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"Sicher, dass ich nicht noch mit rüberkommen soll?", fragte Harry nochmal nach, nachdem Anne mich verarztet und wir gemeinsam Kuchen gegessen hatten.

"Schon gut", lächelte ich und zog meine Schuhe an. "Die beiden sollten mittlerweile schon fertig sein mit... was auch immer."

"Ja, ich verstehe."

Wir verzogen beide angewidert das Gesicht und mussten dann darüber lachen.

"Man sieht sich", verabschiedete ich mich von Harry und lief die Stufen der Veranda hinunter.

Als ich bereits an der Straße angekommen war, rief er mir allerdings noch etwas hinterher: "Und denk daran, morgen beginnt dein Unterricht!"

Ich gab ihm meinen Daumen nach oben zur Antwort und schlenderte dann die Straße entlang, zu unserem Haus. Harry meinte, er wäre ab jetzt mein Trainer und wir würden das Skaten so lange üben, bis ich auch mindestens einen Trick beherrschte. Ich bereute es schon, ihn darum gebeten zu haben, mir das Skaten beizubringen. Denn ich war mir sicher, dass es schon Wochen dauern würde, bis ich überhaupt geradeaus fahren konnte, ohne einen Unfall zu bauen.

~

Als ich das Haus betrat, war es glücklicherweise ruhig und man hörte nur den Fernseher aus dem Wohnzimmer. Ich kickte meine Schuhe in die Ecke und betrat dann den Raum, wo mein Bruder auf dem Sofa lag und irgendeinen dieser Männersender schaute.

"Ach, hey", sagte Jayden überrascht, als er mich bemerkte. "Wo warst du so lange?"

"Mhm, das ist eine sehr gute Frage." Ich rieb mir theatralisch das Kinn und schaute mit zusammengekniffenen Augen aus dem Fenster. "Vielleicht war ich im Park, weil ich so nett war und Harry sein Handy gebracht habe, das er "vergessen" hatte. Oder vielleicht ist mein Bruder auch einfach nur ein Arschloch, der mich mit einem miesen Plan aus dem Haus gelockt hat, damit er mit seiner Freundin schlafen kann!"

Bei dem letzten Satz wurde ich immer lauter und nun funkelte ich ihn wütend an.

Jayden setzte sich auf und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Äh... Woher weißt du das?"

Man merkte ihm ganz genau an, dass ihm diese Situation jetzt völlig unangenehm war. Aber ich genoss es in vollen Zügen und das geschah ihm ganz Recht!

"Auch, wenn du vielleicht denkst, ich wäre dumm... Aber das bin ich nicht!", fauchte ich und stampfte mit aufgebrachten Schritten nach oben.

"Jazmyn!", rief er mir noch hinterher, jedoch ignorierte ich ihn. Er sollte mich einfach in Ruhe lassen.

Aber als ich in meinem Zimmer ankam, platzte mir endgültig der Kragen. Ich blinzelte ein paarmal, um sicher zu gehen, dass ich wirklich richtig sah. Da stand Alexandra doch tatsächlich nur in einem Handtuch bekleidet vor meinem Kleiderschrank und wühlte darin herum!

"Geht's noch?", kreischte ich entsetzt und riss ihr mein Lieblingsoberteil aus der Hand, das sie in ihrer Hand hielt. "Was machst du mit meinen Sachen?!"

"Reg dich nicht auf", antwortete sie ganz gelassen. "Jayden sagte, ich darf mir von dir Klamotten nehmen, weil ich keine frischen dabeihabe."

Sie fing wieder an in meinem Kleiderschrank rumzuwühlen, weswegen ich sie wütend davon wegzog. Danach schloss ich die Türen und stellte mich beschützend davor, als wäre dieser Schrank mein eigenes Leben.

"Das ist mein Zimmer und das sind meine Sachen, also bestimmte ich darüber. Und ich sage, dass du hier nichts zu suchen hast!"

Ich konnte nicht glauben, dass Jayden ihr tatsächlich erlaubte, sich an meinen Sachen zu bedienen. Er wusste ganz genau, dass ich es hasste, wenn man, ohne mich zu fragen und ohne meine Anwesenheit, sich in meinem Zimmer befand. Und dann war es auch noch Alexandra, die ich sowieso nicht ausstehen konnte. Wer weiß, wo sie noch alles rumgeschnüffelt hatte!

"Ich will mir doch nur was leihen. Oder soll ich etwa nackt rumlaufen?" Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und sah mich mit ihrem typischen Bitch-Blick an.

"Mir doch egal. Du kannst auch einfach nach Hause gehen und deine eigenen Sachen anziehen", konterte ich schroff.

War doch nicht mein Problem, dass sie keine sauberen Sachen mitgenommen hatte. Sollte sie doch stinkend herumlaufen oder Klamotte von Jayden anziehen.

"Ich glaube, du hast es noch nicht so richtig verstanden", lachte Alexandra plötzlich und grinste mich dann fies an. "Ich bin jetzt mit deinem Bruder zusammen und ich werde nun öfters hier sein. Ich gehöre nun zur Familie."

"Zur Familie?", fragte ich spöttisch. "Ich gebe euch maximal zwei Woche."

Jayden wechselte gerne mal die Freundin. Er hatte noch nie eine Beziehung, die länger als einen Monat hielt. Danach wurde es ihm entweder zu langweilig oder das Mädchen war zu anhänglich. Er stand mehr auf so lockere Dinge und hielt nichts von ernsten Bindungen, das wussten alle - auch Alexandra. Deswegen wunderte es mich, dass sie sich so aufführte, als würden die zwei irgendwann heiraten. Aber anscheinend hatte ich mit dieser Aussage ihren wunden Punkt getroffen und sie sah mich nun mit zusammengekniffenen Augen an.

"Hör mir mal zu, du Miststück", fuhr sie mich an und deutete mit dem Finger auf mich. "Du bist zwar die Schwester meines Freunds, das heißt aber noch lange nicht, dass du dir alles erlauben kannst. Du hast keine Ahnung von Jayden, mir und unserer Beziehung, also halte dich da gefälligst raus, hast du verstanden? Ansonsten werde ich dir das Leben zur Hölle machen, Jazmyn. Und das nicht nur in der Schule."

Ich musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen und sah sie unbeeindruckt an. Wenn sie dachte, dass sie mich mit diesen Worten einschüchtern konnte, dann hatte sie sich getäuscht. Denn ich war schon lange nicht mehr die kleine Jazmyn, die sich alles gefallen ließ.

"Wenn Jayden erstmal dein wahres Ich kennenlernt und merkt, wie hinterhältig und falsch du wirklich bist, dann wird er dich sofort ins kalte Wasser schmeißen. Ich weiß ganz genau, was für Spielchen du hier treibst", entgegnete ich zurück.

Ich hätte jetzt damit gerechnet, dass sie irgendwas Gemeines zurück kontert oder sich gar auf mich stürzt, um mir die Augen auszukratzen. Aber dass sich da tatsächlich Tränen in ihren Augen sammeln, das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Und ehe ich mich versah, rannte sie an mir vorbei und fiel jemandem in die Arme. Als ich mich dann umdrehte, sah ich, wie Jayden in meinem Türrahmen stand und mich wütend und hasserfüllt anblickte, während er Alexandra an sich drückte. So hatte er mich noch nie angesehen.

"Sowas hätte ich niemals von dir erwartet. Du solltest dich schämen", ließ mein Bruder mich wissen und drehte sich dann mit Alexandra um, um in sein Zimmer zu gehen.

Aber bevor die beiden aus meinem Blickfeld verschwanden, drehte sie nochmal ihren Kopf zu mir und grinste mich selbstgefällig an.

Mein linkes Auge fing vor Wut an zu zucken und ich ballte meine Hände zu Fäusten. Alexandra hatte mich sowas von reingelegt!

Ich schmiss meine Tür mit einem lauten Knall zu und setzte mich auf mein Bett. War klar, dass Jayden genau in diesem Moment auftauchen musste und auch nur das hörte, was ich gesagt hatte. Wenn er Alexandras Worte mitbekommen hätte, dann hätte er sie garantiert nicht in Schutz genommen. Und wenn er auch von der ganzen Scheiße Bescheid gewusst hätte, was sie mir alles angetan hatte, dann wäre er gar nicht erst mit ihr zusammengekommen. Alexandra beanspruchte meinen Bruder nicht nur für sich, sondern sie sabotierte ihn auch so, dass er nur noch ihr glaubte. Ich war mir sicher, dass Jayden mir niemals glauben würde, wenn ich ihm die Wahrheit über seine Freundin erzählte. Also musste ich mir irgendwas anderes überlegen, um Alexandra zu überlisten und sie loszuwerden.

Ich brauchte einen Plan, um die beiden auseinander zu bringen. 

unexpected love || h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt