Kapitel 16

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Nick

,,Bitte sag mir endlich, wo du bist!", fahre ich Sarah inzwischen zum dritten Mal am Telefon an und verliere vor Sorge langsam aber sicher die Geduld. 

Denn es hat schon gereicht, Samstagnacht um zwei durch das Klingeln meines Handys aus dem Schlaf gerissen zu werden und dann auch noch ihren Namen auf dem Bildschirm zu erkennen, um mich in Panik zu versetzen.

Als ich dann auch durch ihre lallende Stimme feststellen musste, dass sie total betrunken ist, wurde die Panik durch Sorge ersetzt.

,,Ich weiß es nicht", antwortet sie  stammelnd auf meine Frage, weshalb ich frustriert meine Autoschlüssel vom Schreibtisch greife. 

,,Ist noch jemand bei dir?", rede ich weiter auf Sarah ein, während ich in meinen Wagen steige. Es dauert ewig bis sie mir antwortet, weshalb ich es mit der Angst zu tun bekomme. Schließlich ist Emmas Vergewaltiger noch immer auf freien Fuß und ich möchte nicht noch einmal dieselbe Situation durchleben müssen.

,,Nein", ist das Einzige, dass Sarah mir antwortet, weshalb ich fluche und ohne zu zögern losfahre, denn dass sie jetzt ganz alleine unterwegs ist, vergrößert meine Angst um ein Vielfaches.

,,Sarah. Mach jetzt, was ich dir sage und schicke mir bitte deinen aktuellen Status", bitte ich sie angespannt und hoffe, dass sie zumindest dazu noch im Stande ist. Ich atme erleichtert aus, als ich den aktuellen Status von ihr erhalte und diesen sofort in mein Navi eingeben kann.

,,Ich bin in fünf Minuten da. Bleib einfach wo du bist", bitte ich sie, bevor ich einen Zahn zulege.

Ich rase los und komme schließlich nur wenige Minuten später vor einem Pub zum Stehen. Doch von ihr fehlt jede Spur, weshalb ich aussteige und nach ihr rufe. Immer wieder, doch sie antwortet nicht.

Mit zitternden Händen rufe ich sie an und kann ein Handy klingeln hören, weshalb ich dem Geräusch folge und es schließlich einsam und verlassen auf dem Gehweg nur wenige Meter vor mir liegen sehe. 

,,Scheiße", fluche ich verzweifelt, während mir alle möglichen Szenerien durch den Kopf gehen. Ich werde sofort an Emma erinnert, weshalb ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann, da ich das kein zweites Mal überstehe, während ich immer wieder verzweifelt nach ihr rufe. 

Mehrere Minuten verstreichen und ich brauche dringend seine Hilfe, weshalb ich mit zitternden Händen Liam anrufe.

,,Nick?", erscheint seine verschlafene aber auch leicht besorgte Stimme am anderen Ende der Leitung. ,,Was ist los?"

Ich umklammere mein Handy immer fester, während ich die Gegend immer noch nach Sarah absuche.

,,Es geht um Sarah", bringe ich angespannt heraus. ,,Sie hat mich vorhin angerufen und mir mitgeteilt, dass sie nicht wüsste, wo sie ist. Sie war total betrunken und ich habe sie gesucht und ihr Handy gefunden, doch von ihr fehlt jede Spur. Sie ist weg. Einfach weg, Liam!"

Ich kann nicht mehr und habe das Gefühl, jeden Moment zusammenzubrechen.

,,Wir finden Sie, Nick", versucht Liam mich nun mit hellwacher Stimme zu beruhigen.
,,Wo bist du?"

,,Am Irish Pub", antworte ich ihm und höre, wie Liam bereits in den Wagen seines Vaters steigt.

,,Ich rufe jetzt die Polizei und dann helfe ich beim Suchen", versichert er mir. ,,Bitte komme ja nicht auf die Idee in deinem Zustand jetzt alleine weiterzufahren!"

Doch ich höre nicht auf ihn und steige ebenfalls wieder in meinen Wagen, denn ich muss sie einfach finden. ,,Nick. Bitte mach jetzt keine Dummheiten!", versucht Liam mich übers Handy weiter davon abzuhalten, doch mein Entschluss steht fest.

,,Wenn es um Emma ginge, würdest du auch nicht aufhören können nach ihr zu suchen!", fahre ich ihn nun an und weiß genau, dass ich recht habe. Ich lege auf, ohne eine Reaktion von ihm abzuwarten und suche in jeder Straße und in jeder Bar nach ihr. Ich treffe dabei zweimal auf Liam, der bereits durch den Wald gefahren ist. Gegen vier treffen wir wieder vor dem Pub aufeinander und ich kann mich vor Angst nicht mehr auf den Beinen halten. Ich breche auf dem Gehweg zusammen und umfasse meinen Kopf mit beiden Händen.

,,Das kann nicht sein. Nicht schon wieder. Nicht schon wieder", wiederhole ich mehrmals wie in Trance und spüre zwei Hände, die mich beruhigend an der Schulter packen.

,,Beruhige dich, Nick. Es geht ihr bestimmt gut. Wir werden sie schon finden", versucht Liam mich zu beruhigen und ich nicke nur, da ich zu mehr nicht im Stande bin.

Liam möchte gerade erneut bei der Polizei anrufen, um Neuigkeiten zu erfahren, als plötzlich sein Handy klingelt und er erschrocken die Augen aufreißt.

,,Emma?", sagt er außer Atem, als er abnimmt und bei ihrem Namen sehe ich ihn angespannt an, da es vier Uhr nachts ist und es einen besonderen Grund geben muss, wenn Emma ihn um diese Zeit noch anruft. Sie scheint Liam etwas zu erzählen und seine Gesichtszüge weichen sich erleichtert auf.

,,Danke, Emma. Wir sind gleich da", verabschiedet er sich von ihr und wendet sich wieder mir zu.

,,Sarah ist bei Emma und ihr geht es gut. Sie ist nur betrunken", klärt er mich auf und ich kann gar nicht in Worte fassen, welche Last gerade von mir abfällt.

,,Wir fahren zu ihr", bietet Liam mir an und ich zögere keine Minute und steige wieder in meinen Wagen ein, um zu Emma zu fahren.

Bei Emma angekommen informiert Liam die Polizei, dass wir Sarah gefunden haben, bevor wir zur Tür gehen. Doch nun sind wir unsicher, ob wir klopfen, klingeln oder Emma anrufen sollen, da wir schließlich nicht wissen, ob Emmas Mutter Bescheid weiß.

Doch wir brauchen nicht weiter darüber nachzudenken, da Emma uns bereits die Tür öffnet. 

,,Sarah liegt im Wohnzimmer und meine Mom ist bei ihr", klärt sie uns auf. ,, Sie ist sehr betrunken und sie sagt ständig deinen Namen, Nick."

Diese Aussage reicht, um meine Beine in Bewegung zu setzen, weshalb ich mit schnellen Schritten ins Wohnzimmer gehe und mein Blick auf Sarah fällt, die schlafend auf der Couch liegt.

Emmas Mom deckt sie gerade zu und nimmt mich in diesem Moment wahr, weshalb sie mir ein Lächeln schenkt.

,,Sie ist gerade eingeschlafen", klärt sie mich auf.  ,,Sie hat sehr viel getrunken und wird morgen ziemlich erschöpft sein, weshalb es das Beste wäre, wenn wir sie jetzt erstmal schlafen lassen."

Ich nicke, da ich es verstehe. Ich möchte selbst, dass sie sich jetzt ausruht, doch durch die Sorgen der vergangenen Stunden würde ich gerade am liebsten bei ihr bleiben und mit ihr reden. Ich sehe Sarah daher niedergeschlagen an, weshalb Emmas Mom mir aufmunternd eine Hand auf die Schulter legt.

,,Es geht ihr gut. Du musst dir keine Sorgen machen", muntert sie mich auf und ich bringe wieder ein Nicken zustande.
Ich bedanke mich bei ihr, bevor ich noch ein letzten besorgten Blick auf Sarah werfe und schließlich wieder zu Emma und Liam gehe, die sich im Flur unterhalten.

,,Hat sie dir gesagt, warum sie sich heute betrunken hat?", frage ich Emma besorgt, doch Emma schüttelt traurig den Kopf.

,,Sie hat nur immer wieder gesagt, wie leid ihr alles tut und dass sie mich vermisst hat. Sie wollte mich immer wieder in den Arm nehmen, doch meine Mom konnte sie zurückhalten. Als meine Mom sie auf die Couch gelegt hat, hat sie schließlich immer wieder deinen Namen gesagt. Ich wollte morgen früh mit ihr darüber reden aber wahrscheinlich vertraut sie dir mehr an als mir."

Ich hätte erwartet, dass Emma aufgrund dieser Tatsache nun niedergeschlagen oder sauer auf mich sein könnte, doch stattdessen lächelt sie mich sanft an.
,, Vielleicht solltest du morgen lieber mit ihr reden."

Es ist kein Spott, keine Verachtung in ihrer Stimme. Sie meint es wirklich ernst.

,,Das werde ich", verspreche ich ihr und lächle sie erleichtert an. ,,Danke, dass ihr euch um sie gekümmert hat."

Emma erwidert mein Lächeln und erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr mir dieses Lächeln gefehlt hat.

,,Sie ist meine beste Freundin. Ich werde immer für sie da sein."

Es sind diese Worte, die mich erleichtert aufatmen lassen, da sie mir das Gefühl geben, dass alles wieder so sein kann, wie es früher einmal gewesen war.

I need you to save meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt