44 Klinge

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Auf allen Vieren rannte ich verwandelt ohne Flügel durch die Gänge. Ich riss jede Tür aus ihren Angeln, die ich finden konnte, aber die meisten waren leer. Nur in wenigen lagen Tote oder Knochen. Schlitternd bog ich um die Ecke und erreichte endlich das Ende der schwarz verkohlten Gänge. Leicht außer Atem richtete ich mich auf. An der Grenze zu den verkohlten schwarzen Wänden hatten sich Wachen aufgereiht. Mit Schild und Schwert bildeten sie eine undurchdringliche Mauer. „Keinen Schritt weiter, Trainerabschaum!", rief einer von ihnen und sie traten donnernd einen Schritt vor.

„Ich hätte meine Kampfmontur anlegen sollen." Murmelte ich und nahm die Peitsche von meinem Gürtel. Laut ließ ich sie knallen. Der Boden brach unter meinen Füßen und ich stürmte auf sie zu. Ich sprang und mit den Füßen voran schmetterte ich einen von ihnen zu Boden. Schlitternd kam ich hinter ihnen auf und schwang meine Peitsche. Laut knallte es immer wieder. Die fliegende Metallspitze am Ende der Peitsche zerkratzte ihre Gesichter. Mit einem gekonnten Hieb wickelte sich die Peitsche um das Bein von einem der Wachmänner. Mit einem Ruck riss ich ihn zu Boden und schleuderte ihn gegen seine Kameraden.

Ein lauter Knall und die Peitsche kehrte zu mir zurück. „Wo habt ihr die anderen Gefangenen hingebracht? Eine Ritterin mit schwarzem Haar. Die Prinzen von Fellemen. Sprecht, solange ihr dazu noch in der Lage seid!" knurrte ich und zerrte einen der Männer am Kragen hoch. „Die wurden doch schon längst verkauft. Du kommst zu spät!" grinste der Mann hämisch. Er log und aus irgendeinem Grund sah er sich im Vorteil.

„Stirb." Flammen leckten über meinen Arm und verschlangen den Mann. Schreiend fiel er zu Boden. Zappelnd rollte er über den Boden und versuchte das Feuer zu ersticken, das sich durch seine Kleidung fraß. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg in die Luft. Ungerührt nahm ich einen der anderen am Kragen hoch. „Selbe Frage. Antworte!" eingeschüchtert zuckte der jüngere zusammen. Ich konnte nur zu deutlich seine Angst riechen.

„Sie sollen heute... heute nach Fellemen ausgeliefert werden. Sicher wurden sie... sie wurden bereits zum Drachenfort gebracht, um sie... um sie abzutransportieren. A... aber du wirst nicht mehr rechtzeitig da sein, um sie... sie zu retten." Stammelte er. „Danke für die Info." Ich stieß ihn von mir und die Flammen verschlagen auch ihn und seine Kollegen. Schnell rannte ich weiter.

Ich folgte dem Geruch nach Drachen. In den Gängen war er zwar überall, aber desto weiter ich ihm folgte, desto stärker wurde er. Irgendwann nahm ich Leris und Calens Geruch wahr. Die Wachen, die mir entgegenkamen, übersprang ich einfach und schoss um die Ecke. Stimmen wurden laut. Der Geruch von Melion vermischte sich mit dem der anderen beiden, zusammen mit einem vierten.

Der Gang lief auf eine schmale Tür zu. In vollem Tempo brach ich durch die Tür ins Freie. Kalte Luft wehte mir entgegen. Mit beschleunigtem Atem sah ich mich um. Ich stand auf einer Anhöhe, die zu beiden Seiten die Wand entlang führte. Davor eröffnete sich eine riesige Höhle, von ihr aus hatte man einen weiten Blick über das verschneite Gebirge, das im Sonnenlicht glitzerte. Zu beiden Seiten befanden sich vergitterte Höhlen, die als Stallungen dienten. Drachen aller Art saßen hinter den Gittern. Stumm, wartend, reglos wie Tote.

Unten auf dem Platz standen Melion, Leris und die Prinzen. Umzingelt von den schwarzen Drachenreitern, waren sie auf ihrer Flucht erwischt worden. Keiner hatte mich bemerkt, während ein Mann durch die Reihen der Drachenreiter nach vorne trat. Ein hagerer Mann von dunkler Präsenz. Das weiße Haar fiel ihm dünn über die Schultern. Das Schwarz seiner Kleidung ließ ihn nur noch blasser wirken.

„So nah an der Freiheit und doch so fern." Sprach der Drachenreiter beinahe schon philosophisch dabei, war seine Stimme von purer Kälte geprägt. „Ich respektiere eure Beharrlichkeit, aber weiter werdet ihr nicht kommen. Legt eure Waffen nieder und euch wird nichts geschehen." Es war ein Befehl, keine bitte! 

„Aufgeben ist keine Option!", entgegnete Leris entschlossen, die ihr Schwert fest in der Hand hielt. „König Jarmos wird auch für eure toten Leiber zahlen... Tötet sie!" Ich holte tief Luft und spie Wasser. Heiß dampfend flutete es die Höhle und umrundete meine Freunde. Schreiend wurden die Drachenreiter überrascht und von den Wassermassen zu Boden geworfen. Nur ihr Anführer war in die Luft ausgewichen.

Mit einem Satz stand ich bei ihnen. „Los lauft nach draußen!", rief ich ihnen zu und stellte mich schützend vor ihnen auf. Melion schob die Prinzen Richtung Ausgang. Leris zögerte kurz, dann rannte sie ihnen nach. „Ich hatte mich schon gefragt, wann du hier auftauchen würdest, Drachentochter." Unbeeindruckt landete der hagere Mann mir gegenüber, während die anderen Drachenreiter sich wieder aufrappelten.

„Und du musst Forten Grav sein, der geflohene General, der seine Kameraden zum Sterben zurückgelassen hat." Knurrend griff ich meine Peitsche fester. „Wissen ist wertvoller als jedes andere Leben. Gerade du solltest das verstehen." Wütend fletschte ich die Zähne. „Nichts ist wertvoller als das Leben selbst!", brüllte ich zurück. Das Brüllen von Koka schallte durch den Himmel. Die Sonne verdunkelte sich, Wind fegte durch die Höhle. „Ich werde dafür sorgen, dass ihr niemanden mehr schaden könnt!" laut knallte ich mit meiner Peitsche und schlug nach ihm. 

Geübt schwang er sein Schwert und teilte die Peitsche in zwei. Im nächsten Moment zielte er mit dem Schwert auf mich. Ich wich nach hinten aus und schlug ihn mit meinem Schwanz weg. Taumelnd kam er zum Stehen. Blitze jagten über den Himmel. Koka flog mit Leris, Melion und den Prinzen davon. „Folgt ihnen!", brüllte Forten und blockte knapp mein Schwert ab. „Dafür müsstet ihr erst einmal an mir vorbei!" Tull und Lapu erschienen in der Höhle. Sie spien Feuer und Wasser, das sich zu einem kochenden Gemisch verband, das sich selbst durch die Felsen fraß. Steine brachen aus der Wand und flogen durch die Luft, während der Boden von kochendem Wasser geflutet wurde. Dampf behinderte die Sicht. Schreiende Reiter flohen mit schweren Verbrennungen in die Tunnelgänge.

Finster verzog er das Gesicht und verstärkte seinen Griff um sein Schwert. Knurrend drängte ich ihn zurück. Ich stieß ihn zur Seite weg und mit einem Tritt landete er im kochenden Wasser. Schmerzerfüllt schrie er auf, als das Wasser ihm das Gesicht verbrannte. Ich wirbelte mein Schwert in der Hand herum. Die Klinge aus Kristall verformte sich. Geschwungen wuchsen Kristalle zu beiden Seiten aus dem Griff hervor und formten einen Langbogen. Silbern glitzernd spannte sich die Sehne. Ich trat von dem schreienden Forten weg und zielte nach oben. Flammend bildeten sich drei Pfeile, als ich die Sehne zu mir herab zog.

Zischend schossen die Pfeile durch die Luft und durchschlugen die Decke. Für einen Moment fiel Tageslicht durch das Loch, kurz bevor die Höhle begann in sich zusammenzustürzen. Der ganze Berg erbebte. Steine krachten auf den Boden und begruben manche der Drachenreiter unter sich. Kochendes Wasser spritzte in alle Richtungen. „Verfluchte Trainerbrut!" Keifend sprang Forten auf mich zu. Ich rutschte über den Boden, als ich sein Schwert abblockte. Sein Gesicht war fleischig rot verbrannt, so wie seine Hände.

Flink parierte ich seine Schläge. Knapp wich ich einem fallenden Stein aus. In dem Moment traf mich ein Messer im Rücken. Schmerzhaft verzog ich das Gesicht. Der Drachenreiter hielt das magische Messer fest mit beiden Händen, während er es mir tiefer ins Fleisch bohrte. „Meister Grav!" Forten kam frontal auf mich zu. Ich biss die Zähne zusammen und wirbelte herum. Die Klinge brach und ich rannte Richtung Ausgang.

Lapu spie Wasser, um den beiden den Weg zu versperren. Die Chance nutzend, schwang ich mich zu Tull in den Sattel. Mit einem kräftigen Flügelschlag schossen wir aus der Höhle. Lapu folgte direkt. Hastig steckte ich das Kristallschwert zurück an meinen Gürtel. Ich riss die Hand hoch in den Himmel. „TEMPEST!" Machtvoll schallte meine Stimme über den Himmel. Die Blitze wirbelten im Kreis über den Berg durch die Wolken. Wind kam auf. Die Wolken formten sich zu einem Strudel und senkten sich auf den Berg nieder.

Krachend brachen Stein und Fels. Schnee wurde in die Luft geschleudert. Lawinen rollten über die anliegenden Berge hinab ins Tal. Es krachte laut. Donner hallte durch die Luft. Eine Druckwelle brachte Tull und Lapu kurz ins Trudeln. Grelle Blitze zuckten durch den Sturm. Die Wolken erstrahlten hell und mit einer tonlosen Explosion löste sich der Strudel aus Wolken, Wind und Blitzen schlagartig auf. Der Himmel klärte sich und wo bis vor wenigen Augenblicken noch ein Berg gewesen war, befand sich nur noch ein tiefer runder Abgrund.

Erschöpft löste ich die Verwandlung auf. Der Schweiß stand mir auf der Stirn und ich rang nach Luft. Lapu brüllte alarmiert auf. Eine Handvoll Drachenreiter hatte es geschafft zu entkommen, darunter auch Forten. „Wie Kakerlaken." Knurrte ich und atmete tief durch. Ich schickte Lapu zu den anderen und wappnete mich für einen Kampf in der Luft.  

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Your sword and my DragonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt