56 Klinge

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Das Blätterdach wurde dichter. Die Bäume immer größer. Kleineres Gestrüpp wich bald tiefen Schatten. Nur noch schummrig fiel das Licht durch das Blätterwerk, während ein lauer Wind durch die Bäume fuhr. Ich stoppte und horchte. Außer Atem sahen Melion und Leris sich ebenfalls um. „Wir haben sie abgehängt." Erleichtert steckte Melion sein Schwert weg. „Ruhen wir uns aus, bevor wir weiter gehen." Schlug ich vor und setzte mich auf eine Wurzel. „Wir leben noch, ein Glück!" erschöpft sank Calen zu Boden, mit Meron Rücken an Rücken. „Fürs Erste... stimmt das sicher." Nach Atem ringend stützte Vani sich auf die Knie. „Was soll das heißen?", hakte Leris nach, die sich schnell wieder erholt hatte.

„Niemand wagt sich in den westlichen Teil des Waldes, nicht mal die Söldner! Wir sind also sicher." Erklärte ich, worauf Vani direkt hoch schnellte. „Ja! Wegen der Monster, die hier leben! Dieser Teil des Waldes wird nicht ohne Grund auch Monsterfalle genannt!" empörte sie sich mit den Händen in den Seiten. „Dann sei leise, wenn du nicht als Futter enden willst!" gab ich trocken zurück, worauf sie mir eingeschnappt den Rücken kehrte.

Genervt seufzte ich, während meine Narben und die frische Wunde wieder schmerzten. Meine Drachenaugen erloschen. „Wie geht es deiner Wunde?" Leris trat besorgt zu mir. „Geht schon. Ist ja diesmal kein Drachengift." Winkte ich trocken ab, was ihren besorgten Blick nicht minderte. „Lass mich wenigstens Heilsalbe auftragen, damit es leichter verheilen kann." Sie blieb hartnäckig, mir helfen zu wollen. „Wenn du dann Ruhe gibt's, aber mach schnell." Mit einem triumphierenden Lächeln nahm sie die kleine Dose entgegen. „Ich könnte auch einfach einen Heilungszauber sprechen." Kommentierte Vani merklich angepisst, während Leris die Salbe über die Stichwunde verteilte. „Du weißt genau, dass sich Heilungsmagie und Drachengift nicht vertragen. Du würdest es nur reaktivieren, schon vergessen?" knurrte ich genervt zurück, worauf sie klein bei gab. 

„Diese Söldnerin war also... deine Ex?" fragte Melion mit einem verstohlenen Blick. Er war offensichtlich neugierig, ebenso wie die Prinzen, die es tatsächlich schafften es nicht offen zu zeigen. Mürrisch verzog ich das Gesicht. „Sozusagen... Ich komm halt viel rum und da hat sich hier und da eben etwas ergeben.... Auaa." Schmerzlich zuckte ich zusammen als Leris in die Wunde faste. „Entschuldige, ich bin abgerutscht." Entschuldigte sie sich knapp und reichte mir die Dose zurück. Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich ein Versehen gewesen war...

„Was meinst du mit hier und da? Red doch mal Klartext!" forderte Vani mit stechendem Blick. Genervt seufzte ich. „Als Oberhaupt der Grumk Familie musste ich nach dem Krieg oft reisen, um die Brutstätten der kleineren Höfe zu befrieden, die während den Kämpfen in Chaos geraten waren. Auf einer dieser Reisen traf ich auf Persia. Die Berggilde war mit der Vertreibung von verirrten Drachen beauftragt worden, während meine Aufgabe es war, eben diese Drachen auf ihre Höfe zurückzubringen. Wir gerieten also ständig aneinander. Ich schaffte es schließlich ihr die Drachen abzujagen und nach einer durchzechten Nacht landeten wir im Bett." Ich stand auf und streckte mich prüfend. Mit der Heilsalbe war es deutlich angenehmer.

„Ich blieb ein paar Wochen und wir hatten gemeinsam viel Spaß, aber sie nahm das alles ernster als ich. Im Suff hatte ich ihr wohl versprochen sie zu heiraten und bevor sie mich vor einen Altar zwingen konnte, bin ich gegangen. Ihr habt ja gesehen, wie sauer sie war." ungläubiges Schweigen war die Reaktion der anderen. Melion pfiff beeindruckt. „Das schaff ja nicht mal ich." „Ach, sei doch still. Das ist schon Jahre her." Knurrte ich und sah mich prüfend um. „Du bist echt das Letzte, sie einfach sitzen zu lassen nach allem, was ihr zusammen erlebt habt!" Mitleid schwang in Vanis Stimme mit.

„Sie wollte dich eben noch umbringen, aber jetzt tut sie dir leid? Persia ist niemand, den man bemitleiden muss, glaub mir. Geh doch zurück, wenn sie dir so leid tut, wirst schon, was du davon hast." Ungerührt deutete ich in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Mit wenigen Schritten stieg ich auf einen Stein und streckte die Nase in die Höhe. Keine Monster in der Nähe war ein gutes Zeichen. „Sie tut mir leid, weil du dir nicht mal die Mühe gemacht hast, das Gespräch mit ihr zu suchen. Stattdessen bist du einfach weggelaufen! So wie bei mir!" keifte Vani aufgebracht zurück.

Hellhörig sah ich zu ihr. Ihre blauen Augen waren glasig, während ihre Hände zitterten. Ich ließ mich vom Stein fallen. Laub wirbelte auf, als ich zum Stehen kam. „Ich kann meine vergangenen Fehler nicht rückgängig machen. Ich akzeptiere, was war und das solltest du auch." Unglauben blitzte in ihren Augen auf. Wut. Trauer. Verletzlichkeit. Sie hing wirklich noch immer sehr an der Vergangenheit... an unserer Vergangenheit. 

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Bei Anbruch der Nacht schlugen wir unser Lager auf. Um das kleine Feuer versammelt aßen wir das Waldgemüse, das hier überall prächtig gedeihte. Bis auf das Knistern der kleinen Flamme herrschte weiterhin unangenehmes Schweigen. „Wieso gibt es nur Nüsse und Grünzeug? Wir haben doch gerade erst unsere Vorräte aufgestockt!" Jammernd kaute Calen auf seinen gerösteten Eicheln herum. „Der Geruch von Fleisch würde Monster anlocken, mein Prinz. Es wäre überaus leichtsinnig und nicht empfehlenswert." Erklärte Leris dem Prinzen geduldig, während ich seine Blödheit strickt ignorierte.

„Auch empfehlenswert wäre es, wenn ihr euch wieder vertragen würdet." Wandte Meron ein. „Vanilla. Talrah. Ich kenne zwar nicht die genauen Hintergründe, aber es wäre für uns alle wesentlich sicherer, wenn ihr euch wieder versöhnen würdet. Wir brauchen schließlich eure volle Konzentration als unsere Reiseführerinnen." Wortgewand versuchte er zu vermitteln, was seinen großen Bruder stolz schmunzeln ließ. Vani und ich tauschten einen Blick. „Wie gekonnt der kleine Mann reden kann. Erstaunlich." Staunte Vani gespielt überrascht und ich nickte zustimmend. „Er ist schon so erwachsen, der kleine Mann." Fügte ich im gleichen gespielt überraschten Wortlaut hinzu. „So klein bin ich doch gar nicht!" Widersprach Meron verwirrt, was uns zum Lachen brachte.

„Du brauchst dir um uns keine Sorgen zu machen. So ein Streit bringt uns nicht so leicht aus der Fassung." Winkte Vani lachend ab und lächelte. „Ah... Ich kann mich noch gut erinnern, als wir uns ständig auf dem Schlachtfeld gestritten haben. Mitten im Kampf begann Vani einfach zu provozieren, aber dadurch konnte ich meine Wut in Kraft wandeln." Erzählte ich nostalgisch. „Es war effektiv und außerdem war es jedes Mal deine Schuld!", entgegnete sie vehement. „Ja schon möglich." Lachte ich verschmitzt und gab ihr nach. Meron hatte recht, Streit brachte uns nicht weiter. 

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Your sword and my DragonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt