Nick
Ich nehme Liams Hand in meine und schließe niedergeschlagen die Augen. Lausche seinen schwachen Herzschlägen, die durch einen Monitor zu hören sind und die bald für immer verstummen sollen.
Verstummen, da die Ärzte nichts mehr für ihn tun können. Sein Körper nicht mehr stark genug ist, um aus dem künstlichen Koma erwachen zu können. 48 Stunden lang haben die Ärzte alles versucht, um ihm das Leben zu retten, doch nun wollen sie einfach aufgegeben. Denn sie werden heute Abend die Maschinen abstellen, die Liam am Leben halten.
Doch ich kann mich nicht von ihm verabschieden. Bin nicht bereit dafür und werde es auch nie sein, da ich mich verzweifelt an dieser Hoffnung festklammere.
An dieser Hoffnung, dass er aus eigener Kraft aus dem Koma erwachen und wieder auf die Beine kommen kann. Ich muss einfach daran glauben, da ich den Gedanken nicht ertrage, ihn zu verlieren. Er darf einfach nicht aufgeben, weshalb ich meine Augen öffne und ihn ansehe.
,,Bitte mach die Augen auf, Liam", flehe ich ihn hilflos an und lasse seine Hand keine Sekunde los ,,Kämpfe, so wie ich für dich und Emma damals gegen diese Dunkelheit angekämpft habe. Tu mir den gleichen Gefallen und komm zu uns zurück."
Doch Liam rührt sich nicht. Gibt kein Lebenszeichen von sich, weshalb ich kaum noch Kraft finde, um weitersprechen zu können.
,,Emma braucht dich", versuche ich ihm daher entmudigt klar zu machen. ,,Und ich brauche dich, verdammt noch mal."
Ich kann für einen kurzen Moment nicht weitersprechen, da es mir die Kehle zuschnürrt. Ich gequält ein und ausatmen muss, um weitere Worte herauszubekommen.
,,Du bist wie ein Bruder für mich, Liam. Die wichtigste Person in meinem Leben und ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen. Lass mich jetzt bitte nicht im Stich."
Doch da ist nichts. Keine Regung. Keine Bewegung hinter seinen Augen, weshalb ich nicht mehr länger stark bleiben kann. Kurz davor bin, in Tränen auszubrechen, da ich mir eingestehen muss, dass ich ihn bereits für immer verloren habe.
Ich halte daher minutenlang seine Hand in meiner, da ich es nicht schaffe, diese loszulassen.
Doch als sich die Tür öffnet und Emma von ihrer Mom mithilfe eines Rollstuhles in das Zimmer geschoben wird, kann ich nicht anders, als Liams Hand loszulassen. Denn Emma bricht in Tränen aus, sobald ihr Blick auf Liam fällt, weshalb ich mich zu ihr nach unten begebe und sie tröstend in die Arme schließe.
,,Die Ärzte sagen, dass ich mich von ihm verabschieden muss", bringt sie mit brüchiger Stimme an meiner Schulter heraus und ich drücke sie fest an mich, um ihr Halt geben zu können. Ich sehe ihre Mom an, die ebenfalls in Tränen aufgelöst neben uns steht und verspreche ihr, mich um Emma zu kümmern.
Sie streicht mir noch einmal aufmunternd über den Arm, bevor sie uns mit Liam alleine lässt.
,,Ich kann mich nicht von ihm verabschieden. Ich kann ihn nicht gehen lassen", bringt Emma schluchzten heraus und ich wünschte, ich könnte ihr all den Schmerz nehmen. Ich würde ohne zögern mit Liam tauschen, wenn das möglich wäre. Ihn dadurch das Leben retten und verhindern, dass Emma den Menschen verliert, den sie über alles liebt.
,,Ich kann es auch nicht, Emma", traue ich ihr an und nehme dabei ihr Gesicht in meine Hände. ,,Aber ich glaube fest daran, dass er uns gerade hören kann. Deswegen solltest du jetzt bei ihm sein und mit ihm reden. Denn es ist deine Stimme und deine Berührung, die er gerade braucht", versuche ich ihr klarzumachen und sie schafft es, ein schwaches Nicken zustande zu bringen. Daher hebe ich sie in meine Arme und trage sie zu Liam, um sie vorsichtig neben ihn legen zu können.
Sie kuschelt sich unter Tränen an ihn und nimmt seine Hand in ihre. Ich möchte sie mit ihm alleine lassen, weshalb ich Liam ein letztes Mal schweren Herzend ansehe und schließlich mit zitterndern Beinen das Zimmer verlasse.
Die Tür hinter mir schließe und mich an die Wand fallen lasse. An ihr hinuntergleite, da mich meine Beine nicht mehr länger tragen und ich nun endgültig in Tränen ausbreche. Ziehe meine Beine an mich heran, um meinen Kopf in meinen verschränkten Armen vergraben zu können und mich den Tränen schutzlos auszuliefern.
Spüre schließlich Emmas Mom, die sich neben mich setzt und ihre Arme um mich legt.
Sie versucht, mich zu trösten. Mir aufmunternde Worte und Hoffnung zu schenken, so wie sie es bereits bei Jenna versucht hatte. Bei Jenna, die vor einer Stunde neben Liams Bett zusammengebrochen war. Die gerade von mehreren Seelsorger in einem anderen Raum betreut und ihren Sohn wahrscheinlich nie wieder sehen wird. Auch dieser Gedanke reicht aus, um mich einfach nicht beruhigen zu können, weshalb ich mich einfach an Emmas Mom lehne und mich diesem Schmerz hingebe.
Diesem Schmerz, mich gerade ein letztes Mal von meinen besten Freund verabschiedet zu haben und ihn nun nie wieder zu sehen.
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I need you to save me
RomanceJede Berührung schmerzt. Diese Erfahrung muss die 17 Jährige Emma jeden Tag durchleben, nachdem sie nach einer Party vergewaltigt und beinahe ermodert wird. Auch ein Jahr später ist der Täter noch immer nicht gefasst, weshalb sie in ständiger Angst...