41 Kralle

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Benommen kam ich wieder zu mir. Es war kalt und mein Körper schmerzte. Es roch modrig, feucht und schimmlig. Es war dunkel, weshalb ich einen Moment brauchte, um die Höhle zu erkennen, in der ich mich befand. Eine Zelle mit Eisentür. Verseucht von Ratten und passend dekoriert mit den Gebeinen der letzten Insassen. Es gab kein Fenster, wodurch ich nicht wusste, ob es Nacht oder Tag war.

Die Ketten klapperten als ich mich von der kalten Felswand weg bewegen wollte. Das kalte Eisen schmiegte sich an meine Haut. Mit den Armen über dem Kopf war die Kette an einem dicken Eisenring in der Wand verankert. Zudem hatten sie mir alles abgenommen, bis auf meine Unterwäsche. Ich seufzte tief und lehnte meinen Kopf gegen die Wand. Die Kälte half wenigstens meine Kopfschmerzen zu lindern.

Das Klappern von Schlüsseln an der Tür ließ mich Aufsehen. Die Tür wurde geöffnet und Licht fiel vom Gang in die Zelle. Geblendet blinzelte ich. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen." Hämisch trat der Ziegenbart in die Zelle. Ich schwieg. „Es war klug deine Drachen weg zu teleportieren, ein wirklich beeindruckender Zauber, aber es war auch sehr töricht von dir. So hast du nur unnötig Kraft verschwendet und sieh nur, wo es dich hingeführt hat." Wage deutete er auf mich und die Zelle.

„Ankettet in einer Zelle, der Gnade anderer ausgeliefert." Bedauernd schüttelte er den Kopf. „Es wäre so viel leichter, wenn du uns das Buch einfach geben würdest. Ich versichere dir das wir dich und deine Freunde augenblicklich frei lassen werden." Verächtlich spuckte ich vor ihn auf den Boden. Er seufzte tief enttäuscht. „Wie du willst. Drei Tage ohne Wasser und Nahrung werden deine Zunge schon noch lockern. In der zwischen Zeit werde ich mir das Kopfgeld für deine Freunde holen. Der erste Prinz von Fellemen und die Tochter von Meister Kapkares werden ein hübsches Vermögen bringen." Hämisch grinste er vergnügt. „Wage es auch nur ihnen etwas anzutun und ich werde dafür sorgen, dass dein Tod qualvoll sein wird!" knurrte ich gereizt, worauf er lachte.

„Sicher versuch es nur. Aber ich frage mich eher, ob ich es sein werde, der dich zugrunde richtet oder die Bürde der Krallenschuld, die du trägst. Das wird sicher spaßig mitanzusehen." Sein Grinsen verzog sein Gesicht zu einer grässlichen Fratze. „Ich kann es kaum erwarten zu sehen, wie die große Talrah Grumk sich unter Quallen windet." Wütend sah ich ihm entgegen. Lachend zog er ab. Der Schlüssel klapperte im Schloss und die Stille kehrte zurück. So wie die Dunkelheit. 

Wut loderte in mir auf. Heiß brachte sie alles in mir zum Brennen. Grollend brüllte ich auf, voller Wut und Hass. Die Wände erzitterten und Dreck rieselte von der Decke. Außer Atem ließ ich meinen Kopf an meinen Arm sinken. Mir fehlte die Kraft, um noch weiter wütend zu sein. Ich legte meinen Kopf an den Fels. Die Kälte linderte meine Kopfschmerzen. Was Ziegenbart nicht wusste, war, dass wir unserem Ziel bereits nahe waren und desto näher wir waren, desto weniger wog die Bürde der Krallenschuld. Um sie musste ich mir also erst mal keine Sorgen machen und so wiegte mich die Erschöpfung in den Schlaf.  

~~~

Im Traum hörte ich Leris lachen. Ihr verstecktes, grunzendes Lachen. In helles Licht gehüllt, sah ich sie lächeln. Ich spürte ihre Nähe. Die Wärme ihres Körpers, der sich dicht an meinen schmiegte, während wir uns zum Takt der Musik bewegten. Ihre Wärme überstrahlte alles. So warm und hell, dass mir dieser Traum... diese Erinnerung vorkam, als wäre bereits eine Ewigkeit seitdem vergangen... 

Bald verblasste der Traum und ich wachte auf. Es war nicht Tag oder Nacht. In der Zelle war es immer Dunkel. „Hey du da drüben. Hey! Pssst! Bist du wach? Hey! Hey! Heeeeey!" rief eine flüsternde Stimme von der anderen Zelle neben an herüber, die durch ein kleines Gitterfenster am Boden mit meiner verbunden war. „Bin wach." Gab ich knapp zurück und richtete mich auf. Meine Arme fühlten sich taub an. Ich besaß kaum noch ein Gefühl in ihnen. Im Schlaf hatte ich mich dafür etwas erholen können.

„Oh ein Glück. Ich dachte schon du wärst gestorben, weil du nicht geantwortet hast." Unbeholfen lachte er und verstummte schnell wieder. „Stimmt es, das du den Prinzen und Leris begleitest? Weißt du, ich kenne die beiden. Ich komme nämlich auch aus Fellemen und mein Schützling wurde von mir getrennt. Der Arme hat sicher Angst so ganz allein." Voller Sorge seufzte er tief. „Du bist ziemlich vertrauensselig, mir so viel von dir preis zu geben." Erwiderte ich trocken. „Kein Problem, meine Instinkte liegen immer richtig." Winkte er lachend ab. Ich seufzte ergeben. „Also noch so ein naiver, leichtgläubiger Ritter aus Fellemen...", murmelte ich wenig begeistert. „Woher weißt du, dass ich ein Ritter bin?", fragte er verwundert.

„Du sagtest, du wurdest von deinem Schützling getrennt, also bist du entweder ein Söldner oder ein Ritter. Du kommst aus Fellemen also konnte es nur Ritter sein, dort gibt es schließlich keine Söldnergilden." Erläuterte ich. „Beeindruckend. Ich heiße übrigens Melion Van. Freut mich, dich zu hören, Talrah." Stellte er sich fröhlich vor. Es war fast schon beängstigten, wie gut gelaunt er in dieser Lage bleiben konnte.

„Dann hast du den zweiten Prinzen begleitet?" schlussfolgerte ich.
„Wieder richtig." Staunte er begeistert.
„Wir sind ohne Schwierigkeiten vorangekommen. In Klastor habe ich einen Flugdrachen besorgt, aber dann wurden wir über dem Nordgebirge abgefangen von diesen Drachenreitern. Sie haben uns getrennt und unseren Drachen getötet. Das ist ungefähr... zwei Tage her." Erzählte er erstaunlich detailliert. Hinter seinem lachen verbarg sich also ein kluger Geist. Diese Erkenntnis brachte mich zum Lächeln. Ich konnte spüren, wie ein kleiner Funken Hoffnung in mir zu keimen begann, zusammen mit einem Fluchtplan.

„Ich denke, ich habe eine Idee, wie wir fliehen können."„Du hast einen Plan?!" ich konnte das Rascheln von Stroh und das Klappern von Ketten hören als Melion sich bewegte. „Es wird etwas dauern, aber damit sollten wir es schaffen." Erwiderte ich. „Was ist es? Wie kann ich dir dabei helfen?" er war direkt Feuer und Flamme. „Hast du Knochen von kleinen Tieren in deiner Zelle?" wieder raschelte es. „Ja. Ich habe Ratte, Vogel und... das erkenn' ich nicht." „Werf sie durch das Fenster zu mir rüber, den Rest erledige ich." Erklärte ich. „Alles klar. Hier kommen die Knochen." Klappernd flogen die Knochen über den Steinboden in meine Zelle. „Das waren alle." 

Ich atmete tief durch und meine Augen glühten Lila auf. Wind fegte durch die Zelle. Die kleinen Knochen wurden in die Luft geschleudert und zu mir getragen. In großen Happen schnappte ich die Knochen aus der Luft. Der Wind legte sich und meine Augen erloschen. Knackend zermahlte ich die Knochen zwischen meinen Zähnen und schluckte sie herunter. Hustend verzog ich das Gesicht. Mit trockenem Mund war das nicht gerade angenehm.

„Jetzt der schwierige Teil." Noch einmal sammelte ich meine ganze Kraft. Blutrot glühten meine Augen auf. Schwarze Schuppen wuchsen an meinen Armen. Ich riss den Mund auf und biss in meinen Arm. Schnaufend riss und zerrte ich mir die Schuppen vom Fleisch. Es schmerzte. Blut rann heiß über meinen Arm mit jeder weiteren Schuppe, die ich von meinem Fleisch rupfte. "Talrah, was passiert bei dir? Ich kann Blut riechen, Hey? Geht es dir gut?" Melion rief besorgt nach mir, wo er es doch hörte, wie es knackte und das Blut riechen konnte. Als ich schließlich genug hatte, schluckte ich sie runter und leckte über die Wunde an meinem Arm. Mein Blut gab mir wenigstens etwas Flüssigkeit. „Talrah?!" Melion sorgte sich immer mehr, desto länger ich ihm nicht antwortete. „Mir fehlt nichts, keine Sorge." Beruhigte ich ihn schließlich, worauf er hörbar aufatmete. Meine Kraft schwand wieder. Ich konzentrierte alle meine Kraft in meinem Inneren. Jetzt hieß es warten...

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Your sword and my DragonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt