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Ich ziehe mir den beigen Wintermantel über die Schultern, der mir bis zu den Knien geht, richte ein letztes Mal meine zum Zopf gebundenen Haare und schleiche lautlos ich in den Flur. Danach schlüpfe ich in die weißen Air Force 1 und verlasse die Wohnung. Es fühlt sich so surreal an, mich ihm hinzugeben und zu wissen, dass wir unsere Zeit miteinander verbringen, obwohl ich ihn möglichst zu vermeiden probiere.

Alles in meinem Kopf schreit nach einem Rückzug, aber ich war noch nie eine Person, die ihr Versprechen in der letzten Sekunde brach, weil sie es für das Falsche hielt. Ich habe die Tage bis zum Samstag überdacht und analysiert mit dem Entschluss, dass ich das Bescheuertste tue, was ich seit Langem mache. Ich hätte mich nicht darauf einlasse dürfen, weil ich weiß, dass es falsch ich. Ich würde nur ein bisschen Klarheit in meinem Kopf wollen, doch aus irgendeinem Grund mache ich alles ständig komplizierter als ohnehin schon.

Ich öffne die untere Eingangstür, ehe ich heraustrete und die kalte Luft einziehe. Diesmal blickt mir auf den ersten Blick der schwarzmatte BMW entgegen, in dem Latif schon Platz genommen hat und erst aufsieht, als ich die Türe öffne, um mich mit einem verliehenen Lächeln hereinzusetzen. Er packt sein Handy weg, ehe er seinen Blick über mich schweifen lässt und letztendlich bei meinem Gesicht anhält, etwas abwesend wirkt und dennoch wie benommen lächelt.

„Du siehst gut aus."
„Danke." Ich hätte das übliche Funkeln in seinen Augen erwartet und die Dramaturgie, die er wie sonst auch ausbreitet, aber diesmal wirkt er müde, was nicht einmal sein Lächeln auszugleichen versucht. Und sein Lächeln? Es ist weniger ehrlich. Es ist nicht gezwungen, aber eben ... weniger ehrlich. Als er schließlich nach dem Schlüssel greift und das Auto anschaltet, beginnt das Schweigen. Ich hätte erwartet, dass er wie ein Wasserfall zu reden beginnt, aber zu meiner Überraschung schweigt er.

„Wohin fahren wir?", frage ich, als ich die Stille nicht mehr ertrage.
„Wirst du sehen."
„Und du bist sicher kein Mörder?"
„Ich verspreche nichts." Und als der dann schließlich bei seinem mickrigen Autostil auf die Autobahn zusteuert, wird mir ganz übel. Irgendwie fühlt es sich falsch an, hier zu sitzen und darauf zu warten, dass etwas folgt. Es legt sich eine bedrückende Stille zwischen uns, die ich unbedingt unterbrechen möchte, es allerdings nicht hinbekomme.

Meine Hände geraten ins Schwitzen, als ich mir den Gedanken spiele, dass ihm der fehlende Ball aufgefallen sei. Aber er würde niemals so ruhig reagieren, oder? Oder ist es eine Strategie. Ich stöhne entnervt von alledem, bis er mir einen Seitenblick zuwirft.
„Was?"
„Rede. Sag irgendwas. Du redest doch ständig!"
„Ich will nicht reden."

„Plötzlich? Wieso nicht?"
„Rede du doch." Es macht ihm einen Spaß, mich zu quälen. Ich hasse die Stille, aber noch mehr hasse ich es, von mir zu erzählen. Wenn jemand zu viel über mich weiß, dann fühle ich mich verletzlich, weshalb ich meine Kontakte oberflächlich halte.
„Du wolltest das Date."
„Und du nicht."

Trotzdem liegt eine Schwere in der Luft, die mir unangenehm ist. Am liebsten wäre ich aus dem Fenster und in den Tod gesprungen.
„Okay", sage ich schließlich und denke intensiv. „Du sagst mir nicht, wohin es geht?"
„Nö." Seine Hände umgreifen verspannt das Lenkrad, als müsste er es mit ganz viel Mühe lenken, wohingegen seine Augen wie verharrt auf die Straße zielen.

„Warum habe ich das Gefühl, dass wir jeden Moment einen Unfall machen?" Ich lenke meinen Blick in seine Richtung, demnach sehe ich die Falte, die zwischen seinen Augenbrauen lauert.
„Warum?"
„Weil das zum Klischee gehört."
„Was?", fragt er verwirrt und überholt zwei Autos. „Was für ein Klischee?" Na ja, wie soll ich es ihm am besten erklären, ohne dass es verrückt überkommt?

„Irgendwie passiert doch immer sowas in den Büchern. Du wirst mich jetzt irgendwo hinfahren, wo wir ungestört sind und dann denke ich mir Wow, so schlimm ist er doch gar nicht und dann ..."
„Verliebst du dich in mich?" Ich verziehe nur das gesicht und schüttele den Kopf, obwohl genau das in 99% aller Klischees der Fall ist.
„Lieber nicht."
„Aber gehört es nicht zu den Klischees dazu?"

MAYBEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt