel zu klein, als das sie in diese reinpassen. Natürlich erfinden sie eine neue Welt, in der keine Regeln existieren, damit sie die Kontrolle über ihre Träume haben. Ein wenig ausleben, tun wir diese anschließend auf gewisser Art und Weise, aber nicht auf die, wie wir es uns eigentlich wünschen.

„Aziza, aufstehen!", lallt Rana schrecklich aus den Flur in den Morgen und reißt die Tür auf. Sie erschreckt mich nicht und ich keuche nicht hektisch nach Atem, nachdem ich ihn angehalten habe, sondern ich starre wie die ganze Nacht schon die weiße Wand an, um zu träumen. Ich träume lieber bei vollem Verstand. „Los, los, los! Ich habe eine Aufgabe für dich."

Sie reißt mir die Decke vom Leib, doch hält inne, als sie meine geöffneten Augen wahrnimmt, die noch immer verträumt dreinschauen. Sie lässt mir eine Sekunde Zeit und diese Sekunde ist eine Sekunde zu viel für meinen Kopf, der nicht in die Realität zurückkehren möchte. Schließlich blinzele ich nach Minuten, in denen ich nicht blinzelte, weil sie so trocken geworden sind und begegne ihren verwunderten Pupillen, die versuchen mich zu durchschauen.

„Warum bist du schon wach?"
„Warum bin ich noch wach?", korrigiere ich sie und lege mich auf die Seite. Sie atmet nur tief durch die Nase und lässt meine Frage so stehen. Sie weiß, dass ich es mir jeden Tag schwer tue, einzuschlafen und schwerer tue ich es mir, aufzustehen. Es ist ein Kampf mit meinem Geist, weil ich selbst nicht weiß, wofür es sich am heutigen Tag lohnt, aus dem Bett zu kriechen und zu atmen zu beginnen.

Ich atme nach Minuten endlich den Sauerstoff ein, so dass meine Augenlider genüsslich flattern und beruhige mein Gewissen dadurch mit jedem Atemzug.
„Muss ich jetzt wirklich neben dir am Bett stehen bis du einschläfst?"
„Ich werde jetzt nicht mehr einschlafen."
„Das dürftest du auch nicht." Sie lächelt, was so viel bedeutet wie: Du wirst mich dafür hassen, aber das macht nichts, weil du mich danach trotzdem noch liebst.

„Was willst du?" Ich kneife meine Augen beißend zusammen.
„Also", setzt sie an und setzt sich zu mir auf das Bett, als würde ihr Gefallen dadurch weniger nervtötend werden. „Ich muss Möbel abholen."
„Dann geh."
„Ich kann sie nicht tragen."
„Nerv mich nicht, Rana." Ich schließe wiederholt meine Augen und nehme ihren frischen und rosigen Duft wahr, der mich mit den noch feuchten Haaren wissen lässt, dass sie bis vor Minuten duschen war.

„Mein Auto ist in der Werkstatt und Ayman hat ein Auto. Kannst du bitte runter und mit ihm die Möbel abholen?"
„Mach das doch selbst. Er ist dein Traummann und nicht meiner."
„Ja, aber wegen gestern möchte ich nicht mit ihm reden."
„Ich habe es dir erklärt."
„Trotzdem. Es ist unangenehm. Bitte, Aziza." Als ich meine Augen aufschlage, liegt eine enorme Bitte in ihren.

„Ich habe keine Lust."
„Natürlich hast du keine Lust, wenn du nur im Bett liegst!" Sie steht stets übermotiviert auf und rüttelt an meinen Schultern, wodurch ich einen frustrierenden Laut abgebe.
„Geh weg."
„Du warst genug mit deinen Gedanken. Hopp hopp, die Arbeit ruft!" Sie marschiert aus dem Zimmer und lässt dabei die Tür absichtlich offen.

„Los! In fünf Minuten bist du fertig!" Aber nach fünf Minuten sitze ich immer noch auf dem Bett und verfalle in meinen Gewohnheiten. Jedes Mal, wenn ich mir vorstelle, dass ich die Etage runterlaufen muss und etwas zu erledigen habe, könnte ich kotzen. „Du bist ja immer noch nicht fertig", meckert sie schlimmer als es Salim tut. Ich werfe ihr einen wütenden Blick zu.

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