Kapitel 6

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Einige Stunden später waren wir wieder angezogen. Bevor ihr fragt; nein ich hab nicht das Kleid von Vorabend angezogen, Shane hat mir einen seiner Pullis gegeben und in meinem Zimmer hab ich mir schnell eine kurze Hose geholt. Wir gingen in die City, holten uns etwas zum Frühstück, gingen dann noch durch die Straßen und landeten schlussendlich im Central Park. Wir legten uns auf die Wiese und genossen einfach das Wetter.

>>Ich will ja nicht die Stimmung verderben, aber ... <<, fing ich an und sagte nach einer kleinen Pause: >> ... Aber was machen wir eigentlich, wenn die Schule vorbei ist? Ich meine, naja ... so viel ich mitbekommen hab gehen unsere weiteren Wege ja nicht gerade in die gleiche Richtung.<<

Er dachte nach und sagte: >>Stimmt. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Ok, wenn ich es richtig mitbekommen hab, bleibst du in Frankfurt, oder?<<

Ich nickte.

Dann sagte er: >>Ok. Bei mir geht es nach Köln. Hmm ... da müssen wir uns noch eine Lösung ausdenken.<<

Ich schaute ihn an und sagte: >>Ich könnte schon versuchen mich noch in einer Schule in Köln einzuschreiben, aber ich glaube nicht, dass ich jetzt noch Erfolg habe.<<

>>Und bei mir wird es hier in Frankfurt zu spät sein<<, sagte er und fügte hinzu: >>Ok. Ich lass mir was einfallen.<<

Ich schaute etwas traurig zur Seite.

Shane bemerkte meinen Blick und sagte: >>Hey, alles wird gut. Du wirst schon sehen. Wir finden irgendeine Lösung. Du musst nicht traurig sein.<<

>>Ach, es ist nur, weil sich gerade alles so gut angefühlt hat. Es war nur gerade schockierend wieder so in die Realität gezogen zu werden<<, sagte ich.

>>Ich weiß<<, stimmte er zu.

Wir lagen noch eine Weile im Central Park und genossen die warme Sommersonne. Irgendwann muss ich eingeschlafen sein, denn plötzlich wachte ich auf und lag nicht mehr auf dem Boden, sondern wurde von Shane durch die Straßen New Yorks getragen. Er war wahrlich ein Gentleman.

>>Wo sind wir?<<, fragte ich ganz verschlafen.

>>Naja, es wird so langsam spät und ich wollte dich nicht wecken. Ich bring dich in ein richtiges Bett<<, antwortete er.

>>Das hört sich doch gut an<<, sagte ich.

Um ehrlich zu sein, fühlte es sich alles andere als schlecht an, von ihm so getragen zu werden. Irgendwie gab es mir ein Gefühl von Sicherheit. Es dauerte nicht mehr lange und wir waren wieder im Hotel.

>>Wo ist dein Schlüssel?<<, fragte er.

Ich zog ihn aus meiner Hosentasche, steckte ihn ins Schloss und drehte ihn. Shane machte die Tür auf und brachte mich in mein Zimmer. Er legte mich aufs Bett, ging wieder zur Tür, machte sie zu und zog den Schlüssel ab. Dann kam er wieder zu mir. Er betrachtete mich eine Weile, wie ich so zusammengerollt auf dem Bett lag. Und auch ich schaute ihn direkt an. Ich klopfte auf die freie Stelle neben mir und bedeutete ihm so, dass er sich neben mich legen sollte. Er zog sich die Schuhe aus, legte sich neben mich und legte einen Arm um mich.

Er fragte: >>Was hältst du davon, wenn andere erfahren, dass wir zusammen sind?<<

Ich dachte nach. Eigentlich war ich nicht der größte Fan davon, dass die ganze Welt wusste mit wem ich zusammen war, aber andererseits konnten wir es großartig eh nicht verstecken. Überhaupt nicht in der Schule. Wir kannten ja die anderen.

Also sagte ich: >>Von mir aus.<<

>>Ok<<, sagte er und fragte dann: >>Also darf ich dich richtig als meine feste Freundin vorstellen?<<

Aha, er wollte es also noch bestätigt haben. Konnte er haben.

>>Ja, du darfst<<, bestätigte ich also.

>>Gut<<, sagte er.

Also ich muss schon gestehen, dass es einfach herrlich war in seiner Nähe zu sein. Es war ein atemberaubendes Gefühl und so langsam wurde ich süchtig danach. Ich wollte niemals etwas als selbstverständlich betrachten, aber so langsam rannte ich Gefahr es bei ihm zu tun. Das beunruhigende an der ganzen Sache war nur, dass alles so schnell ging.

>>Woran denkst du?<<, fragte er.

Er musste meinen Gesichtsausdruck bemerkt haben.

Ich konnte nicht lügen und sagte: >>Ich mache mir nur sorgen, dass ich dich zu schnell als selbstverständlich betrachte und es vielleicht, wenn wir wieder zu Hause sind, nicht lange hält und dann darunter leide.<<

>>Ok<<, sagte er und fügte nach einer kleinen Pause hinzu: >>Also so wie ich das sehen, glaube ich nicht, dass es zu Hause in die Brüche gehen wird.<<

>>Warum bist du dir da so sicher?<<, fragte ich ihn.

>>Keine Ahnung. Ist einfach so ein Bauchgefühl. Und bislang hat mich mein Gefühl noch nie im Stich gelassen<<, antwortete er.

>>Ok<<, sagte ich und gab mit bedenken zu: >>Aber beim Bachelor, gingen die Beziehungen auch immer zu Ende, sobald der Alltag da war.<<

>>Komm mir jetzt nicht mit dem Bachelor. Da wird doch schon vom Sender entschieden, was sie sagen und machen sollen<<, entgegnete er.

>>Ja, das schon, aber ... <<, erwiderte ich, doch er unterbrach mich.

>>Nichts aber. Ich glaube, dass wir alles schaffen können, was wir wollen<<, sagte er mit voller Überzeugung.

>>Vielleicht hast du recht<<, sagte ich.

>>Nicht nur vielleicht<<, entgegnete er und fügte hinzu: >>Ganz sicher habe ich recht.<<

>>Du bist dir deiner Sache wirklich sehr sicher<<, sagte ich.

>>Natürlich<<, sagte er und fügte hinzu: >>Immerhin habe ich ja auch die beste, schönste und klügste Freundin die man sich nur vorstellen kann.<<

>>Jetzt übertreibst du aber<<, konterte ich.

>>Findest du?<<, fragte er.

>>Ja, finde ich<<, sagte ich.

>>Also das finde ich überhaupt nicht<<, erwiderte er.

Er stand auf, nahm ich an den Händen, zog mich hoch und ging mit mir zum Spiegel.

Er stellte sich hinter mich und sagte: >>Sieh dich nur an.<<

Ich sagte: >>Das tue ich. Jeden Tag. Und ich sehe nur ein kleines Mauerblümchen, das sich nicht traut aus sich raus zu kommen, aus Angst zu viel aufzufallen. Und dann sind da noch diese Narben. Ich würde sie nie im Leben jemandem zeigen.<<

Ich konzentrierte mich darauf, ihn im Spiegel anzusehen, anstelle von mir selber.

Dann sagte er: >>Und ich sehe ein starkes junges Mädchen mit wunderschönen schokobraunen Haaren, himmelblauen Augen, dem Mut eines Löwen und der Intelligenz von Albert Einstein. Und nebenbei ist sie ziemlich sexy.<<

Ich senkte meinen Blick. Dann drehte ich mich zu ihm um und schaute ihm in die Augen. Gott, ich liebte diese Augen.

>>Oh Gott, ich liebe dich so sehr<<, sagte ich.

>>Und ich dich noch viel mehr<<, entgegnete er.

>>Das ist unmöglich<<, erwiderte ich.

Er küsste mich und es dauerte nicht lange, bis ich spürte, dass ich mehr wollte. Aber nicht nur ich, sondern er auch.


Mit all deinen NarbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt