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Aus Instinkt stellte ich mich wie eine schützende Mauer vor Harry auf, um ihn vor meinem wütend Bruder zu schützen, der mit schweren Schritten immer näher kam. Mein Puls vervierfachte sich und ich hatte Angst vor dem, was uns nun erwarten würde. 

In meinen Gedanken hatte ich diesen Moment schon oft durchgespielt. Jedes Mal endete es mit einer anderen Reaktion von Jayden, so dass ich mich auf alles vorbereiten konnte. Doch nun, wo es wirklich soweit war, war mein Kopf leer. Es war überhaupt nicht so, wie ich es mir ausgemalt hatte und ich fühlte mich komplett unvorbereitet. 

Desto näher Jayden auf uns zu kam, desto deutlicher erkannte ich den zornigen Ausdruck in seinem Gesicht und die zu Fäusten geballten Hände. Ich war mir fast sicher, dass dieser Tag nicht ohne Gewalt enden würde und das bereitete mir nur noch mehr Angst. 

"Du verlogenes Arschloch", knurrte Jayden schon vom Weiten, was mich stark schlucken ließ.

Ein kleiner Teil in mir hatte die ganze Zeit über noch gehofft, dass er vielleicht wegen einer ganz anderen Sache so wütend war. Dass wir doch noch die Chance hatten, es ihm selbst zu sagen und eine große Eskalation verhindern konnten. Zwar wäre er dann trotzdem sauer gewesen, aber vielleicht hätte er es besser aufgenommen. Nun musste er es unter anderen Umständen erfahren haben, was die ganze Situation um einiges schlimmer machte. 

Als Jayden nur noch wenige Schritte von uns entfernet war, spürte ich plötzlich Harrys Hände an meiner Hüfte und wurde zur Seite geschoben. Verwundert sah ich zu ihm, sein Blick war allerdings weiterhin geradeaus gerichtet. Seine Mimik war starr und verriet keinerlei Emotionen. Ich wusste nicht, was genau in ihm vorging, wie er sich in dieser Sekunde fühlte. Aber er schien bereit zu sein.

Erst als ich auf einmal nur noch Harrys Rücken vor mir sah, verstand ich, was hier gerade passierte. Ungläubig schüttelte ich meinen Kopf und versuchte Harry zur Seite zu drücken. Allerdings streckte er nur seinen Arm vor mir aus und hielt mich damit zurück, so dass ich mich nicht mehr vor ihn stellen konnte. Er versuchte mich zu beschützen, obwohl er es viel nötiger hatte als ich. 

Und dann ging alles auch schon ganz schnell. 

Jayden stürmte mit einem ausgeholten Arm auf Harry zu und bevor ich hätte reagieren können, landete seine geballte Faust in dem Gesicht von meinem Freund. Reflexartig legte sich meine Hand auf meinen Mund. Irgendwo hatte ich zwar damit gerechnet, aber es schockierte mich dennoch arg. Die zwei waren doch beste Freunde. Da ich immer noch hinter Harry stand, konnte ich zum Glück nicht alles sehen, aber ich hörte es. Und es hörte sich überhaupt nicht gut an. 

Harry taumelte, durch die Wucht des Schlags, zur Seite und hielt sich augenblicklich die Hand an die Nase. Er konnte nichtmal eine Sekunde verschnaufen, da stürmte Jayden erneut auf ihn los. 

"Du nennst dich meinen besten Freund und fickst hinter meinem Rücken meine Schwester?!", schrie er lauthals, so dass ihn wahrscheinlich das gesamte Fest hören konnte. 

Wie versteinert stand ich dort und konnte dem Geschehen nur mit einer dermaßen Fassungslosigkeit zuschauen, dass ich auch gar nicht wusste, was ich tun sollte. Diese Worte aus dem Mund meines Bruders zu hören, schockierte mich äußerst und mir wurde augenblicklich übel. Das musste ein schlechter Traum gewesen sein. 

"Ausgerechnet du", zischte Jayden mit zusammengepressten Zähnen. "Von dir hätte ich es am wenigstens erwartet."

Mittlerweile hatte er Harry am Kragen gepackt und ihre Gesichter waren so nah, dass ich Angst hatte, er würde jeden Moment ausholen und ihm eine Kopfnuss verpassen. Erst in dem Moment sah ich, dass Harrys Nase am bluten war und die rote Flüssigkeit ihm bereits auf sein T-Shirt tropfte. Jayden hatte keinerlei Mitleid mit ihm, sein Gesicht vermittelte reine Boshaftigkeit. Es sah einfach nur grauenvoll aus und ich wollte die Situation so schnell wie möglich beendet haben.

unexpected love || h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt