Liam
Es dämmert bereits, als ich es zu Hause nicht mehr aushalte und beschließe noch eine Runde zu laufen, um den Kopf frei zu bekommen. Ich ignoriere erneut meinen Vater und seine Bitte, zum Abendessen zu bleiben, in dem ich mir einfach demonstrativ meine Kopfhörer ins Ohr stecke und die Playlist auf meinem Handy auf höchste Lautstärke stelle, während ich an ihm vorbei zur Haustür laufe.
Ich jogge sofort los und lasse mein beschissenes zu Hause zumindest für einen Moment hinter mir. Innerhalb von fünf Minuten habe ich die Maisfelder erreicht und lege noch ein bisschen an Tempo zu, um meine Ausdauer weiter zu trainieren. Während der vergangenen 12 Monate hatte ich das Training nämlich ziemlich schleifen lassen, weshalb ich härter trainieren muss.
Ich bin so auf die laute Musik konzentriert, sodass ich alles um mich herum kaum wahrnehme und nicht einmal realisiere, dass ich direkt auf den Wald zusteuere.
Doch als ich mich bereits mitten im kleinen Wald befinde, der unsere Stadt in zwei Hälften teilt, dämmert mir, dass ich mich vermutlich genau an der Stelle befinde, an der es vor knapp einem Jahr passiert sein muss. Ich verfluche mich selbst, nicht vorher daran gedacht zu haben, denn nun brechen mit voller Wucht wieder diese Gedanken über mich herein, die ich jetzt einfach nicht mehr ausblenden kann. Diese Gedanken an Emma, die hier Schreckliches durchleben musste und sich für immer an diese eine Nacht erinnern wird. Meine Hände ballen sich daher beim Rennen automatisch zur Faust, während ich den Waldweg mit schnellen Schritten durchquere und eine unbeschreibliche Wut ergreift wieder einmal Besitz von mir. Eine Wut auf den Kerl, der ihr das angetan hat und den ich vermutlich nie zu Gesicht bekommen werde. Der munter sein Leben weiterleben darf, obwohl er das Mädchen, das mir die Welt bedeutet, vergewaltigt und beinahe ermodet hat. Der Gedanke, dass er sie mir beinahe genommen hätte, schnürt mir die Kehle zu und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Trotz allem, was Nick getan hat, bin ich ihm trotzdem unendlich dankbar dafür, dass er Emma wenigstens noch rechtzeitig gefunden und ihr dadurch womöglich das Leben gerettet hat.
Ich atme erleichtert aus, als ich das Waldstück hinter mir lasse und beschließe einen Umweg über die weiter entfernten Felder zu nehmen. Dazu muss ich allerdings an Nicks Haus vorbei und ausgerechnet dieser verlässt gerade das Haus und steuert beziehungsweise torkelt auf seinen Wagen zu, als ich gerade durch seine Straße laufe.
Eigentlich sollte ich einfach weiter gehen. Ihn weiterhin ignorieren, da er mir eigentlich am Arsch vorbei gehen sollte. Doch vergebens. Nach all den Jahren kann ich ihn einfach nicht loslassen, denn er ist wie ein Bruder für mich. Ich bin zwar noch wahnsinnig sauer auf ihn, doch die Sorge um ihn gewinnt die Oberhand, weshalb ich meine Kopfhörer mitsamt Handy in die Hosentasche stecke und auf ihn zusteuere. Ich könnte mich innerlich dafür ohrfeigen aber er sieht einfach ziemlich scheiße aus. Er scheint total betrunken zu sein, was ihn scheinbar jedoch nicht davon abhält, gleich noch eine Spritztour zu unternehmen.
,,Was soll das werden?", werfe ich ihm daher verärgert vor, als er gerade die Fahrertür aufschließt. Er hält in seiner Bewegung inne, doch er sieht mich nicht an.
,,Was interessiert es dich?", erwidert er nur resigniert und öffnet die Fahrertür um einzusteigen. Doch nachdem er sich auf dem Sitz niedergelassen hat, nehme ich die Tür fest in meinen Griff und hintere ihn somit daran, diese zuzuschlagen, ohne mir dabei die Hand zu brechen.
,, Es interessiert mich, weil in dieser Stadt noch keine Gummibäume gepflanzt wurden und deine Mitmenschen auch nicht gerade aus Stahl sind. Ich selbst habe zum Beispiel kein Bock, später auf deiner Motorhaube zu landen", provoziere ich ihn leicht sarkastisch und sehe ihn dabei aber ernst an. ,, Das stelle ich mir nicht so angenehm vor, also steig jetzt gefälligst aus dem Wagen aus. Du bist total breit!"
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I need you to save me
RomanceJede Berührung schmerzt. Diese Erfahrung muss die 17 Jährige Emma jeden Tag durchleben, nachdem sie nach einer Party vergewaltigt und beinahe ermodert wird. Auch ein Jahr später ist der Täter noch immer nicht gefasst, weshalb sie in ständiger Angst...