Kapitel 2

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Am nächsten Morgen mussten wir alle schon früh aus den Federn. Immerhin war es ja ein Schulausflug, genauer gesagt, die Abschlussfahrt, und da hatten wir natürlich ein Programm für die nächsten acht Tage. Der Ausflug dauerte eigentlich zebn Tage, aber dadurch, dass wir einen Tag für die Anreise und einen Tag für die Heimfahrt brauchten, blieben uns nur acht Tage in New York. Und dabei gab es hier so viel zu sehen. Aber so war das eben mit diesen Schulausflügen. Aber immer noch besser als irgendwo in der Pampa zu landen. Auf alle Fälle ging es heute zum 9/11 Memorial Museum. Natürlich nahm man in New York die U – Bahn. Das ging deutlich schneller als mit einem extra Reisebus. Sobald wir dort waren, gingen wir rein und bekamen natürlich eine Führung. Wie immer bei Schulausflügen.

Der Führer erklärte uns, dass dies eines der emotionalsten Museums in New York ist. Zum größten Teil befindet es sich unterirdisch und zeigt neben vielen persönlichen Dingen der Verschütteten auch Trümmerteile der ehemaligen Twin Towers. Darunter durch Hitze deformierte Feuerwehrfahrzeuge, ein Teil der Antenne des Nordturms, ein verschmorter Fahrstuhlmotor, die rettende Steintreppe sowie Reste von Bürgersteigen, Straßenschildern, Fahrrädern und Kinderwagen, die sich vor dem World Trade Center befanden.

Es war wirklich emotional. Bei diesen ganzen Dingen, die ich hier zu sehen bekam, kamen mir fast die Tränen. Und fast hätte ich vergessen, dass Shane immer in meiner Nähe war. Nicht direkt neben mir, aber ich hatte ich bemerkt, dass er mich immer im Blick hatte und versuchte immer in meiner Nähe zu bleiben. Aber wie in diesem Moment, wo ich versuchte die Tränen zu verbergen, merkte ich, dass er noch näher zu mir kam. Ich spürte seine Nähe, wollte mich in diesem Moment aber nicht zu ihm umdrehen. Ich spürte wie seine Finger, die meinen streiften und langsam umfassten. Damit hatte ich definitiv nicht gerechnet. Ich schaute ihn ganz fassungslos an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Er sah mich mit einem derart warmen und sanften Blick an, dass ich ihm einfach nur in die Augen schauen konnte. Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte.

Also übernahm Shane das sprechen und fragte mich: >>Ist alles ok?<<

>>Ja<<, antwortete ich und fügte hinzu: >>Ich glaube schon.<<

Wir blieben noch eine Weile stehen und ich schaute ihn wie blöde an. Bis mir wieder einfiel wo wir waren und vor allem, wer noch alles dabei war. In diesem Getümmel interessierte es die anderen nicht sehr, wie wir uns anschauten. Und darum war ich froh. Wir bemerkten, dass die anderen schon etwas weiter waren.

>>Ich glaube wir sollten wieder zu den anderen zurück<<, sagte Shane.

>>Du hast recht<<, stimmte ich ihm zu.

Also gingen wir wieder zu den anderen. Aber Shane ließ meine Hand nicht los, so wie ich es erwartet hatte. Wir hörten uns den Vortrag des Führers weiter an und gingen durch das Museum. Bald waren wir durch und hatten etwas Freizeit bis zum Abendessen. Sobald die Führung vorbei war, entfernte ich mich etwas von Shane, da ich bemerkte, dass einige aus unserer Klasse etwas mit ihm unternehmen wollten. Zumindest hörte ich sie reden, wie sie davon sprachen, dass sie nach der Führung mit ihm abhängen wollten. Also hatte ich recht schnell beschlossen, dass ich mich von ihm entfernte, sobald wir Freizeit hatten. Ich hatte mir schon überlegt, dann wieder ins Hotel zu gehen und etwas in meinem Buch zu lesen. Ich bekam mit, wie die anderen zu Shane herüberkamen und mit ihm sprachen. Ich beobachtete sie alle einen Moment, drehte mich dann um und ging in Richtung U – Bahn Station. Doch noch bevor ich in die Bahn steigen konnte, merkte ich wie jemand meine Hand nahm. Ich drehte mich abrupt um und sah Shane. Ich blieb stehen, stieg nicht in die Bahn und bemerkte im Augenwinkel, wie die Bahn weiterfuhr.

>>Wo willst du denn hin?<<, fragte mich Shane.

>>Ins Hotel<<, antwortete ich und fragte ihn: >>Wo sind die anderen?<<

Mit all deinen NarbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt