"Schlafen wir bei dir?", fragte Harry, als wir auf dem Weg nach Hause waren.
Ich schaute ihn von der Seite an. "Ja, gerne."
Sydney wohnte nicht so weit von uns entfernt, weshalb wir uns das Taxigeld sparen wollten. Außerdem half der kleine Spaziergang auch beim Ausnüchtern und die kühle Luft bereitete mir einen klaren Kopf. Harry und ich liefen händchenhaltend nebeneinander und unterhielten uns über belanglose Dinge, während Jayden schweigend und mit gesenktem Kopf vor uns lief. Er hatte so ein schnelles Tempo drauf, dass zwischen uns gefühlt hundert Meter Abstand waren. Anscheinend konnte er nicht schnell genug vor uns und dieser Situation flüchten.
"Schau mal! Da ist eine Sternschnuppe." Harry zeigte begeistert mit seinem linken Zeigefinger auf einen leuchtenden Punkt im Himmel, der sich bewegte. Aufgeregt folgte ich mit meinem Blick seiner Fingerspitze, nur um dann festzustellen, dass das blinkende Ding ein Flugzeug war. "Wünsch dir schnell etwas."
Harry kniff seine Augen zusammen, verzog nachdenklich seinen Mund und überlegte sich angestrengt einen Wunsch. Er sah so glücklich dabei aus, dass ich ihm diese Illusion einfach nicht nehmen konnte.
"Hast du dir etwas gewünscht?", hakte er nochmal nach, nachdem er die Augen wieder geöffnet hatte.
"Natürlich", log ich lächelnd. "Du dir auch?"
Harry befreite seine Hand aus meiner, damit er seinen Arm um meine Schulter legen und mich halb in den Arm nehmen konnte. "Mir ist nichts eingefallen - meinen größten Wunsch habe ich bereits im Arm."
"Autsch!"
Auf einmal, aus dem Nichts, war dort eine Mauer mitten auf dem Gehweg, gegen die Harry und ich zeitgleich stießen. Kurz taumelte ich etwas nach hinten, bis ich mich dann wieder fing und erkannte, dass es sich bei der Mauer um Jayden handelte, der einfach stehengeblieben war. Genervt drehte er sich zu uns um.
"Erstmal: das war ein Flugzeug, du Vollidiot."
Verwirrt neigte Harry seinen Kopf erneut in den Nacken, um den Sternenhimmel nach seiner "Sternschnuppe" abzusuchen. Das breite Grinsen verschwand dabei langsam aus seinem Gesicht. Sein Ausdruck glich dem eines Kindes, das gerade erfahren hatte, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Er tat mir leid.
"Und ich find eure Beziehung echt abartig. Seit wann bist du bitte so schnulzig, Harry?! Mir kommt gleich alles hoch."
Mir klappte empört der Mund auf. Fing Jayden ernsthaft wieder mit seiner Hassnummer an? Nach dem Geschehnis heute Abend wollte er nun wieder Streit anfangen? Er besaß kein Stück Feinfühligkeit.
"Äh...", stotterte Harry, dem der plötzliche Ausbruch meines Bruders ebenfalls die Sprache verschlagen hatte.
"Halt doch einfach deine Klappe, Jayden", zischte ich genervt. Ich wollte mich an ihm vorbeidrängen, aber er hielt uns auf.
"Ich wollte eigentlich nur sagen, dass ich euch..." Jayden deutete zwischen Harry und mir hin und her und fuchtelte dabei ganz komisch mit seinen Händen. "Ihr zwei... zusammen... Ich dulde euch."
"Du dudelst uns?", platze es irritiert, weil ich damit absolut nicht gerechnet hatte und gleichzeitig empört, weil er ausgerechnet das Wort "dudeln" gewählt hatte, aus mir heraus.
"Ich akzeptiere es, willige ein, toleriere euch - willst du noch mehr Synonyme?!" Jayden funkelte mich genervt an.
Harry entfernte seinen Arm von meiner Schulter und baute sich beschützend auf. "Erstmal: fahr Jaz nicht so an, du Vollidiot", ahmte er die Worte von Jayden nach. "Wir brauchen deine "Erlaubnis" nicht - du sollst einfach nur endlich damit leben."
Mein Bruder schloss seine Augen für einen Moment und gab einen langen Seufzer von sich. "Tut mir leid. Mir fällt das hier gerade echt nicht leicht, okay?"
Ich kuschelte mich tiefer in den Pullover hinein, da es echt frisch wurde. Harry bemerkte dies direkt und legte seinen Arm wieder um mich, um mir etwas mehr Wärme zu spenden. Mein Bett wartet schon sehnsüchtig auf mich, während wir hier am Straßenrand standen und schon wieder unnötig diskutierten.
"Du liebst sie." Jaydens Stimmlage war eine Mischung aus einer Frage und einer Feststellung. Sein Blick wanderte zwischen uns hin und her.
"Natürlich liebe ich sie", sagte Harry schon fast verzweifelt. "Du bist mein bester Freund, verdammt. Ich würde deine Schwester niemals verletzen - das weißt du. Du kennst mich."
Ich legte meine Hand auf Harrys Rücken, um ihm meine Unterstützung zu zeigen und ihm vielleicht etwas Kraft zu spenden. Seine Worte bedeuteten mir viel und ich konnte in Jaydens Augen sehen, dass es ihn auch nicht kalt ließ. Auf einmal hatte sich der Ausdruck verändert - der Hass der letzten Wochen war verschwunden. Das war der Moment, wo ich seine Mauer einstürzen sah.
"Es tut mir leid, dass ich so scheiße zu euch war. Ich war egoistisch und hatte einfach Angst, dass unsere Freundschaft dadurch kaputt geht - dabei habe ich selbst dafür gesorgt. Man, ich habe euch doch zusammengeführt, dadurch, dass ich ein beschissener Freund und Bruder war." Jayden schaute mit aufeinander gepressten Lippen zu mir - ich hatte ihn selten so emotional erlebt. "Ich bin froh, dass du Harry hast. Ich habe dich schon lange nicht mehr so glücklich gesehen."
Nun konnte ich mir die Tränen nicht mehr zurückhalte. So lange hatte ich auf diesen Moment gewartet - eine ganz große Last fiel mir von den Schultern. Ich löste mich aus Harrys Griff, lief auf Jayden zu und fiel ihm in die Arme. Eine Umarmung von meinem großen Bruder hatte ich schon so lange so schmerzlich gebraucht. "Danke, das bedeutet mir so viel", murmelte ich. "Mir tut es leid, dass wir es dir nicht früher gesagt haben."
"Hey, ich will auch!", meldete Harry sich zu Wort und ich wusste ganz genau, dass er schmollte. Kurz darauf spürte ich seinen Körper auch schon neben mir und dann standen wir zu dritt in einer Umarmung mitten auf dem Gehweg.
"Übertreib nicht direkt." Jayden löste sich aus dieser Konstellation, aber hatte ein Lächeln auf den Lippen, als er Harry spielerisch gegen den Oberarm boxte und daraus ein kleiner Kampf zwischen den beiden entstand.
In diesem Augenblick fühlte es sich wieder an wie früher, aber trotzdem so neu. Jayden und Harry alberten rum wie immer und ich schaute ihnen dabei zu. Der Unterschied war nur, dass ich nun unsterblichen in den besten Freund meines Bruders verliebt war.
Nach der großen Versöhnung machten wir uns endlich auf den Weg nach Hause. Meine Augen wurden immer schwerer, mir war kalt und mein Kopf schmerzte. Als wir bei uns ankamen, trennten sich unsere Wege wieder oben im Flur. Jayden wünschte uns eine gute Nacht und lief in sein Zimmer.
"Warte", hielt ich ihn auf. Er drehte sich verwundert zu mir herum, während ich in mein Zimmer verschwand und nach etwas suchte. Harry schaute mich ebenfalls gespannt an, als ich wieder zurück in den Flur trat und einen zusammengefalteten Zettel in der Hand hielt.
Ich überreichte Jayden das Papier, ohne ein Wort zu verlieren. Seine Augen wanderten über die Buchstaben, die seinen Namen schrieben und als er die Handschrift erkannte, sackten seine Mundwinkel augenblicklich nach unten. Ich fühlte mich etwas schlecht, als wir ihn so zurückließen und in mein Zimmer verschwanden.
Meine Entscheidung war es, ihm den Brief zu überreichen - was er damit anfing, das war ihm selbst überlassen.

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unexpected love || h.s
Fiksi PenggemarMein Leben verwandelte sich erst in die reinste Katastrophe, als meine Erzfeindin vor mir stand und mein Bruder sie als seine neue Freundin vorstellte. Während ich dann versuchte, sie wieder loszuwerden, trieb mich das Drama in die Arme einer unerwa...