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Wie ein totaler Vollidiot, mit einem Kuchen in der Hand, stand ich dort, als Harry die Tür öffnete. Sein Blick fiel erst auf den Kuchen, dann auf mich, wieder auf den Kuchen und schließlich fing er an zu schmunzeln.

„Komm rein", sagte er warmherzig wie immer und ging einen Schritt zur Seite.

Mir fiel ein dicker Stein vom Herzen, als ich merkte, dass er nicht mehr so sauer war wie am Abend zuvor. Ich hatte eher damit gerechnet, dass er mir wieder die Tür vor der Nase zuschlug oder sie gar nicht erst öffnete. Aber sein Schmunzeln war schonmal ein guter und beruhigender Anfang für mich.

„Ich wollte mich entschuldigen, dass ich uns gestern den Abend ruiniert habe", legte ich direkt den Grund für meinen Besuch dar. „Manchmal schiebe ich einfach Panik, ohne vorher drüber nachzudenken. Ich hätte auch normal mit dir über meine Ängste reden können."

„Wäre wahrscheinlich eine bessere Idee gewesen, dann hätte ich auch nicht so sauer reagiert", lächelte er. „Es tut mir aber auch leid, dass ich dich quasi aus meinem Haus geschmissen habe."

„Du musst dich nicht entschuldigen. Ich hätte auch so reagiert", sagte ich ehrlich.

Harry nahm mir den Kuchen ab, stellte ihn auf den Tisch und zog mich dann in eine feste Umarmung. Genau die brauchte ich auch in dem Moment.

„Ich kann ja verstehen, dass das alles schwierig für dich ist. Aber ich stecke genauso in der Situation, für mich ist das auch nicht einfach."

„Das macht mir so Angst, dass Jayden uns hassen wird. Du wirst dann sehr wahrscheinlich deinen besten Freund verlieren und das nur wegen mir", bedauerte ich.

Ich sah zu Harry hoch und blickte ihn traurig an. Er strich mir mit seinem Daumen über die Wange. Meine Sorge war es, dass er es vielleicht irgendwann bereuen würde, seine Freundschaft mit Jayden aufs Spiel gesetzt zu haben.

„Jeder hat es doch verdient, glücklich zu sein, also warum nicht auch wir? Natürlich wird Jayden im ersten Moment nicht begeistert sein, aber wenn er uns das nicht gönnt und mir deswegen die Freundschaft kündigt, dann war er auch nie ein richtiger Freund."

Ich bewunderte Harry dafür, dass er immer so eine reife Sicht auf alles hatte. Immerhin hatte er absolut Recht damit, denn wahre Freunde sollten einen immer unterstützen. Und von ihm persönlich zu hören, dass er sogar eine jahrelange Freundschaft für mich riskieren würde, bestätigte mir, dass das mit uns absolut einen Versuch wert war. Natürlich hoffte ich aber zutiefst, dass Jayden es akzeptieren würde. Ich wollte kein Leid verursachen.

„Genau deswegen bin ich auch hier. Ich möchte mein Leben nicht mehr von anderen abhängig machen und selbst über mein Glück entscheiden", erklärte ich ihm. „Und du machst mich mehr als nur glücklich, deshalb will ich dich auch nicht verlieren."

Es kostete mich sehr viel Mut, so offen und ehrlich über meine Gefühle zu sprechen. Aber es tat auch mega gut und fühlte sich sehr befreiend an. Kommunikation war total wichtig und ohne funktionierte nichts, das hatte ich auf jeden Fall gelernt. Und anscheinend stimmte Harry mir bei der ganzen Sache zu, denn als Antwort, küsste er mich einfach.

Die Schmetterlinge spielten wieder verrückt und es fühlte sich so gut an, dass ich gar nicht glauben konnte, das alles hinterfragt zu haben. Mom hatte absolut Recht, ich hätte es mein Leben lang bereut.

„Aber Jayden muss es ja trotzdem nicht direkt erfahren", äußerte ich nach dem Kuss. „Ich würde es gerne langsam angehen."

„Natürlich", versicherte Harry mir sofort. „Wir konzentrieren uns erstmal nur auf uns und genießen die Zeit."

Mit einem Lächeln bedankte ich mich bei ihm und war einfach nur froh, dass wir das jetzt geklärt hatten. Gemeinsam aßen wir dann ein Stückchen von meinem selbst gemachten Kuchen, der erstaunlicherweise sogar gut schmeckte. In diesem Augenblick, hatte ich echt das Gefühl, dass alles gut werden würde.

„Da gibt es auch noch etwas, was ich dich fragen wollte", schnitt Harry ein neues Thema an.

Leicht nervös schaute ich ihn an. Er wollte doch jetzt nicht fragen, ob... Nein! Das war noch viel zu früh. Den Gedanken sollte ich mir ganz schnell wieder aus den Kopf schlagen. Es gab keinen Grund, mir jetzt irgendwelche Hoffnungen zu machen. Ich sollte ihn erstmal sprechen lassen.

„Mum, Gemma und ich fahren am Wochenende meine Großeltern besuchen. Die leben auf dem Land und haben ein total schönes Haus direkt an einem kleinen See. Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht mitkommen möchtest?", fragte er erwartungsvoll.

Genau deswegen sollte ich mir nicht immer unnötig Panik machen.

„Ja, gerne. Super gerne", antwortete ich etwas zu euphorisch, denn Harry fing an zu lachen.

Aber das war mir egal. Ich war überglücklich, dass er mich mit zu seinen Großeltern nehmen wollte. Schließlich hätte Harry ja auch Jayden oder einen der anderen Jungs fragen können, aber er wollte mich dabei haben. Das Grinsen bekam ich gar nicht mehr aus meinem Gesicht.

„Wir fahren morgen früh los, ich glaube so gegen zehn", informierte er mich. „Das ist zwar jetzt alles ziemlich kurzfristig, aber eigentlich wollte ich dich auch schon gestern gefragt haben."

Ich hatte überhaupt nicht drüber nachgedacht, dass es schon Donnerstag war. Oh Gott, ich musste noch meine Sachen packen und alles vorbereiten. Und dann gab es da auch noch ein Problem: Wie erklärte ich das meinen Eltern? Plötzlich wurde ich total nervös.

„Alles gut?", fragte Harry unsicher nach, da er meine innerliche Unruhe anscheinend bemerkt hatte.

„Ja, ich freue mich", versicherte ich ihm. „Aber ich muss ja noch meine Sachen packen und meinen Eltern das irgendwie erklären, das stresst mich gerade ein wenig."

„Dafür hast du noch den ganzen Abend Zeit", sagte Harry ganz gelassen.

Also kam es dann dazu, dass wir noch den Nachmittag zusammen verbrachten, da Harry mich nicht gehen lassen wollte. Wir holten uns Eis, legten uns in seinem Garten auf den Rasen, redeten über Gott und die Welt und verloren uns hin und wieder in heißen Küssen. Ich mochte die Gespräche mit Harry total gerne. In dem einem Moment, redeten wir über ernste Themen und im nächsten, diskutierten wir über die Existenz von Aliens. Es wurde einfach nie langweilig und die Zeit verging jedes Mal wie im Flug. Deshalb freute ich mich auch umso mehr, dass ich drei Tage am Stück mit ihm verbringen würde. Noch vor ein paar Tagen, hätte mir das unheimliche Angst gemacht, ein Wochenende mit ihm zu verbringen. Aber mittlerweile fühlte ich mich so geborgen bei ihm, dass mich sowas gar nicht mehr störte.

„Komm gut nach Hause", verabschiedete Harry mich dann, als es Zeit für mich war, wieder zu gehen.

„Wir sehen uns", lächelte ich und ließ mich ein letztes Mal von ihm küssen.

Ich hätte niemals gedacht, dass die Küsse von einer Person so süchtig machen konnten.

Überglücklich lief ich den kleinen Weg zur Straße runter, aber stoppte abrupt, als ich ein bekanntes Gesicht vor mir sah.

„Na, hattest du Spaß mit Harry?"

Alexandra.

Mist.

unexpected love || h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt