Kapitel 46

95 10 0
                                    

Emma

Ich habe das Gefühl nicht mehr atmen zu können, als ich mit zitternden Händen den Motor meines Wagens am Waldrand abstelle und in die Tiefen des Waldes hinein sehe.

Erste Tränen vernebeln mir die Sicht, während ich all meinen Mut zusammen nehme, um aussteigen und in den Wald hinein gehen zu können.

Ich betrete dadurch diesen Ort, vor dem ich mich so lange gefürchtet habe und der mich nun wieder in seine Arme führen wird.

Die Angst lässt mich daher nicht mehr klar denken und ich schlinge die Arme um mich, um mir selbst Halt geben zu können. Ich denke in diesem Moment wieder an die Menschen, die ich liebe und die ich ich beschützen muss, weshalb ich mich immer tiefer in den Wald hinein begebe.

Die Kälte des Winters lässt dabei meinen Atem gefrieren und die wenigen Sonnenstrahlen, die durch die Blätter der Bäume dringen, lassen alles um mich herum noch düsterer erscheinen.

Es ist still. So still, sodass ich nur meine eigenen Atemzüge und die raschelnden Blätter unter mir hören kann. Jedoch lasse ich die schützende Straße immer weiter hinter mir, da ich den Mut nicht verlieren darf. Denn ich muss dem Ganzen heute ein Ende setzen und kann bereits unser Baumhaus nur weniger Meter vor mir erkennen, weshalb ich stehen bleibe. Mir wird in diesem Moment bewusst, dass der Ort, mit dem ich so viele schöne Kindheitserinnerung verbinde, jetzt der Ort werden wird, an dem ich sterben werde.

Ich schließe daher die Augen und rufe mir noch einmal all die schönen Erinnerungen in mein Gedächtnis, die ich mit diesem Ort verbinde. Sehe wieder Nick und Sarah vor mir und denke schließlich an Liam. Stelle mir vor, dass er jetzt bei mir ist und meine Hand hält. Mir dadurch die Kraft gibt, die ich brauche, um das hier zu überstehen. Ich umklammere daher das Armband, dass er mir geschenkt hat und das gerade wie versprochen mein Licht in der Dunkelheit ist.

,,Wunderschön wie eh und je", dringt plötzlich seine düstere Stimme zu mir durch, weshalb ich am ganzen Körper erstarre und den Atem anhalte.

Durch den Schock kann ich mich nur langsam in seine Richtung wenden und sehe ihn nun mit einem hinterhältigen Grinsen an einem Baum nur etwa zwei Meter hinter mir lehnen. Er beobachtet mich und lässt seinen gierigen Blick über meinen ganzen Körper schweifen, sodass es mir eiskalt den Rücken runterläuft.

,,Luke?", bringe ich schließlich mit zitternder Stimme heraus und fühle mich wie vor den Kopf gestoßen. Denn ausgerechnet der Mann, den ich seit meiner Kindheit kenne und dem ich nie etwas getan habe, ist für all das verantwortlich.

,,Überrascht?", amüsiert er sich über mich, bevor er sich vom Baum abwendet, um auf mich zulaufen zu können. Ich bin vor Schock noch wie gelähmt, weshalb ich mich einfach nicht von der Stelle bewegen kann, sodass er nun direkt vor mir steht. Ich kann seinen Atem auf meiner Haut spüren und seine Hand, die mein Gesicht umfasst, lässt mich erschaudern.

,,Warum?", frage ich ihn mit vor Angst bebender Stimme, als er mir die Haare von der Stirn streicht und seinen lustvollen Blick über mein Gesicht gleiten lässt.

,,Es gibt so viele Gründe Schätzchen", haucht er mir entgegen und ich nehme das Messer wahr, dass er aus seiner Jackentasche zieht. Mit der stumpfen Seite fährt er nun langsam meinen rechten Arm entlang, sodass es mir vor Angst die Kehle zuschnürrt und ich eine Gänsehaut bekomme. ,,Aber das Warum ist nicht wichtig. Denn dich wird eh gleich nichts mehr interessieren", droht er mir und packt mich an meinem rechten Handgelenk, sodass ich mich ihm nicht mehr eintreißen kann. Doch ich weiß nicht, woher ich plötzlich den Mut hernehme und mich zu wehren versuche, in dem ich mit meiner freien Hand aushole und ihn heftig im Gesicht erwische. Durch meinen Schlag zuckt er überrascht zusammen und lässt mich für einen kurzen Moment los, sodass ich mich von ihm losreißen und in Richtung der Straße rennen kann. Doch Luke ist einfach viel schneller als ich, weshalb er mich nach wenigen Metern zu fassen bekommt und mich zu Boden reißt.

Aber auch diesmal wird mein Körper von Adrenalin durchflutet, weshalb ich mich weiterhin zu wehren versuche und mit aller Kraft um mich trete.

,,Hör auf dich zu wehren, du kleine Schlampe!", fährt er mich an und ein heftiger Schmerz lässt mich qualvoll aufschreien, da er mir das Messer in mein rechtes Bein gerammt hat. Ich spüre das Zersplittern meiner Knochen in jeder Faser meines Körpers und der Schmerz raubt mir für einen kurzen Moment die Kraft, um weiter kämpfen zu können.

Diese Chance nutzt er, um meine Hände mit seiner linken Hand zu Boden zu drücken und mit seiner freien Hand mit dem Messer auszuholen. Er zielt nun direkt auf mein Herz, doch er hält mit erhobener Hand noch einmal inne, um mich grinsend nach meinem letzten Worten zu fragen. Doch die Angst zu sterben lässt mich keine Worte herausbringen, weshalb ich jetzt nur an Liam denke. Mir sein Gesicht vorstelle und  seine Stimme, die sanft auf mich einredet.

Doch es ist auch genau diese Stimme, die plötzlich die Stille durchbricht und meinen Namen schreit, als Luke ein letztes Mal ausholen möchte.

I need you to save meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt