44

1.2K 22 0
                                    

Nevio und ich sind grade im Flugzeug. Er hat mir bis heute nicht gesagt, wohin wir fliegen. Er liebt es mich zu provozieren. Sogar im Flugzeug schweigt er mich an. Er ist so blöd. Ich habe den Drang ihm eine reinzuhauen, weil er so stur ist und nicht mit mir redet. Wir waren ungefähr 5 Stunden am fliegen und als wir ankamen konnte ich es nicht erwarten, auszusteigen. Nevio hielt mich kurz davor auf. "Mach mal langsam süße." Ich blickte ihn böse an. "Ich will endlich raus hier. Wohin hast du mich entführt?" Er lächelte und nahm ein Band raus. "Was ist das?" "Zieh es an. Ich habe eine schöne Überraschung für dich." "Ich möchte nicht. Reicht doch mit den Überraschungen maan." Ich schmollte rum, aber Nevio bestand darauf mir diese Überraschung zu machen. "Na gut, aber danach sagst du mir, wo wir sind." "Mach ich versprochen." Er legte mir das Bändchen um meine Augen und meine Sicht verdunkelte sich. "Willst du mich töten oder so?" "Wie kommst du darauf?" "Ich weiß nicht. Alles deutet daraufhin. Erst willst du mir nicht sagen, wohin es geht und jetzt bindest du mir meine Augen zu. Du machst aus allem ein Geheimnis." Nevio fing an zu lachen und konnte sich nicht mehr einfangen. "Niemals würde ich die Frau, die ich über alles liebe umbringen." Ich konnte spüren, dass ich rot wurde und Nevio kicherte, wie ein Kind. Er führte mich raus und ich musste auf die Stufen achten. Als wir aus dem Flieger raus waren, spürte ich eine Wärme. Sie kam mir bekannt vor und der Geruch, ich kenne es irgendwoher, aber von wo? 
Nevio brachte mich ins Auto, aber meine Augen waren trotzdem zugebunden. "Nevio." "Hm?" "Wegen dir hasse ich Überraschungen." Er lachte. "Ich liebe es dich zu überraschen, da ich weiß, dass dir meine Überraschungen immer wieder gefallen werden." Ich verschränkte meine Arme. "Woher willst du das denn wissen?", fragte ich trotzig. "Ich kenne meine Frau." "Du kennst mich hier seit drei Jahren oder so." "Das denkst du." "Wie?" "Irgendwann werde ich dir das auch erzählen." "Ich will es aber jetzt wissen." "Wieso bist du so neugierig?" "Pfffff. Erzähl, sonst rede ich nicht mehr mit dir." "Ich kenne dich schon seit deiner Schulzeit." "Rede weiter." "Ich habe damals Leo immer zur Schule gebracht und habe dich immer vor dem Eingang gesehen. Du mit deiner roten Jacke, die du nie ausziehen wolltest. Einmal bin ich mit dem Auto an dir vorbeigefahren und hab die Pfütze neben dir nicht gesehen und habe deine Jacke dreckig gemacht. Ich weiß noch wie du geweint hast, weil sie dreckig war. Ich habe dir als Entschuldigung dir dieselbe Jacke gekauft und durch Leo es in dein Spind legen lassen." Ich riss mein Mund geschockt auf und schlug mit meinen Händen auf mein Mund. "Also warst du mein heimlicher Verehrer jahrelang?" "Ja ich habe dich schon immer geliebt Laila und wäre das mit Leo nicht passiert, hätte ich dir wahrscheinlich noch in diesem Jahr meine Liebe gebeichtet." "Ich hätte dich abgelehnt." "Wieso?" "Ich war damals erst 15 und du schon volljährig. Ich hätte dich sehr komisch gefunden." "Ach komm. Als ich damals auf eurer Schule war, hattest du nie einen Crush auf mich?" Ich schüttelte meinen Kopf und das Auto blieb stehen. "Sind wir da?" "Ja sind wir." "Darf ich mir die Binde abnehmen?" "Nein noch nicht." Nevio stieg aus dem Auto und öffnete meine und half mir raus. "Wann kann ich die Binde endlich abnehmen?" "Noch wenige Minuten amore." Er nahm meine Hand und führte mich vorsichtig entlang. Der Weg fühlte sich echt holprig an. "Hast du mich in ein Wald gebracht?" "Nein. Wie kommst du da jetzt rauf?" "Der Boden, es fühlt sich so an wie der Boden in eine Wald." "Nein keine Sorge. Wir sind ganz wo anders." 
Nach zwei bis drei Minuten blieben wir mit Nevio stehen. "Kann ich jetzt die Bind abmachen?" "Warte." Er atmete einmal tief ein und aus. Danach nahm er mir ganz leicht die Binde ab. Als sie ganz ab war, musste ich mich erstmal an das Licht gewöhnen. Ich blinzelte sehr oft, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Jetzt war es an der Reihe mit der Umgebung. 
Wir sind an einem Friedhof. Ich kenne diesen Friedhof von Bildern und als ich runterblickte, bestätigten sich meine Vermutungen.
Nevio hat mich zu meiner Mutter gebracht, nach Libanon
"Du weißt ich mag deine Mutter nicht, aber du hast sie geliebt. Außerdem ist sie ja jetzt auch meine Schwiegermutter, irgendwie. Ich wollte, dass du sie noch einmal siehst, bevor wir beide unsere echte Hochzeit haben werden." Ich umarmte Nevio und fing an zu weinen. "Weißt du wie sehr meine Liebe für dich gewachsen ist?" "Ach davor hast du mich wenig geliebt oder wie?" "Man du weißt was ich meine." Er lachte und umarmte mich. "Ja ich weiß." Ich weinte mich an seiner Brust aus und er streichelte meinen Kopf. "Ich hätte niemals gedacht, dass du mich zu meiner Mutter bringen wirst." "Ich weiß, dass du seit dem Tod deiner Mutter, sie nie besuchen konntest, da dein Vater nie mit euch nach Libanon geflogen ist. Er wollte nie mit euch zu seiner Heimat, da er hier schon als Clan Boss sehr bekannt ist. Jeder hier möchte die Leiche deines Vater sehen und im Stadtzentrum rumprahlen, dass sie diesen Mistkerl getötet haben. Er hatte Angst hier her zu kommen, da jeder ebenso Bescheid wusste, dass er die Person war, die deine Mutter tötete." "Woher weißt du das alles? Und wie wurde dann meine Mutter hier begraben?" "Dein Vater hat das heimlich gemacht. Er hat Leute angeheuert, die für ihn diese Prozedur erledigt haben. Ich habe das alles durch meine eigenen Recherchen herausgefunden. Wie, sag ich dir aber nicht." Er zwinkerte mir zu und küsste mich auf die Schläfe. "Komm verbring jetzt etwas Zeit mit deiner Mutter. Ich werde etwas hinten auf dich warten." Ich nickte und wir lösten uns von der Umarmung. Nevio ging einige Meter weg, aber blieb trotzdem noch in meine Nähe.
Ich kniete mich hin und strich den Dreck von dem Grabstein meiner Mutter weg. Ich machte den Unkraut weg und sah, dass Nevio mir Blumen und eine Gießkanne dahin gestellt hatten. Ich goss das Wasser, aber legte die Blumen nicht auf die Erde. Ich legte sie an die Seite, da meine Mutter sowas hasste. Sie sagte mir jedes mal, dass sie keine Blumen an ihrem Grab möchte. Es würde ihr unter der Erde nichts bringen. Die Blumen würden unnötig verwelken, wobei sie ganz schön weiter hätten blühen können.
Ach meine liebste Mutter, ach. "Weißt du wie sehr wir alle nach deinem Tod gelitten haben?" Meine Tränen flossen mir langsam runter. "Als wir die Nachricht bekamen, dass du einen Autounfall hattest und nicht mehr lebst, zerfiel meine Welt zusammen. Ich dachte, dass ich nie wieder mehr lachen könnte. So war es auch der Fall. Ich kam in den Jugendknast, obwohl ich unschuldig war. Ich wurde gefoltert und mein eigener Vater wollte mich umbringen. Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich verstand nicht, wie mein eigener Vater mir sowas antun könnte, aber dann traf ich Nevio. Ich verrate dir ein Geheimnis, aber er soll es nie wissen. Ich fand ihn am Anfang sehr hübsch und dachte er würde mir aus der ganzen Sache raushelfen, aber er machte alles noch schlimmer und ich hasste ihn. Danach beichtete er mir, dass er dich umgebracht hat, aber ich wollte es nicht wahr haben, denn ich hatte mich in ihn verliebt. Zur gleichen Zeit erfuhr ich aber auch, dass er Leukämie hat und ich entschied mich für ihn da zu sein, auch wenn ich wusste, dass er dir was angetan hat. Es tut mir leid Mama, aber Liebe macht wirklich blind. Als wir dann das auch zusammen durchgestanden haben, habe ich erfahren, dass Baba dich ermordet hat. Ich habe deine Rache genommen. Ich habe das Video gesehen und für dich Rache genommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns im Jenseits sehen werden, ist sehr viel geringer geworden, aber ich bin froh für dich Rache genommen zu haben. Ja jetzt ist das alles vorbei und ich gehe zum Psychologen, da mir das alles manchmal echt am Hals sitzt, aber Nevio hilft mir wo er kann. Ach und wir haben vor demnächst wieder neu zu heiraten. Ich möchte mit ihm endlich eine Familie gründen." Ich wurde auf einmal wieder traurig. "Ich wünschte du könntest auch dabei sein. Ich wünschte du hättest mich im Brautkleid sehen können. Ich werde alles dafür tun, damit ich mit meinem Hochzeitskleid vor dir stehen werde. Ich werde mit Nevio hier her kommen und wir werden dir gemeinsam über unsere Hochzeit mit dir reden." Ich stand auf und küsste nochmal den Grabstein. "Ich werde bald wieder kommen Mama. Nächstes mal, aber in meinem Hochzeitskleid."
Ich richtete meine Klamotten und lief zu Nevio. Er umarmte mich sofort und strich mir erneut meine Tränen weg. "Ist alles gut?" Ich nickte und löste mich von der Umarmung und schaute Nevio mit glasigen Augen an. "Was ist Amore?" "Nevio?" "Ja?" "Können wir die Hochzeit bitte hier machen?" "Deswegen sind wir doch hier her geflogen?" "Wie? Ich habe doch nichts dabei." "Kein Grund zur Sorge. Wir kaufen alles hier ein und werden die Feier auch hier machen. Standesamtlich brauchen wir ja nicht nochmal oder?" Ich schüttelte meinen Kopf und umarmte ihn wieder. "Ich liebe dich so sehr Nevio. Ich kann es nicht in Worten fassen, wie sehr ich dich liebe." Er drückte mich näher an sich und ich genoss diese Wärme. Ich hoffe er bleibt für immer na meiner Seite.

PerchéWo Geschichten leben. Entdecke jetzt