45 Kralle

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Ich zog meine Windschutzbrille auf. „Zeig, was du kannst, kleiner!" Kampfbereit schnaubte Tull und wendete. Mit vollem Tempo flogen wir auf die überlebenden Drachenreiter zu. Tull holte tief Luft und spie Feuer. Getroffen reagierten die Drachen nicht. Erst mit dem Befehl ihrer Reiter schossen sie zurück. Tull schraubte sich durch die Luft und wich ihnen mühelos aus. Ich zog erneut mein Kristallschwert. Als Bogen geformt, schoss ich mit Feuerpfeilen drei Reiter ab.

Flink wich Tull den Zähnen des Vierten aus und stieg höher. Grollend holte der Drache tief Luft für einen weiteren Feuerstoß. In dem Moment legte ich mich auf den Rücken und schoss überkopf in den Schlund des Drachens. Dumpf knallte es. Der Drache spuckte Blut und fiel. „Das war der letzte Pfeil." Resigniert steckte ich den Kristall zurück an meinen Gürtel. Knapp wich Tull einer Feuersalve vom letzten verbleibenden Drachen aus, den Forten riet.

Ein Stachelhorn. Ein wendiger Drache mit langem Körper und Stachelschwanz. Seine gelb blau getupften Schuppen waren matt und von einem giftigen Sekret überzogen. In der Welt der Drachen galt er als der Giftigste überhaupt! Trotzdem war er ein guter Flieger.

Wissend um die Gefahr trieb ich Tull dazu an, schneller zu fliegen. In die Höhe und direkt in den Sturzflug. Forten jagte uns nach. Scharf wehte mir der eisige Wind um die Ohren. Das Licht der Sonne verschwand hinter den Bergen, als wir in eine Schlucht hinab rauschten. In voller Geschwindigkeit manövrierte Tull durch die schmalen Eiswände. Ich presste mich so dicht an den Sattel wie möglich. Aber Forten ließ nicht locker.

Tull knurrte und spie Feuer an eine Wand. Es krachte. Die Wände erzitterten. Schnee und Eis stürzten in die Schlucht hinab. Mit einem Ruck stiegen wir wieder auf, während Forten von dem Schnee und Eis überrascht wurde. Hell stoben die Flammen empor und Forten brach hindurch. „Der ist viel zu fähig für einen schwarzen Drachenreiter." Knurrend, nahm ich noch einmal meinen Bogen zur Hand.

Ich hatte keine Kraft mehr für Flammenpfeile, also legte ich meinen Dolch auf die Sehne. Ich zielte und schoss. Triumphierend schmunzelte Forten, als der Dolch ihn verfehlte. Ich dagegen schmunzelte auch, den ich hatte getroffen. Das Herz des Drachens! Die Flügel des Drachens hörten auf sich zu bewegen und er stürzte ab. Schreiend verfluchte Forten mich kurz bevor der Drache auf einem verschneiten Plato aufschlug. Schnee wurde aufgewirbelt. Kurz verschwanden Drache und Reiter in der Schneewolke, bevor der Drache zum stillstand kam.

Tull schnaubte zufrieden und flog herab. Schnee wirbelte auf, als ich auf dem Plato landete. Der Kristall formte sich zum Schwert. Forten sprang hinter dem Drachen hervor und stach zu. Er traf und mein Abbild löste sich auf. In dem Moment rammte ich ihm mein Schwert in den Rücken. Schmerzhaft verzog er das Gesicht. „Egal wie viel Wissen du dir auch aneignen magst als schwarzer Drachenreiter kämpfst du immer allein!", mit diesen Worten stieß ich ihn von mir. Er taumelte und ging bei dem toten Drachen zu Boden. Er spuckte Blut. Sein Atem ging schwer.

Stur raffte er sich wieder auf und stützte sich auf sein Schwert. „Das ist das Los der Machtvollen... am Ende allein zu sein, weil keiner stark genug war an ihrer Seite zu bestehen. Du... du weißt sicher, wovon ich spreche, schließlich bist du eine Grumk... Die letzte Grumk." Ächzend richtete er sich auf und nahm sein Schwert auf. „Vielleicht bin ich die letzte, aber dafür bin ich nicht allein! Das ist es, was uns unterscheidet!" klirrend trafen unsere Klingen aufeinander. Brüllend kämpften wir nur noch mit bloßer Willenskraft. Nicht geschickt oder Trickreich.

Trotzdem war ich noch etwas stärker als er. Ich beschleunigte und mit einem letzten Schlag schlitzte ich seine Brust auf. Schreiend taumelte er zurück, stolperte über den Schwanz des Drachens und ging zu Boden. In seinem eigenen Blut blieb er endlich liegen. Außer Atem senkte ich mein Schwert und atmete auf. Angewidert wischte ich mir mit dem Ärmel das Blut aus dem Gesicht, als Tull aufbrüllte. In dem Moment, in dem ich mich umdrehte, traf mich der Stachel des Stachelhorns in die Seite. Schnaufend hielt Forten den Schwanz mit letzter Kraft. Das Blut klebte ihm überall.

„Du warst dir... zu... sicher..." krächzte er mit seinem letzten Atem. Tull stürmte vor und riss ihn in zwei. Rasend vor Zorn schüttelte er den Leib und schleuderte ihn im hohen bogen in die Schlucht hinab. Laut brüllte er seine Wut dem fallenden Leib hinterher. Laut hallte sein Brüllen von den Eiswänden durch die Schlucht. Blut spritzte auf den weißen Schnee. Ächzend zog ich den Stachel aus meinem Fleisch und sackte auf die Knie. Ich stützte mich auf mein Schwert und atmete schwer. Meine Sicht flackerte, während das Blut meine Kleidung dunkel färbte.

„Tull. Reiß dich zusammen!" Schwerfällig raffte ich mich auf. Ich steckte den Kristall zurück an meinen Gürtel und drückte eine Hand auf meine Wunde. „TULL!" Augenblicklich hielt er inne und senkte den Kopf zu mir herab. Angst und Wut spiegelten sich in seinen Lila Augen wieder. „Flieg mich zu den anderen." Sorgenvoll gehorchte er und schob mich mit seiner Schnauze in den Sattel. Mit Schwung stieg Tull in den Himmel auf. 

~~~

So schnell wie seine Flügel ihn tragen konnten, schoss er durch die Luft. Meine Sicht verschwamm zwischendurch. Kurzzeitig verlor ich das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, waren Koka und Lapu in Sicht. Calen und Melion winkten uns aufgeregt zu. „Talrah! Ein Glück dir geht es gut!" rief Calen erfreut mich zu sehen.

Ich richtete mich im Sattel auf und nutzte meine letzte Kraft, um zu Koka auf den Sattel zu springen. „Du musst wohl blind sein!", gab ich blass zurück und sackte auf die Knie. Erschrocken eilte Leris an meine Seite, um mich zu Stützen. „Womit hast du bitte gekämpft?" Perplex sah Melion auf das viele Blut. Lapu und Koka brüllten besorgt auf, während Tull neben Koka flog, um mich im Blick zu haben.

Calen und der Junge an seiner Seite waren bereits ganz blass vor Schreck. „Lass mich deine Wunde sehen, damit ich sie verarzten kann!" forderte Leris und wollte mir schon das Hemd hochziehen, als ich ihre Hand stoppte. „Ich wäre dir eher dankbar, wenn du das Messer aus meinem Rücken ziehen würdest." Entgegnete ich und verzog schmerzhaft das Gesicht. Langsam begann das Gift zu wirken. Leris fand schnell die gebrochene Klinge und zog sie kurzerhand heraus. Ich unterdrückte einen Schrei und schnappte nach Luft.

Meine Kehle schnürte sich immer weiter zu. Meine Finger fühlten sich Taub an. Ich konnte nicht mehr klar denken. Alles begann, sich zu drehen. „Leris... vertrau auf Koka... er weiß... wohin..." brachte ich noch heraus, bevor mich meine Kraft verließ. Meine Sicht verschwamm. Ich hörte noch die Rufe der anderen, bevor alles in weiter Ferne verblasste...

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Your sword and my DragonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt