3 Kralle

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„Lass ihn laufen, Tolrek!" rief ich vom hohen Zaun aus auf dessen obersten Sprosse ich stand. Tolrek stand in der Mitte des Longierplatzes wo er einen Drachen an der Leine im Kreis führte. Ein Hirschdrache. Ein stolzes Tier mit dem eleganten Körper eines Hirsches und prächtigem Geweih. Dreimal größer als sein Namensgeber war sein Leib mit tief grünen Schuppen bedeckt. Sein schuppiger Schweif spaltete sich in Zwei. Der schmale Kopf endete in einem großen Maul besetzt mit messerscharfen Reißzähnen. Die Augen Seitlich am Kopf waren tief schwarz. Gereizt schnaubte der Drache und stampfte auf dem Boden auf. Er weigerte sich so zu laufen wie Tolrek es von ihm verlangte.

Er knurrte und fletschte die Zähne. „Weise ihn zurecht. Zeig ihm das du über ihm stehst." Rief ich während Tolrek mit der Leine Haderte. Der Drache brüllte auf und stürmte mit dem Geweih voran auf Tolrek zu. Tolrek biss die Zähne zusammen. Seine Augen glühten Blau auf. Er brüllte aus vollem Hals. Der Zaun erzitterte. Der Drache bremste abrupt und wich merklich beeindruckt zurück. Tolrek gab ihm das Kommando zum gehen und der Drache bewegte sich gehorsam im Kreis voran. Erleichtert atmete Tolrek auf und seine Augen erloschen.

„Gut gerettet, aber das musst du ohne deinen Drachen auf die Reihe kriegen." Lobte ich ihn worauf er mir nur kurz einen gequälten Blick zuwarf. Die Brüder hatten noch zu viel Respekt vor den Drachen als das sie diese ohne die Drachenkraft unter Kontrolle bringen konnten. Auch wenn sie so die Drachen unter Kontrolle bringen konnten wirkte das nicht bei jedem Drachen und das war der Hacken bei der Sache. 

Ich sprang vom Zaun herunter und überließ Tolrek sich selbst. Gegenüber vom Longierplatz befand sich der große Reitplatz auf dem Lortek und Shelin bereits auf mich warteten. Mit einem Satz schwang ich mich über den Zaun. Im gehen setzte ich mir meinen Helm auf der zuvor an meinem Gürtel gebaumelt hatte. Shelin hielt den Laver an der Kette während Lortek auf dem kleinen Podest am Rand des Platzes stand. Der Laver war ein Bodendrache mit kraftvollem Körper. Auf Sechs beinen mit Wuchtigen Kopf der mit einem Paar stattlicher Hörner versehen war. Die Metallblauen Schuppen funkelten matt im Sonnenlicht während er unruhig auf der Stelle trat.

„Unser Neuzugang scheint nervös zu sein." Schmunzelnd zog ich mir die Handschuhe über die Hände. „Hat mir fasst die Hand abgebissen als ich ihn gesattelt habe." Knurrte Shelin und reichte mir die Kette bevor sie sich schnell von dem Drachen entfernte. Schnaubend stieß er Rauch aus und drohte mir damit. „Kraftvoll und Munter. So soll's sein." Ich ging um ihn herum und griff in die Lederriemen. Mit einem Ruck saß ich oben. Ich löste das Halsband in seinem Nacken worauf die Kette klappernd zu Boden ging. Der Drache schüttelte sich und streckte sich. Lobend tätschelte ich ihm den Hals. Routiniert nahm ich die Zügel hoch. Meine Beine Hackte ich in die Seitenhacken ein.

Ein kleiner stoß in die Seite und der Drache preschte über den Platz. „Langsam mein großer!" Ich zog an den Zügeln. Sein Kopf folgte meiner Kraft. Schnaubend bäumte er sich auf. Wütend brüllte er. Donnernd kam er wieder zum Stehen. Rückwärts rannte er los. Ich trat ihm in die Seite, zog an seinen Zügeln. Irritiert was ich tat blieb er stehen. „Gut mein großer." Lobend tätschelte ich ihn. Knurrend gewann sein Sturkopf an übermacht und er rannte über den Platz. Ich festigte meinen Sitz. Zornig raste der Drache mit mir über den Platz. Vorwärts und rückwärts. Er drehte sich im Kreis. Er sprang hoch und landete donnernd. Mit schnellerem Atem hielt er. Ermüdet blieb er stehen.

Ich richtete mich im Sattel auf und lockerte die Zügel. Mit einem leichten Tritt bewegte er sich träge vorwärts. Gemächlich bog er ab als ich am Zügel zog und hielt schließlich wieder. „Gut gemacht." Lobte ich ihn und tätschelte ihm den Hals. Mürrisch schnaubte der Drache nur und schüttelte sich wieder. Ein gutes erstes Training. Kurz aber effektiv. Zu beginn wollte ich den Drachen schließlich nicht überfordern.

Ich begann meine Beine von den Hacken zu lösen. Shelin schwang sich auf den Platz um dem Laver wieder die Kette anzulegen. Mit Schwung schwang ich mich von seinem Rücken. Ich öffnete den Verschluss an meinem Helm und atmete auf. Der Helm schützte mich zwar war aber viel zu eng und unbequem. „Talrah, Habt ihr kurz Zeit?" Leris erschien vor dem Platz. Im vergleich zum Morgen wirkte sie unverändert. Sie trug sogar noch immer den Umhang.

„Sicher, wir sind gerade fer..." das Brüllen des Drachens unterbrach mich. Bevor ich mich schützen konnte rammte der Laver mich mit voller Wucht. Ich flog im Hohen Bogen über den Zaun. Ich schrie erschrocken auf und ruderte Hilflos mit den armen. Der Boden kam näher und ich kniff die Augen zu. Der harte Aufprall raubte mir das Bewusstsein.

Ächzend kam ich schnell wieder zu mir. „Mein Kopf..." Ich zog zischend die Luft durch die Zähne als ich die Beule an meiner Stirn ertastete. Mein Rücken meldete sich schmerzhaft als zweites. „Talrah! Bist du noch am Leben?" schrie Shelin besorgt die auf dem Platz den Laver unter Kontrolle halten musste. Lortek war bereits unterwegs um Geiro dazu zu holen. „Ja ich Lebe!" rief ich zurück. Erschrocken sah ich runter als ich in etwas warmes fasste. Ich war mit Leris zusammengeprallt, die nun Bewusstlos unter mir lag. Sie atmete schwer und war Kalkweiß im Gesicht.  

Hastig stieg ich von ihr runter und öffnete ihren Umhang. Sie trug eine zerschließene Lederkluft mit einem Kurzschwert an ihrer Hüfte. Verbände lagen unter dem Leder an ihren Armen, Beinen und ihrer Brust. Erschrocken sah ich wie der Verband um ihre Taille sich rot färbte. Meine Hand hatte die Rote Flüssigkeit bereits benetzt.

„Wie kann man nur so wenig auf sich Acht geben?!" knurrte ich wütend und hievte sie mir auf den Rücken. So schnell ich konnte rannte ich zum Haus. „Geiro! Lortek! Leem! Holt die starken Kräuter und einen Precore! Beeilt euch!" keifte ich lauthals und trat die Tür zur Küche auf. Kurzerhand legte ich Leris im Esszimmer auf dem Tisch ab.

Ich warf meine Handschuhe zu Boden und nahm ihr den Umhang ab. Ihr Schwert legte ich auf dem Boden ab samt Gürtel. Behutsam zog ich ihr die die Armschienen von den Unterarmen. Die Schulterstücke folgten. „Du hast gebrüllt?" Geiro eilte ins Zimmer. Leem und Lortek folgten ihm. „Stellt die Sachen ab und geht raus. Ich rufe schon, wenn ich euch brauchen sollte." Befahl ich harsch und nahm Geiro den Kräuterbeutel ab. „Ich hole noch etwas Wasser." Sagte Lortek knapp und hastete hinaus. „Ich hoffe du weißt was du da tust." Grimmig stellte Leem die kleine Kiste mit dem Precore auf dem Tisch ab und rauschte hinaus. „Dann hole ich die Verbände." Schlussfolgerte Geiro und verschwand wieder. Lortek huschte wieder ins Zimmer und brachte mir einen Eimer Wasser und Lappen bevor auch er wieder verschwand.

Vorsichtig entkleidete ich Leris Stück für Stück. Ihre Verbände folgten danach. Sie war völlig von Wunden übersäht. Ein paar waren bereits entzündet, aber die Wunde an ihrer rechten Seite war die schlimmste. Eine Tiefe Wunde von einem Kraftvollen Schwerthieb. Routiniert wusch ich ihre Wunden aus, mischte die Kräuter an und legte ihr die frischen Verbände an. Behutsam zog ich ihr eine lockere Leinenhose und Hemd über. Danach hob ich sie schließlich auf die Arme. So vorsichtig und schnell wie möglich trug ich sie nach Oben wo ich sie in ein Separates Zimmer ins Bett legte.

Ich zog die Vorhänge vor während ihr Atem sich bereits wieder stabilisierte. Beruhigt hob ich die Hände über sie. Fließend strömte die Drachenkraft zu mir und flutete sachte meinen Körper. Blaues Licht tanzte durch die Luft. Verspielt huschte es über das Bett und wirbelte um mich herum. Langsam senkte ich meine Hände. Das Licht folgte meiner Bewegung und legte sich wie ein Schleier über die verletzte. Leris atmete tief ein und aus und schlief friedlich weiter. „Mehr kann ich im Moment nicht für dich tun. Du brauchst einfach etwas schlaf." Sanft strich ich ihr eine dunkle Strähne aus der Stirn. 

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Your sword and my DragonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt