unexpected love || h.s

07

Ganze zwanzig Minuten ließ Harry mich mit ihm durch die Gegend laufen, was eine große Qual für uns beide war. Für mich, weil ich keine Lust hatte mich zu bewegen und für ihn, weil ich ihm konstant zeigte, wie schlecht meine Laune war. Dennoch sagte Harry nichts dazu und ließ mich einfach jammern, während er mich in Gedanken wahrscheinlich verfluchte. Einmal fuhr ein LKW an uns vorbei und ich sah genau, wie seine Hand zuckte. Am liebsten hätte er mich davor geschmissen. Aber als wir dann an seinem Zielort ankamen, stieg meine Laune plötzlich vom Tief- zum Höhepunkt.

"Ich war hier schon eine Ewigkeit nicht mehr!", quiekte ich und sprang wie ein kleines Mädchen auf und ab.

Ohne auf Harry zu warten, öffnete ich die große Tür von dem Laden vor mir, wobei ein Klingeln ertönte und der ältere Mann hinter der Theke auf mich aufmerksam wurde. Sein Name war Gary und er besaß diesen Laden schon, als ich noch kleiner war. Jedoch rechnete ich nicht damit, dass er mich noch kannte, denn schließlich war ich schon viele Jahre nicht mehr hier gewesen. Kurz darauf klingelte es erneut und Harry tauchte hinter mir auf.

"Guten Tag, ihr zwei", begrüßte Gary uns freundlich mit seiner tiefen Stimme.

Wir grüßten ihn zurück und dann begaben wir uns auch schon auf die andere Seite des kleinen Ladens, womit wir uns nun unmittelbar vor einem großen Regal befanden. Gary besaß nicht nur irgendeinen Laden - er hatte einen Süßigkeitenladen! Und in diesem Regal vor uns befanden sich die verschiedensten und leckersten Süßwaren der ganzen Welt, wovon man sich selbst welche abpacken konnte.

"Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll", sagte ich aufgeregt und schnappte mir eine Tüte.

Harry tat es mir gleich und lachte. "Wir können uns ja von links nach rechts durcharbeiten."

Und das taten wir dann auch. Es gab so viele lecker aussehende Sachen, dass ich mich echt zusammenreißen musste, nicht von allem etwas zu nehmen. Ich musste ja schließlich mit der einen Tüten auskommen. Harry sollte ja nicht sehen, wie verfressen ich wirklich war. Aber wenn ich alleine dort gewesen wäre, hätte ich mir wahrscheinlich vier Tüten befüllt. Also überlegte ich mir jedes mal ganz genau, welche Sorte ich nahm und wie viel.

"Schmecken die sauren Würmer oder die normalen besser?", fragte ich Harry, nachdem ich mich nach fünf Minuten immer noch nicht entscheiden konnte.

"Probier doch einfach", zuckte er mit den Schultern und war gerade dabei, sich welche von den Gummibärchen zu nehmen.

"Ich kann doch nicht einfach was essen", sagte ich völlig entsetzt und sah ihn auch genauso an.

"Ach, natürlich", ertönte plötzlich Garys Stimme hinter mir, was mich stark zusammenzucken ließ. "Naschen ist in meinem Laden erlaubt."

Ich lächelte ihn dankbar an, auch wenn ich aus Höflichkeit nichts probierte und schließlich einfach von beiden Sorten ein paar in meine Tüte packte.

"Ihr wart früher schon immer hier", bemerkte Gary nach einer Zeit, in der er einfach nur neben uns stand und uns zusah.

"Sie kennen uns noch?", fragte Harry überrascht.

Mittlerweile waren unsere Tüten voll und wir folgten Gary zu der Kasse.

"Aber sicher doch", lachte der alte Mann, während er die Süßigkeiten abwog. "Die Kinder, die fast jeden Tag in meinem Laden waren, werde ich immer erkennen."

Harry und ich sahen uns an und mussten schmunzeln. Früher waren er, seine Schwester Gemma, Jayden und ich fast jede Woche hier gewesen, um unser Taschengeld auszugeben.

Gary nannte uns den Preis und erst in diesem Moment fiel mir auf, dass ich ja gar kein Geld dabei hatte. Ich hatte ernsthaft meinte Tüte bis zum Rand gefüllt, obwohl ich es nicht einmal bezahlen konnte... So dumm konnte auch nur ich sein. Meine Lächeln verschwand und innerlich hatte ich mich schon von den Leckereien verabschiedet, allerdings kramte Harry dann in seiner Hosentasche rum und legte das passende Geld auf den Tresen. Ich sah zu ihm hoch und lächelte ihm leicht zu, um ihm zu zeigen, dass ich ihm dankbar war, auch wenn es mir mehr als nur unangenehm war.