Kapitel 28

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Nick

Noch immer stehe ich schützend vor Sarah, als die Tür der Besenkammer geöffnet und eine Waffe auf mich gerichtet wird.

Ich schließe angespannt die Augen, da ich mich für den Schmerz bereit mache, der mein Leben für immer beenden soll. 

Jedoch bleibt dieser Schmerz aus, weshalb ich meine Augen wieder öffne und in Tims Augen sehe, die unter Tränen auf mich gerichtet sind. Er zielt noch immer auf mich, doch er drückt einfach nicht ab und zittert stattdessen am ganzen Körper. Sein Blick ist voller Wut aber auch gleichzeitig voller Reue, sodass es mir eiskalt den Rücken runterläuft und ich nicht weiß, wie ich ihn zur Vernunft bringen soll.

Denn durch die auf mich gerichtete Waffe bringe ich einfach keinen Ton heraus. Doch ich schirme Sarah weiterhin vor ihm ab, um sie vor ihm beschützen zu können. Ich höre sie leise hinter mir weinen, weshalb ich ihre Hand in meine nehme. Ich hoffe, dass Tim sie verschonen wird. Ich muss einfach daran glauben und die Zeit scheint still zu stehen, während Tim noch immer mit zitternden Händen die Waffe auf mich richtet.

Seine Finger befinden sich bereits am Abzug und er müsste sie nur einen Millimeter bewegen, um mir das Leben zu entreißen. Eine falsche Bewegung, mehr bräuchte es nicht, weshalb die Sekunden, die vergehen, sich wie eine Ewigkeit anfühlen. Ich rechne fest damit, dass er es noch tun wird, doch stattdessen lässt er die Waffe plötzlich sinken.

,,Raus mit euch!", fährt er uns an, doch wir sind vor Angst wie gelähmt. ,,Verschwindet endlich, bevor ich es mir anders überlege!", schreit er uns daher noch einmal mit Nachdruck an, weshalb seine Worte endlich zu mir durchdringen und ich mich aus meiner Starre lösen kann. Ich führe Sarah langsam aus der Kammer heraus und somit an Tim vorbei, dessen Blick noch immer auf uns gerichtet ist.

Die Angst, dass er uns beim Vorbeigehen doch noch erschießen wird, begleitet mich den ganzen Weg, weshalb ich ihn nicht aus den Augen lasse.

Doch sobald wir die Kammer verlassen haben, läuft er einfach wieder zur Bibliothek, weshalb ich Sarahs Hand fester mit meiner umschließe und mit ihr auf den Ausgang neben der Bibliothek zusteuere, der noch etwa 30 Meter von uns entfernt ist.

Auf den Weg nach draußen vernebeln Tränen mir jedoch die Sicht, da wir an mehreren Leichen vorbeilaufen müssen und überall ist Blut, sodass ich das Gefühl habe, dieses Bild nie wieder loszuwerden.

,,Sieh nicht hin", bitte ich Sarah daher verzweifelt, während wir immer weiter gehen. Doch ihr Schluchzten macht mir klar, dass es dafür schon zu spät ist.

Als wir schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich den Ausgang erreicht haben, höre ich die vielen Sirenen und sehe hunderte schwerbewaffnete Polizisten vor mir, die ihre Stellungen vor der Schule eingenommen haben.

Ich treffe auf die besorgten Gesichter hunderter Eltern, die vor einem Absperrband auf dem Parkplatz stehen und zur Schule sehen. Viele von ihnen sind bereits unter Tränen zusammengebrochen oder versuchen, an den Polizisten vorbeizukommen, um zu ihren Kindern in der Schule zu gelangen. Überall sind Sanitäter, die verletzte Schüler versorgen und zwei Hubschrauber ziehen ihre Kreise über uns. Das, was ich bisher nur aus Filmen oder den Nachrichten kenne, geschieht in diesem Moment um mich herum und ich kann es kaum glauben, noch am Leben zu sein. Doch das Gefühl, in Sicherheit zu sein, wert nur kurz, da drei Polizisten mit gezückten Waffen auf Sarah und mich zustürmen und uns anschreien, die Hände hochzunehmen. Wie in Trance folgen ich den Anweisungen der Polizisten und lasse Sarahs Hand widerwillig los, um mich nach Waffen abtasten zu lassen. Anschließend dürfen wir uns zu den restlichen Schülern hinter das Absperrband begeben.

Ich nehme Sarahs Hand daher wieder in meine und laufe mit ihr zu unseren aufgelösten Mitschülern. Endlich in Sicherheit lege ich schließlich meine Arme um sie, um sie trösten zu können.

Doch als Liams Vater verzweifelt meinen Namen schreit, löse ich mich von ihr und sehe ihn auf mich zurennen.

,,Gott sei Dank. Ich so froh, dass dir und Sarah nichts passiert ist", bringt er erleichtert heraus, als er mein Gesicht in seine Hände nimmt.,,Aber wo sind Liam und Emma? Geht es ihnen gut?", fragt er mich aufgelöst und mir schnürrt es vor Angst um die Beiden die Kehle zu.

,,Ich weiß es nicht", gestehe ich ihm daher mit zitternder Stimme und erkenne nun die Angst seinen Augen.

Er lässt mich mit zitternden Händen los und rennt zurück in die Schule, ohne das irgendein Polizist ihn aufhalten kann.

I need you to save meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt