4 Klinge

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„Wie geht es ihr?" Shelin kam außer Atem ins Esszimmer wo ich gerade Leris Sachen zusammen sammelte. „Sie schläft und wird es wohl überstehen." Erleichtert atmete sie auf und ließ sich auf die Bank nieder. „Ein Glück. Ich hatte schon einen richtigen schrecken bekommen als ihr beide zusammengeprallt seid, aber dass sie dann auch noch so schwer verwundet war konnte ja keiner ahnen." Mitfühlend fasste sie sich ans Herz. Nachdenklich hob ich das Schwert vom Boden auf. Ich zog es aus der Scheide. Die Klinge war fleckig, ungepflegt und schartig noch dazu. „Ihre gesamte Reise muss ein Einziger Überlebenskampf für sie gewesen sein..." gedankenverloren haftete mein Blick auf der Klinge. „Vielleicht weiß sie auch einfach nur nicht wie man eine Waffe richtig pflegt?" warf Shelin in den Raum. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Es wirkt eher so als wäre nie die Zeit dafür gewesen." Ich ließ das Schwert zurück in seine Scheide gleiten während Shelin mich verwundert beäugte.

„Sieht dir nicht ähnlich dir so viele Gedanken um andere zu machen." Fiel ihr auf worauf ich genervt die Miene verzog. „Mir ist auch zuvor nie jemand so schwer verwundetes vor die Füße gefallen!" gereizt warf ich das Schwert in die Kiste zu den restlichen Sachen. Schmerzhaft verzog ich das Gesicht und stützte mich auf dem Tisch ab. Mein Rücken hatte bis jetzt gut mitgespielt, aber mein Limit war erreicht. „Zeig mir deine Wunden." Shelin trat schnell an meine Seite und platzierte mich auf der Bank am Tisch.

Zögernd gab ich ihrem Eindringlichen Blick nach. Schnalle um Schnalle öffnete ich meine Jacke, die mir Shelin behutsam von den Armen zog. Mein Schwarzes Hemd folgte gleich darauf wodurch meine vielen Narben zum Vorschein kamen. Darunter trug ich nur noch meine schwarzen Brustbandagen die meine Brüste an Ort und Stelle hielten.

Lange Kratzer von Krallen an den Armen. Bissspuren scharfer Zähne an den Schultern. Eine lange breite Brandnarbe die sich teils über die linke Hälfte meines Rückens zog. Mein Unterer Rücken war derweil von roten Schuppen bedeckt und verbarg meine Wunden vor dem Blick von Shelin. Allein die Drachenkraft hatte mich noch auf den Beinen gehalten.

„Talrah!" mahnend erhob Shelin ihre Stimme. Murrend legte ich den Kopf auf meinen Armen auf dem Tisch ab bevor ich die Drachenkraft meinen Körper verlassen ließ. Erschrocken schnappte sie nach Luft als die Schuppen wichen. Der Schmerz der dabei durch meinen Körper wallte raubte mir beinahe das Bewusstsein. Die Kraft des Gubunn hatte gereicht um mir gleich Fünf Wirbel zu brechen. Sieben Rippen und eine leichte Innere Blutung nicht zu vergessen. Drachentrainer war eben nicht gerade ein sicherer Beruf.

„Du kannst es deinem Drachen danken das du überhaupt noch aufrecht laufen konntest!" schimpfte sie. Ich atmete tief durch um den Schmerz etwas entgegen zu setzen. Es half nicht. „Shelin ich kann mich nicht selbst heilen." Presste ich zwischen meinen Zähnen hervor ohne den Kopf von meinen Armen zu heben. „Versuch dich zu entspannen." Mit diesen Worten hob sie ihre Hände über meinen Rücken. Im nächsten Moment sah ich das vertraute gelbe Licht im Augenwinkel bevor es meinen Rücken warm durchströmte. Der Schmerz ebbte langsam ab.

Erleichtert schloss ich die Augen. Behutsam legte sie mir ihre Hände auf die Haut. In kreisförmigen Bewegungen fuhr sie über meine Wunden. Shelins Hände waren warm und sanft. Meine Haut kribbelte unter ihrer Berührung in der ich nach etwas suchte das sie mir nicht geben würde. Ich wusste in ihrer Aufmerksamkeit mir gegenüber, ihrem Blick, ihren Worten lag nicht das was ich mir erhoffte. Shelin war nicht erreichbar für mich und würde es auch niemals sein, aber ein winziger Teil von mir hoffte und träumte dennoch.

„Ein Paar Tage ruhe und du bist wieder Top fit." Viel zu schnell nahm sie ihre Hände wieder zurück und reichte mir mein Hemd. „Danke." Sagte ich stumpf und streifte mir das Hemd über den Kopf. „Ich bin zwar nicht so gut wie du, aber so stark wie du bist wirst du das schon überstehen. Das heißt aber in der Zwischen zeit keine Arbeit mit Drachen in den nächsten Tagen!" eindringlich hielt sie mir ihren Finger vor. Ich seufzte ergeben und zog meine Jacke über. „Ja ich weiß. Ich werde nach unserer Patientin sehen." Ergeben nahm ich die Kiste und warf die kleine Kiste die Leem gebracht hatte hinein. „Deine Patientin. Wer sie behandelt trägt auch die Verantwortung. Deine Regeln!" wiedersprach Shelin. „Ich weiß." Gab ich mürrisch zurück. 

~~~

Die Sonne ging langsam unter. Die Drachen flogen über die Weiden hinweg. Brüllend kämpften die Männchen um die Gunst der Weibchen im Licht der Dämmerung. Gelangweilt gähnte ich und sah hoch an die Decke. In der Sonne auf der Fensterbank war es angenehm warm. Mit angezogenen Beinen passte ich gerade so mit geraden Rücken rauf. So lange liegen zu müssen war unerträglich! Ich war es einfach nicht gewohnt so lange an ein und dem selben Ort zu verharren. Lieber lief ich über die Weiden wo die Drachen mich umgaben.

„Vater!" schreiend kam Leris zu sich. Orientierungslos richtete sie sich im Bett auf. Hastig eilte ich zu ihr. „Leris beruhige dich. Du bist in Sicherheit!" Sanft drückte ich sie zurück aufs Bett. Benommen wanderte ihr Blick durch den Raum. „Wo ist der Prinz?" Prinz? „Ich muss ihn... beschützen." Sie versuchte wieder aufzustehen, aber sie war zu schwach und fiel zurück in die Kissen. „Leris ihr beide seit hier sicher. Ich werde nach deinem Schützling sehen." Behutsam deckte ich sie wieder zu. „Sei also unbesorgt und schlaf dich aus." Sachte legte ich ihr die Hand über die Augen. Silberne funken sprangen durch die Luft und Leris schlief ein.

Leise verließ ich den Raum um nach Calen zu sehen wie ich es Leris zugesagt hatte. Im Gästezimmer war er nicht. Im Bad auch nicht. „Leris!" ertönte eine bekannte Stimme von Unten gefolgt von einem scheppern und klirren. Ich folgte dem Geräusch und fand Calen schließlich in der Küche zwischen zerbrochenen Schüsseln und einer Flasche Bierech. Einer teuren noch dazu. „Wo steckt sie nur wenn ich sie brauche?" jammernd stand Calen vor dem Vorratsschrank. Ratlos und sichtlich überfordert. Erholt und ausgeschlafen noch dazu trug er eine saubere Hose und feines Seidenhemd.

„Ah, Talrah du kommst gerade recht. Ich finde Leris nicht und ich habe Hunger. Könntest du mir etwas zu essen machen? Ich warte dann so lange im Speisesaal." Erleichtert jemanden gefunden zu haben den er Befehlen konnte stieg er über den Scherbenhaufen um ins Esszimmer zu gelangen. „Du verdammter Schnösel!" wütend packte ich ihn und beförderte ihn gegen die Wand. Überrascht riss er die Augen auf. „Während du seelenruhig geschlafen hast ist deine Leibwächterin fast umgekommen! Wie kannst du dich ihren Herrn nennen, wenn du nicht einmal weißt wie viel Leid sie für dich auf sich genommen hat?!" Die Wut kochte heiß in meinem Inneren. In der Ferne konnte ich das Wutentbrannte Brüllen meines Drachens hören.

Mein Griff um seinen Kragen verfestigte sich. „Mir ist scheiß egal woher ihr kommt oder wer euch verfolgt, aber solange du unter meinem Dach Schutz suchst verlange ich Respekt! Mir gegenüber! Leris gegenüber! Meinem Besitz gegenüber!" knurrend stieß ich ihn zurück in die Küche. Stolpernd kam er vor dem Scherbenhaufen zum Stehen. Erstaunt und völlig verdattert sah er mich an.

„Das wagst du nicht! Ich bin..." „Mir ist das sowas von scheißegal wer du bist! Das hier ist mein Haus!" Machtvoll ließ ich ihn verstummen. „Deine Leibwächterin liegt halb Tod im Bett! Du hast dir sicher nicht ein einziges mal Gedanken darum gemacht was du ihr für spratzen aufhalst mit deinem dauernden Gejammer. Wenn du geschlafen hast hat sie wache gehalten. Allein und das immer! Wenn ihr angegriffen worden seid hat sie dich beschützt. Jedes Mal! Ihre Wunden hat sie unter ihrer Rüstung versteckt. Selbst als sie tödlich verwundet wurde hat sie dich weiterhin beschützt mit ihrem schartigen Schwert das sie aus sorge um dein Wohl nicht gepflegt hat!" mit schnellerem Atem ballte ich die Fäuste voller Wut.

Erschüttert war aus Calen jegliche Farbe gewichen. „Mach so weiter und deine Untergegebenen werden sich wie die Scherben am Boden um deine Füße sammeln!" mit einem letzten wütenden Knurren in seine Richtung stapfte ich nach Draußen.

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Your sword and my DragonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt