58 Klinge

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Laute Vogelrufe schallten durch den Wald. Es raschelte. „Lasst euch nicht aus der Ruhe bringen!" zu spät. Ein Schwarm von Raben schoss durch die Bäume direkt auf uns zu. Erschrocken zogen wir die Köpfe ein. Vani flog höher und Calen schrie erschrocken auf. Die Raben verschwanden wieder in den Schatten der Bäume. Nur knapp hatte ich Calen noch am Mantelsaum zu fassen bekommen. Auf einem Bein balancierte er wankend, mit ausgebreiteten Armen. Leris hielt mich am Arm fest, da ich selbst ziemlich ungünstig stand, um ja nicht eine der Schuppen zu berühren. Auf Zehenspitzen weit vorgelehnt, wo ich den Mantelsaum mit drei Fingern hielt.

„Das waren nur ein paar Vögel, verdammt!" fluchte ich durch die aufeinander gepressten Zähne. „Tut mir leid!", winselte Calen der sich langsam nicht mehr halten konnte. „Halt still!" er wankte immer mehr, wodurch mir der Mantel aus den Fingern glitt. „Vani!" Eilig sauste sie zu uns herab. „Reich mir deine Hand!" sie streckte die Hand nach ihm aus. In dem Moment entglitt mir der Mantel. Vani verfehlte seine Hand und Calen landete bauchlinks am Boden.

„Besk!" entfuhr es Vani und mir gleichzeitig. Ein Grollen ließ die Erde erzittern. „Lauft!" Ich riss Calen auf die Beine und Leris ergriff seine Hand. Melion verfrachte Meron auf seinen Rücken und rannte an mir vorbei Leris und Calen nach. Der Boden erzitterte. Risse zogen sich krachen durch die Erde. Die Schuppen am Boden flogen hoch in die Luft. Mit lautem Gebrüll brach der Drache aus der Erde hervor an die Oberfläche. Erde und Laub flog in alle Richtungen. Vögel flogen verschreckt auf. Schnaubend drehte der Drache seinen wuchtigen Körper in unsere Richtung.

„Rennt schneller!" rief ich am Ende. Der Drache schüttelte die Erde von seinem breiten Leib. Die roten Schuppen kehrten zurück an seinen breiten Hals. Sein V-formiges Maul war perfekt, um sich unter die Erde zu wühlen, während seine Flügel winzig im Vergleich zu seinem dicken Leib wirkten. Fauchend nahmen seine glühenden Orangen Augen uns ins Visier. Sein Körper verlor an Fülle. Seine kräftigen Beine kamen unter dem wuchtigen Körper zum Vorschein. Mit großen Sätzen folgte er uns. Schneller, als man denken würde, war er uns direkt auf den Fersen.

„Talrah tu doch was! Bändige ihn!" kreischte Calen panisch, der vorweg lief. „So funktioniert das nicht!" brüllte ich zurück und wich den Zähnen des Drachens aus. „Rennt einfach weiter! Der Wald ist bald zu Ende!" mit einer schnellen Bewegung wirbelte ich herum und fing das Maul des Drachens ab. Schlitternd fanden meine Füße auf dem weichen Waldboden keinen Halt. Ich biss die Zähne zusammen und sammelte meine Kraft. Blutrot glühten meine Augen auf. Mit lautem Gebrüll umfasste ich das Maul des Drachens und riss ihn hoch in die Luft. Kurz im Kopfstand schmetterte ich das Biest auf den Rücken.

Donnernd wirbelten Blätter auf. Auf dem Rücken ruderte der Drache benommen mit den Beinen. Eilig löste ich mich von ihm und holte zu den anderen auf. „Macht schneller! Das wird ihn nicht lange aufhalten!" drängte ich, während das Gebrüll des Drachen uns wieder folgte. Mit einem Feuerstoß vernichtete ich die Pflanzen in unserem Weg. Sonnenlicht fiel in den Wald und wir sprangen ins Freie. Eine weite Wiese erstreckte sich vor uns, die am Horizont an Felder und Dörfer grenzte.

Schützend stellte ich mich vor meinen Begleitern auf als der Drache aus dem Wald brach. Zähne fletschend bäumte er sich zornig vor uns auf. Der Himmel verdunkelte sich und Koka landete donnernd hinter uns. Schnaubend hielt der den Kopf hoch erhoben. Er riss die Flügel hoch und brüllte. Eingeschüchtert wich der Laubdrache zurück und floh in den Wald.

Triumphierend stieß Koka Rauch aus seinen Nüstern aus, während Calen erleichtert zu Boden sank. „Das war geplant, oder?" fragte Meron und sprang von Melions Rücken ab. „Gegen einen Drachen hilft eben nur ein größerer Drache." Erwiderte ich leicht außer Atem. Koka senkte seinen Kopf zu mir herab, um sich sein Lob abzuholen. Ich streichelte seinen Kopf und drückte ihm ein Kuss auf den Schnabel auf. „Du bist der Beste, mein großer." Lächelte ich, was er mit einem freudigen Brummen beantwortete.

„Können wir dann jetzt weiterfliegen?" hoffend nicht mehr laufen zu müssen, sah Calen zu mir auf. „Das geht nicht wegen der Flugabwehr, schon vergessen?" warf ich zurück, auf dass er nichts erwidern konnte. „Aber deine Drachen folgen uns doch auch weiterhin?" fragend deutete Melion zu Koka, der seinen Kopf an mir rieb. „Sie fliegen weit oben, wo die Flugabwehr sie nicht erreichen kann. Für Menschen ist die Luft dort oben aber zu dünn." Ich schob Koka von mir weg, um nicht umgeworfen zu werden.

„Die Gute Nachricht ist, dass wir durch die Abkürzung durch den Monsterwald schon in Lum sind. Die schlechte ist das die Schutzmaßnahmen ab hier nur noch schlimmer werden." Vani landete Elegant bei uns. Sie war mühelos in die Luft ausgewichen, wo der Laubdrache sie nicht erreichte. „Wir haben also ungefähr zwei Tage gespart." Stellte ich überrascht fest und mit einer kurzen Geste verschwand Koka wieder in den Weiten des Himmels. Die Abkürzung musste ich mir merken...

~~~

Mit dem Regen legte sich Dunkelheit über das Land. Die kalten Bergwinde wehten über die Felder, hinter denen die Lichter der Häuser flimmerten. Im Laufschritt trabten wir durch Lapus Regen, ohne dabei nass zu werden. Mit ein paar Stärkungstränken war es Melion und Leris möglich mir zu folgen, ohne dabei müde zu werden. Vani flog wieder, während die Prinzen von ihren Rittern getragen wurden. So kamen wir schneller voran und blieben unentdeckt.

Bald schon kamen die Mauern von Beam in Sicht. Dem letzten Land das wir passieren mussten. Von Drachenreitern bewacht und gut ausgeleuchtet, war die Mauer hoch und schwer zu passieren. Im Gegensatz zu Lum wurde sie nicht von einem Monsterwald unterbrochen. Vorsichtig folgten wir der Mauer zu einem der Wachposten.

Ein Turm, der in die Mauer eingelassen war. Oben auf saß ein Drache, der wachsam seinen Kopf bewegte, während sein Reiter mit einem der Soldaten redete. Stumm deutete ich den anderen zu warten, bevor ich mich zur Tür des Turms vorwagte. Ich klopfte zwei mal und der Sichtschlitz wurde aufgeschoben. Ein paar grauer Augen musterte mich kühl. „Guten Abend." Tulls Kraft fraß sich durch meinen Körper. Meine Augen glühten Lila auf. Gelbe Drachenaugen blitzten mir entgegen. „Ich habe dich erst in zwei Tagen erwartet." Ich schmunzelte auf seinen überraschten Blick. „Durch den Monsterwald waren wir schneller." In beidseitigem Verständnis erloschen unsere Drachenaugen. Kurz verschwanden seine Augen und die Tür öffnete sich. „Kommt rein bevor sie euch sehen." Ich winkte die anderen heran. Eilig gingen wir hinein und die Tür schloss sich wieder. Das Prasseln des Regens verschwand dumpf hinter der Tür.

„Ruht euch aus. In einer Stunde geht die Sonne unter, dann ist es leichter euch durch die Mauer zu bringen." Bot Kitnan freundlich an und deutete auf den kleinen Raum. Es gab einen Tisch mit zwei Stühlen, einen Ofen und ein Bett. Alles war karg und auf dem Ofen stand eine dampfende Kanne, die den Raum mit dem warmen Geruch von Kaffee erfüllte.

Kitnan war einer von vielen Drachentrainern, die sich an den Grenzen der Vier Lande postiert hatten, um andere Drachentrainer ungesehen durch die Mauern zu bringen. Als Drachenreiter fiel er mit einem Drachen unter anderen Drachenreitern nicht auf. Er trug eine leichte Rüstung mit Schulterplatten aus silbernen Metall und einen schwarzen Umhang. Sein kurzes braunes Haar war von seinem Helm ganz platt und seine Augen strahlten in einem freundlichen Grau. „Lass dich ansehen, mein Bruder, du hast dich gut gemacht, seit dem ich dich das letzte Mal gesehen habe." Herzlich umarmte ich ihn zur Begrüßung und klopfte ihm auf den Rücken.

„Die Drachen waren gut zu mir." Lächelte er und ich wandte mich zu den anderen zu, die etwas zurückgelassen daneben standen. „Das ist Kitnan. Kitnan, das sind Calen, Leris, Meron, Melion und Vani kennst du ja." Kurz stellte ich sie einander vor was Vani verwirrt aufsehen ließ. Sie hatte Kitnan garantiert vergessen. Ihre Forschung war eben das Wichtigste für sie, womit nichts anderes mithalten konnte.

„Er ist kein Drachenreiter von Beam?" fragte Calen und deutete verwirrt auf seine Rüstung. „Zurzeit bin ich das wohl... aber macht euch deswegen keine Sorgen. Es ist mir eine Ehre, Freunden von Talrah zu helfen." Erwiderte er mit einem aufrichtigen Lächeln, dem man einfach nichts Böses entgegnen konnte. Ich empfand Kitnans Lächeln schon immer für eine gefährliche Waffe. Einmal getroffen war man völlig machtlos... es machte selbst mir Angst! 

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Your sword and my DragonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt