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„Das ist nicht dein Ernst", murmele ich, als ich die Lichter der Stadt wahrnehme. Es protzt nur von teuren Autos und Menschenmengen, die in Klamotten stecken, die ich mir niemals leisten könnte. Um uns herum sind so viele Autos, dass wir förmlich dabei untergehen und so viel Krach, dass ich glaube, er würde meine Stimme nicht hören - im Auto.
„Doch."
„Hast du vergessen, dass wir vom Staatsgeld leben?", frage ich ernster als ernst.

Von ihm folgt nur ein Lächeln, das entschuldigend wirkt, aber weniger so gemeint ist. Er parkt sehr kryptisch in einer freien Lücke und schaltet das Auto aus.
„Macht doch nichts. Wir sind nicht die Einzigen, die so leben."
„Latif, hast du dir diese Menschen angeschaut?"
„Wen interessiert es?" Mein Blick gleitet über den Ku'dammer Weihnachtsmarkt und den Menschen rundherum.

„Es sind bestimmt noch andere Harz IVer hier."
„Wie tröstend." Er legt mir seine Hand auf die Schulter, so dass sich darunter alles winden will, doch ich halte mich in Position.
„Und jetzt aussteigen."
„Sagte ich dir nicht, du sollst es mich nicht bereuen lassen?" Ich ziehe mir mürrisch wieder die Schuhe über und ignoriere die brennenden Blicke, die er mir zuwirft. Dass ich Blümchensocken trage und aussehe wie der größte Penner, ist dabei total irrelevant.

Er steigt aus dem Wagen, was ich ihm wenig später gleichtue. Ich bereue diesen Moment mehr als ich sollte. Ich überlebe das doch niemals!
„Du erleidest gleich einen Kollaps. Entspann dich mal."
„Ich fühle mich hier nicht wohl, Latif." Kurz blitzt etwas in seinen Augen auf. Ich kann es nicht beschreiben und nicht identifizieren, aber ich kann sagen, dass ich diesen Blick niemals erwidern werde.
„Ich bin hier. Du bist in guten Händen, Mylady."

„Ich weiß nicht ..."
„Aziza", lallt er mir um die Ohren und legt einen Arm um meine Schulter. Ich bin zu unfähig, mich zu wehren und nehme es genau so hin. „Ich war so lange nicht mehr hier." Ich auch nicht. Es ist komisch, hier zu sein und einfach so zu tun, als wäre ich niemals weg gewesen. Er führt mich durch die Straßen und anschließend in den Markteingang, vor dem es nur von Menschen wimmelt.

„Das ist kein Date", sagt er unerwartet, als hätte ich darüber diskutieren wollen. Ich werfe ihm einen kurzen Blick nach oben, doch er schenkt mir seinen nicht.
„Okay."
„Aziza?" Bitte nicht schon wieder. Als Antwort gebe ich nur ein entnervtes Stöhnen von mir. Ich kann mir vorstellen, welch eine absurde Frage er stellen möchte, um in einen Redefluss zu verfallen.

Der Markt riecht nach gebrannte Mandeln, nach Zuckeräpfel, nach Crêpes und nach viel Schokolade. Es riecht ganz kurz gefasst nach Weihnachten. Durch die Dunkelheit im Winter, wird die Stadt von den hellen Lichter des Weihnachtsbaums und dem Riesenrads beleuchtet.
„Glaubst du an Aliens?"
„Latif", murre ich fassungslos, kann mir jedoch kein Lachen verkneifen. „Das ist nicht dein Ernst."
„Doch, Mann. Stell dir einfach vor, dass Aliens Weihnachten feiern."

„Gott", flüstere ich und möchte mich gerade aus seinem Griff entreißen, doch er lässt nicht von mir ab und beginnt sogar unruhig auf meiner Schulter zu klopfen.
„Echt jetzt. Wir sind doch nicht alleine in dieser Galaxie", sagt er festentschlossen. „Bestimmt wissen sie nicht mal, dass sie die Aliens sind. Bestimmt denken sie, dass wir die Aliens sind. Bestimmt glauben sie, dass sie Menschen sind, obwohl sie Aliens sind ..."
„Latif, atme."

Er atmet tief durch den Mund und wieder aus, so dass eine Rauchwolke entsteht, bevor er in der Menschenmasse stehen bleibt.
„Also ich glaube an Aliens." Er wird nicht locker lassen bis ich ihm zustimme. Ich verschränke meine Arme ineinander und unterdrücke ein zittriges Durchatmen.
„Ich glaube an etwas, aber nicht an Aliens. Vielleicht an noch eine Welt oder so", entgegne ich, um ihn stillzuhalten. „Noch mehr Menschen. An Doppelgänger, oder sowas."

„An keine aliens?"
„Nicht unbedingt." Er grübelt und drückt an meiner Schulter zu, ehe er mich an den Stand mit den gebrannten Mandeln bringt.
„Doch. Aliens. Definitiv."
„Warum?" Er überlegt kurz und sammelt die richtigen Worte.
„Oder so ein Meister Yoda", übergeht er meine Frage. „So Star Wars mäßig."
„Das habe ich nie geschaut."

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