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„Schlechter Tag?", ertönt es plötzlich weiter weg, wodurch ich kaum merklich zusammenzucke und die Augen schließe. Es fallen mir 101 Gründe ein, weshalb ich ihn wegzuschicken, ihn anzuschreien und in meine Welt voller Verzweilfung zu werfen müsste. Latif steht an dem Türrahmen und starrt mich so an, als würde er all meine Tätigkeiten nicht nachvollziehen können. Als würde er nicht verstehen, dass es auch schlechte Tage gibt.

Ich ignoriere seine Anwesenheit und beschließe mich mit der Kiste in meinem Kopf mit der Aufschrift Mama zu beschäftigen. Ich glaube, diese habe ich seit jahren nicht geöffnet und zugegeben scheue ich mich davor, weil ich sie ständig aufschiebe.
„Falscher Zeitpunkt, um zu fragen, warum du mich ignorierst?" Ich nehme nähere Schritte wahr und spüre wie sich die Matratze an der Kante des Bettes senkt, was der Grund für mein plötzliches Zurückweichen ist. Mein ganzer Körper fühlt sich verschlafen und schlapp an. Ich bekomme nichts hin und auch das sind die Folgen der langandauernden Depression.

Irgendwie schiebe ich ständig alles auf die Depression, um die Probleme zu übergehen, die eigentlich nicht mit dieser zusammenhängen, aber zugegeben fühlt es sich leichter an, alles mit der psychischen Erkrankung zu begründen. Danach kann ich mir wenigstens einreden, dass die Depression mal wieder schuld ist.
„Okay", sagt er schließlich, als ich nicht antworte. „Gut. Dann erzähl mir irgend etwas."
„Geh raus."
„Nö." Zufrieden verschränkt er die Arme ineinander und steht wieder auf, um sich im unpersönlichen Zimmer umzusehen. Es gibt hier nicht viel, nur das Nötigste wie es bei Ayman der fall ist. Es ist nur zum Unterkommen und nicht zum Leben gut.

„Ich dachte irgendwie, dass wir jetzt an einem Punkt angekommen sind, an dem wir etwas wie Freunde sind." Ich lege mich auf die Seite und quetsche meine Hände unter meiner Wange, um seine Bewegungen zu beobachten. Sie sind unruhig und alles andere als entspannt. Er versucht sich krampfhaft zu beschäftigen, wodurch er sein Zappeln unmöglich unter Kontrolle kriegt. Es fällt mir verdammt schwer, nicht davon auszugehen, dass es an dem Kokain liegt, aber der Gedanke daran macht mich unglücklich und ich möchte nicht mehr unglücklich sein. 

„Wusstest du das Seeotter beim Schlafen Händchen halten? Also damit ihr Partner nicht abhaut. Wenn du willst, können wir das ausprobieren." Er dreht sich grinsend zu mir, doch als ich seine Aussage unkommentiert lasse, lässt er diese so stehen. „Soll ich dir auf die Sprünge helfen? Du weißt schon, gute Laune und so."
„Warum bist du eigentlich ständig so gut gelaunt?"
„Macht es mich zum schlechten Menschen, wenn ich ein bisschen Liebe verbreite?" Er hört sich amüsiert an. „Ich kann dir auch Liebe schenken."

„Ich brauche deine Liebe nicht."
„Wenn du gute Laune brauchst, kann ich dir auch weiterhelfen." Kokain?, hätte ich am liebsten gefragt, doch ich behalte diese ironische Frage für mich.
„Womit?"
„Sex", sagt er plötzlich, so dass ich unangenehm erschaudere. „Sex macht gute Laune, Mylady." Er nimmt sich einen Stift in die Hand und wirft diesen in die Luft, um ihn mit der anderen wieder aufzufangen.

„Du bist Jungfrau."
„Ich würde meine Jungfräulichkeit an dir verlieren wollen." Er grinst schelmisch. Ich unterdrücke nur schwer ein Kopfkino. Meine Haut kribbelt widerlich, wodurch ich einen Impuls verspüre, diese aufzukratzen. Das Erste, was mir in den Sinn kommt, ist seine Freundin. Solche Aussagen wie seine kann man unmöglich falsch verstehen. „Viellecht schenkst du mir auch deine."
„Viellecht bin ich überhaupt keine mehr."
„Doch, das bist du."
„Ah ja?"

„Ja. Du siehst wie eine aus."
„Wie sieht denn eine Jungfrau aus?" Er zuckt nur mit den Schultern und läuft weiter im Zimmer auf und ab. Natürlich bleibt sein Lächeln angewurzelt, nachdem er die Mütze richtet und aus dem kleinen Fenster starrt.
„Deine Augen verraten dich, Mylady."
„Hör auf, mich so zu nennen", fauche ich, doch bereue es im nächsten Moment. Es macht keinen Sinn, sich auf ein oberflächliches Gespräch mit ihm zu beschränken und darauf zu hoffen, dass keine Drogen aus ihm sprechen.

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