51 Kralle

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„Du beskartische Drachennärrin!", brüllend rammte Vani mir zwei Nadeln mit Kristallende in den Arm. Schmerzhaft schrie ich auf. „Verdammt, geht das auch mit Vorwarnung?" „Du bekommst das nächste Mal eine, wenn du nicht versucht mein Haus in die Luft zu jagen! Weißt du überhaupt, wie wertvoll die Forschungsunterlagen sind, die ich dort lagere?!" keifte sie wütend zurück. „Tut mir leid?", fragend, ob es das war, was sie hören wollte, fiel mir nichts Besseres ein. Ergeben seufzte sie. „Dir sei vergeben, wenn du mir etwas von deinem Blut überlässt." Forderte sie gierig nach dem Wissen, das darin schlummerte. „Vergiss es!" Lehnte ich direkt ab.

„Das war mal echt gefährlich." Melion kam mit den Prinzen zu uns. Nur die drei hatten gekämpft, von denen Melion am schlimmsten zugerichtet war. Eine blutende Wunde am Kopf und Arm und trotzdem grinste er heiter wie immer. Als sei nichts gewesen. „In der nächsten Stadt gebe ich euch einen aus. So viel schulde ich euch wohl." Leris reichte mir die Hand und half mir auf. „Da bin ich dabei." Lachte Melion während Calen und Meron zögerten näher zu kommen. Ich konnte es ihnen, aber auch nicht verübeln.

„Vani hilf mir bitte mit meinen Wunden." Bat ich und fiel beinah wieder um. Leris hielt mich fest und bewahrte mich davor zu fallen. „Ich sollte dich wirklich versorgen. Melion für dich reicht das hier. Sei so gut und koch etwas mit viel Fleisch." „Zu Befehl!" Gut gelaunt nahm er den Heiltrank entgegen und ging mit den Prinzen zurück ins Haus. Vani befreite meine Drachen, die von Schlingpflanzen am Boden gehalten wurden. In der Mitte der drei platzierten sie mich auf einem Moosbett. Mit dem blauen Himmel über mir schwand mein Bewusstsein schnell wieder. 

~~~

Ein tiefer grollender Bass vibrierte durch meinen ganzen Körper. Jede Faser meines Körpers bebte. Mein Blut strömte heiß durch meine Adern. Ich konnte es bis tief in meine Knochen spüren, bis in meine Haarspitzen. Erst verschwommen, klärte sich meine Sicht schnell wieder. Über mir hielten Koka, Lapu und Tull ihre Köpfe bei einander. Ihre Stimmen hallten über den Himmel und ließen selbst die Erde erzittern. Die Luft war von hellen Energiefunken erfüllt. So hell, dass die Schatten in ihrem Licht schwanden.

Es war weder warm noch kalt. Mein Körper schwebte in der Luft, während die Lichtfunken sich bei meiner Wunde sammelten. Ich konnte spüren, wie die Energie sich mit meiner verband. Wie die reine Energie aus der Umgebung das Drachengift auflöste. Desto mehr das Gift aus meinem Körper wich, desto klarer konnte ich spüren, wie die Kraft in meinen Körper zurückkehrte. Meine Wunde begann zu heilen.

„Ich... hatte euch verboten.... den Gesang... je wieder.... Einzusetzen!" Nur schwerlich konnte ich die Worte hervorbringen. Meine Stimme war kratzig. Mein Hals war völlig ausgetrocknet. „Sie haben sich nicht davon abbringen lassen." Erklang Vanis Stimme, ohne, dass ich sie sehen konnte. In meinem Zustand war es mir nicht mal möglich, den Kopf zu bewegen. „Sie sind so stur wie ihr Bund." Fügte sie hinzu und ich wusste das sie schmunzelte.

„Es ist... zu... Gefährlich! Hier... im Süden!" krächzte ich zurück. „Leris und Melion halten bereits wache. Ich habe eine Barriere gezogen und meine Diener als Späher entsandt. Keine Sorge, wir sind vorsichtig und sobald das Gift aus dir raus ist, hauen wir ab." „Wir?" ich konnte hören, wie sie mit den Augen rollte. „Ja wir! Ich werde euch bis nach Mellebeth begleiten. Und bevor du ablehnst, sei dir gewiss, dass ich euch auch ohne deine Zustimmung begleiten werde." Auch ohne es zu sehen wusste ich, dass sie einen trotzigen Blick aufsetzte und die Hände bestimmt in die Seiten stemmte. „Mach... was du... willst." Krächzte ich mürrisch zurück. Wenn sie einmal einen Entschluss gefasst hatte, war sie schwer davon abzubringen, das wusste ich nur zu gut.

Der Gesang schwoll an. Der Wind fegte durch die Bäume. Vögel flogen über uns hinweg und in der Ferne war das Brüllen von Drachen zu hören, die dem Gesang ihren Respekt zollten. Ich verzog schmerzlich das Gesicht. Schwarze Energie sickerte aus meiner Wunde. Wabernd bündelte sie sich zu einer Kugel und kristallisierte innerhalb eines Augenblickes. Im selben Augenblick wurde alle Energie zu mir gezogen. Hell schossen die Energiefunken durch die Luft und strömten allesamt in meinen Körper. Ich verzog das Gesicht, bäumte mich auf und schrie.

Ich ballte die Fäuste. Brennend heiß pulsierte die Drachenkraft durch meinen Leib. Die drei verstummten. Alles erstarrte. Ich fiel herab und kam auf meinen Füßen auf. Schnaubend fletschte ich die Zähne, während meine Augen blutrot aufglühten, mit schmalen Schlitzpupillen in ihnen. Die Luft flimmerte um mich herum. Unter meinen blanken Füßen verbrannte die Erde zu Asche. Meine Stiefel waren meiner Traumtrance zum Opfer gefallen. Die Ärmel meines Mantels waren zerrissen, so wie mein Oberteil dunkel verfärbt war von meinem eigenen Blut.

„Talrah? Bist du... du?" vorsichtig, mit erhobenem Stab sprach Vani mich an. Auf der Lichtung hatte sich nichts verändert. Das Haus stand noch und meine Drachen senkten prüfend die Köpfe zu mir herab. „Ja, bestens, nur einen Überschuss an Energie." Grollend erklang meine Stimme. Beruhigt senkte sie ihren Stab. „Dann hole ich schnell die anderen." Eilig rannte sie zurück ins Haus.

Ich seufzte und sah auf meine Hände. Ich zitterte leicht durch den Überfluss an Energie. Meine Krallen prägten sich aus, ohne dass ich es beabsichtigte, meine Sinne waren voll ausgereizt. Ich hörte jedes Rascheln. Roch die Hasen im Gebüsch. Der Geschmack von Regen lag in der Luft. Ich konnte spüren, dass diese Ruhe nur von kurzer Dauer sein würde.

Ich hob die Hand und die Kristallkugel landete in ihr. „Ihr drei kommt wirklich ganz nach mir." Schmunzelnd steckte ich die Kugel ein, bevor ich mich ihnen zuwandte. Zustimmend bliesen sie mir ihren heißen Atem entgegen, während ich jeden einzelnen von ihnen streichelte. 

Es krachte laut. In der Ferne stieg Rauch auf. Die Barriere, die Vani erreichtet hatte, zersplitterte. Das Brüllen von Drachen folgte darauf. Keine wilden Drachen. „Ich hab's geahnt." Knurrte ich mit einem miesen Gefühl im Bauch. „Vani beeil dich!" brüllte ich zum Haus. Kampflärm ertönte in der Ferne und weitere Rauchsäulen stiegen empor. „Vanillia!" „Wir kommen schon!" schwerbeladen mit einem großen Rucksack rannte sie gefolgt von den Prinzen ins Freie.

Kaum hatten sie das Haus verlassen, leuchteten helle Runen auf den Außenwänden auf und das Haus verschwand spurlos. „Tull, Lapu wir sorgen für Ablenkung. Vani ihr steigt auf Koka." „Geht klar. Los rauf da!" Geübt, kletterte Vani auf den Sattel von Koka. Calen half derweil Meron nach oben. Ich stieg auf Lapus Rücken. Mit einem starken Flügelschlag flogen wir hoch in den Himmel.

Über dem Wald hielt sie in der Luft. Tull hielt uns gegenüber. Lapus Bauch blähte sich auf. Der Hals von Tull begann zu glühen. Gleichzeitig schossen sie aufeinander. Der heiße Wasserstrahl traf auf Tulls weiße Flammen. Das Wasser verdampfte und Nebel breitete sich rasant aus. Ich holte tief Luft. Meine Brust begann zu glühen und ich spie Feuer. Zischend verdampfte das Wasser noch schneller. Dick breitete sich die Nebelflut aus und verschlang Bäume und Licht. Schon kurz darauf verstummte der Kampflärm.

„Talrah!" wir stellten das Feuer ein und landeten wieder. „Kommen die Angreifer in unsere Richtung?" fragte ich Vani zurück, als wir landeten. „Nein. Leris und Melion sind auf dem Rückweg!" entgegnete sie hastig. „Macht euch bereit. Sobald sie hier sind, geben wir Vollgas bis zur Grenze." Meine Stimme hatte sich normalisiert. Ich hatte die überschüssige Energie loswerden können.

Ich wechselte zu Tull über und hielt wachsam Ausschau. Schritte näherten sich. Es raschelte im Dickicht. Koka trat zurück, um notfalls zu fliehen. Ich dagegen hob feuerbereit die Hand. Die Schritte wurden lauter, schneller. Mit einmal brach Melion hervor. Er stolperte und landete bauchlinks vor Tull am Boden. Hinter ihm folgte Leris. Beide waren sie außer Atem und vom Kampf gezeichnet. „Wieso sind die bitte alle so übertrieben stark? Haben die einen Pakt geschlossen? Das ist doch die reinste Schummelei!" Ächzend raffte Melion sich auf und steckte sein Schwert weg.

„Drachenreiter?" Mehr beunruhigt senkte ich die Hand. „Ja, und es waren nicht gerade wenige." Antwortete Leris routiniert, während sie sichtlich erleichtert war, mich auf dem Rücken meines Drachens zu sehen. „Talrah?! Was ein Glück, dir geht es wieder gut. Ich dachte echt, du würdest draufgehen!" grinste Melion verschmitzt. „Reden können wir später, steigt auf!" eilig deutete ich zu Koka. Verstehend rannten sie zum Drachen und kletterten auf seinen Rücken.

„Haltet euch gut fest!" rief ich über die Schulter zurück und Tull schoss hoch in die Luft. Koka und Lapu folgten. Im Himmel nahmen wir an Geschwindigkeit auf. Der Wind dröhnte mir in den Ohren und trieb mir die Tränen in die Augen. Ich presste mich gegen die glatten Schuppen. Graue Wolken raubten uns das Sonnenlicht. Der Wind nahm zu und wir ließen den dichten Wald hinter uns. 

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Your sword and my DragonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt