12 Klinge

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„Ist das dein erstes Mal auf einem Drachen?" suchend sah ich mich in der Sattelkammer nach passendem Helm und Schutzmontur für Calen um. Es hieß zwar Sattelkammer, aber eigentlich war es eine große Scheune mit einem kleinen Vorraum wo die Sättel hingen die wir am meisten nutzten oder gerade eintrugen. Der Hintere Bereich war wesentlich größer. Unterhalb der Decke hingen Sättel. In den Regalen lagen Helme, alte und neue Schutzmonturen, Ersatz-Lederriemen von denen die besonders langen an den Wänden von der Decke hingen und alles andere was für einen sicheren Riet auf einem Drachen gebraucht wurde.

„Selber geflogen bin ich noch nie, wenn das deine Frage beantwortet." Verächtlich schnaubte ich und zog einen Helm aus dem Regal. „Du wirst keinen meiner Drachen fliegen solange du nicht zahlen kannst. Du fliegst bei mir mit." Damit drückte ich ihm Helm und Ledermontur in den Arm. Die Ledermontur war eine schwere Jacke mit längerem unterem Stück die mit schnallen vorne geschlossen wurde. Sie war nicht mehr Taufrisch und der Saum abgewetzt, aber sie war noch gut genug, aber Calen war mal wieder anderer Meinung.

„Du erwartest doch nicht von mir das ich dieses... Dinge trage?!" skeptisch hob er die Jacke hoch. „Es ist nicht nur schäbig, es stinkt auch noch nach Drache!" Angewidert hielt er die Ledermontur von sich weg. „Entweder du trägst das oder du säuberst die Ställe den Rest des Tages." Drohend verschränkte ich die Arme vor der Brust. „Wenn ich so überlege... ist der Geruch vielleicht doch nicht so dramatisch." Widerwillig zog er sich die Jacke über und stopfte seinen Kopf in den Helm. Aus Metall und Leder schützte der leicht verbeulte Helm seinen adeligen Schädel.

Ich dagegen nahm mir eine neue Ledermontur aus dem Regal. Meine Jacke hatte ich in meiner Traumtrance schließlich zerrissen genau wie meine Stiefel und alles andere. Die neuen Stiefel besaßen ein helleres Leder als meine alten. Mit den schnallen an meiner Hose befestigt trug ich heute über meinem Hemd eine Lederne Weste. Mit schnüren wurde sie vorne Geschlossen während ein schwarzer Drache meinen Rücken zierte. Die neue Jacke besaß ein tiefes Blau das beinahe schwarz war. Mit schwarzen kleinen Drachenschuppen wurde sie vorne in einer geraden Linie geschlossen. Sie besaß einen Kragen und ging mir bis in die Kienkehlen. 

Zufrieden betrachtete ich mich kurz im Spiegel. „Warum bekommst du eine Neue?" jammerte Calen und sah mich verständnislos an. „Mein Hof meine Regeln. Und jetzt raus mit dir! Ich hab einiges zu besorgen und würde gerne zurück sein bevor das Unwetter uns erreicht." Damit scheuchte ich Calen vor mir her nach Draußen. „Welches Unwetter?" verwirrt folgte er mir zu Koka der bereits fertig Gesattelt und startklar geduldig vor dem Stall auf mich wartete.

„Ich werde mitkommen!" überrascht blieben wir stehen als Leris in ihrer zerschließenen Rüstung aus dem Schatten des Stalls trat. „Deine Wunden sind noch nicht verheilt. Du bleibst hier und ruhst dich aus!" entgegnete ich harsch und deutete zum Haus. Stur blieb sie stehen. „Mir wurde der Schutz des Prinzen anvertraut. Ich kann nicht hier bleiben und mich ausruhen, wenn der Prinz sich in Gefahr begibt!" entschlossen streckte sie den Rücken durch und hielt meinem Blick stand. „Als Drachentrainerin bin ich durchaus in der Lage jemanden zu beschützen!" „Aber diese Aufgabe obliegt mir und niemand anderem! Ich kann nicht zulassen das der Prinz ohne Schutz unter die Leute geht!" Mit einem ruck zog sie ihr schartiges Schwert und richtete es auf mich. „Wenn nötig kämpfe ich dafür! Meine Wunden hindern mich nicht daran meine Pflicht zu erfüllen!" Schweißperlen glänzten auf ihrer Stirn. Ihr Schwert zitterte kaum wahrnehmbar.

Ich seufzte genervt. „Wie ich Ritter verabscheue!" knurrte ich und Koka hinter mir schnaubte zustimmend. „Los rein da. So kommst du mir nicht auf ne'n Drachen." Wage deutete ich zur Sattelkammer. „Hab dank." Mit diesen Worten steckte sie ihr Schwert wieder weg und folgte mir. Calen blieb derweil einfach wo er war. 

In der Kammer wich Leris demonstrierte Stärke. Schnaufend stützte sie sich auf einem der Regale ab. „Du bist zu geschwächt." Sie schüttelte energisch den Kopf. „Du verstehst das nicht! Der Prinz ist der letzte der mir noch geblieben ist. Ich darf ihn nicht auch noch verlieren!" Wut und Angst loderte in ihren Grünen Augen. Sie hatte ja keine Ahnung wie sehr ich ihre Gefühle verstehen konnte. Mir ging es doch genauso!

Kurzerhand suchte ich Leris eine taugliche Montur raus. Als sie schließlich vor den Spiegel trat trug sie eine ordentliche Ledermontur aus grünem Leder mit passender Jacke in einem dunkleren Grün die mit Lederschnallen Geschlossen wurde. Das Schwert hatte sie gegen einen langen Dolch getauscht. War natürlich nur geliehen. Prüfend trat sie in die Luft und schlug zu. Sie schwang den Dolch und stoppte. „Das wird gehen." Mit einer schnellen Bewegung verschwand der Dolch unter ihrer Jacke. „Dann können wir ja endlich los." Genervt drückte ich ihr einen Helm in die Hand. 

„Talrah warte." Leris hielt mich an der Hand zurück. Verwundert stoppte ich und sah über die Schulter zu ihr zurück. „Vor ein paar Tagen... was war da mit dir los? Du warst so anders und deine Gestalt glich der eines Drachens." Aufrichtige Sorge spiegelte sich in ihren Augen wieder. „Wenn ich die anderen Drachentrainer dazu befrage heißt es immer nur das du es am besten erklären könntest und antworten mir nicht." Ich entzog ihr meine Hand und wandte mich ab. „Wir müssen los." Ohne ein weiteres Wort ging ich nach Draußen. Die Brandnarbe auf meinem Rücken prickelte unangenehm heiß.

Koka senkte knurrend den Kopf zu mir herab was Calen zurückschrecken ließ. Ich atmete tief durch und legte meine Stirn an seinen Schnabel. Ich schloss die Augen für einen Moment. Wieso musste mich so vieles an jenen Tag erinnern? Es war so qualvoll!

Ich seufzte und hob den Kopf. Liebevoll blies Koka mir seinen warmen Atem ins Gesicht. „Ich weiß... du fühlst es auch." Mit einem milden lächeln strich ich ihm über den Schnabel. Er gab ein sanftes Gurren von sich was Tröstlich meine Gedanken klärte. 

Mit einem Ruck hob er stolz seinen Kopf und brüllte auf. Er schlug mit den schwarz gefiederten Flügeln und scharte mit der Vorderpfote. Schnaubend stieß er Rauch aus. Ich schmunzelte und hob die Hand. Wieder senkte er seinen Kopf bis sein Schnabel an meine Hand andockte. „Steigt auf. Koka gestattet es euch." Wandte ich mich an Calen und Leris die schützend vor Calen stand.

Zögernd traten sie an Koka heran. Calen griff nach dem Strick das von dem Sattel herab hing. Koka knurrte und bewegte sich seitwärts so das Calen es nicht zu greifen bekam. „Koka!" mahnend sah ich ihn an. Widerwillig legte er sich nieder. „Das ist ein Drache und kein zerbrechlicher Vogel!" ich packte Calen am Kragen und warf ihn hoch auf den Drachenrücken. Erschrocken schrie er auf und landete unbeholfen auf dem Bauch. Zappelnd fand er schließlich halt und zog sich auf den Sattel. Erleichtert richtete er sich auf. Leris folgte ihm mühelos. Mit dem Fuß auf dem Klettersteig schwang sie sich hoch zu Calen und nahm hinter ihm Platz. 

„Talrah! Du hast was vergessen!" überrascht drehte ich mich um als Shelin angerannt kam. „Hier, du fliegst doch nie ohne sie." Mit einem breitem Lächeln drückte sie mir meine Handschuhe in die Hand. Ihr goldenes Haar schimmerte im Tageslicht. Der Wind wehte ihr das lange Haar zurück. Die Sommersprossen um ihre zierliche Nase schmückten ihr weiches Gesicht. „Vergiss nicht die Bellmares Beeren um die ich gebeten hatte." Damit lief sie wieder davon. Ich ballte die Fäuste und sah ihr nach ohne mich davon abbringen zu können. Wehleidig sah ich zu wie ihr Goldener Stopf zwischen den Weiden verschwand.

Ich streifte mir die Handschuhe über und schwang mich vor Calen in den Sattel. Routiniert hackte ich meine Füße in die Fußschlaufen ein. Koka setzte sich auf und schlug ungeduldig mit den Flügeln. Zuletzt setzte ich mir die Windschutzbrille auf. „Haltet euch gut fest. Das Wetter ist nicht ideal für Frischlinge wie euch zum Fliegen." Sagte ich trocken und beugte mich vor wo ich meine Hände in die Zügelschlaufen steckte die am Brustteil des Sattels befestigt waren. Mit einem kurzen Ruck erhob Koka sich in die Luft. 

Schreiend krallte Calen sich an mich während wir schnell an höhe gewannen. Der Wind wehte scharf über uns hinweg. Die Kälte ließ mein Gesicht schnell taub werden. Ich zog gerade und ging in den Gleitflug über. Ich richtete mich auf während Calen kein Stück locker ließ. „Tu mir einen Gefallen und schrei nicht. Koka kriegt davon noch einen Tinnitus." Ich klopfte Calen auf den Helm worauf er sich zögernd aufrichtete. Staunend verstummte er. Schmunzelnd richtete ich meinen Blick wieder nach vorne. Selbst Leris war verstummt.

Berge von Wolken überzogen den Himmel. Die Sonne schielte immer wieder zwischen den bauschigen Bergen hervor während unter uns das Land winzig dahin zog. Flach von Wäldern überzogen. Ein Flickenteppich von Feldern. Weiden. Eine Schlucht die sich als Klaffende Narbe durch das Land zog bis die Silbernen Mauern von Illdrath in Sicht kamen. Es war eine große Handelsstadt im Rücken des Grumk Drachenhofs. 

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Your sword and my DragonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt