Schweigend folgte Hermine Draco Malfoy durch die Flure von Hogwarts.
Er ließ die Kiste, die Professor Fawley für sie zusammengestellt hatte, vor sich herschweben und sagte ebenfalls kein Wort.
Erst als sie in dem Gang vor der großen Halle eingebogen waren, blieb er kurz stehen und blickte unauffällig zur geschlossenen Flügeltür hinüber. Hermines Magen hatte mehrmals verräterisch geknurrt.
Glücklicherweise sagte sie von sich aus: »Meine letzte Mahlzeit ist über einen Tag her. Kann ich etwas mitnehmen?« Draco wollte unter keinen Umständen, dass das Schlammblut noch dachte, dass er für ihr leibliches Wohl zuständig wäre. Am liebsten wäre ihm allerdings, ganz weit weg von diesem Ort und dieser Person zu sein.
»Warte hier.«, sagte er und ließ die Kiste sinken. »Genau hier! Verstanden?«, verlangte er und steuerte auf die Tür neben der großen Halle zu, ohne auf Hermines Antwort zu warten.
Es war seltsam, für Hermine hier zu sein. Mit ihm hier zu sein.
Als sie sich umsah, erkannte sie nicht einmal mehr die Portraits an den Wänden. Viele Zauberer sahen aristokratisch oder schwarzmagisch aus. Sie hielten ein Nickerchen oder setzten ihre Brillen und Monokel auf, um Hermine angewidert zu beäugen. Die Steine der Mauern wirkten dunkler, die Feuer kälter.
Hogwarts fühlte sich seelenlos an.
Hermine seufze und sah hinunter auf die Kiste von Professor Fawley. Es war sehr großzügig gewesen ihr diese Sachen zu überlassen. Was auch immer es für Sachen waren, Hermine hoffte, dass es vor allem warme Kleidung war.
In ihrer Tasche spürte sie das Gewicht ihres Zauberstabes, den ihr Fawley nach dem Treueschwur überreicht hatte.
Sie schaute kurz zu der Tür, hinter der Malfoy verschwunden war, nahm ihn dann heraus, um ihre zarten Finger über das Weinrebenholz gleiten zu lassen.
Er war so leicht, so zierlich und er fühlte sich im ersten Moment so fremd an. Trotzdem durchströmte die Magie Hermine. Es war ein bisschen so, als wenn ein alter vergessener Freund einen umarmte, aber man noch nicht genau wusste, wohin die Reise mit ihm nun ging.
Hermine hatte zehn Jahre lang keinen Zauberspruch mehr aufgesagt und es war ihr sehr unangenehm, es laut auszusprechen, aber sie fühlte sich nicht wirklich bereit überhaupt jemals wieder zu zaubern.
Ihr war allerdings bewusst, dass sie bald schon zaubern müsste, wenn sie ihrem Posten als Zaubertranklehrerin gerecht werden wollte.
»Lumos!«, sagte sie leise und ihr Zauberstab leuchtete sofort vor ihr auf. Die Magie in ihrem Arm brannte bis in ihr Innerstes und sie blickte lange auf die leuchtende Spitze. In ihren Augen sammelten sich Tränen, weil sie dieses Gefühl zehn lange Jahre vermisst hatte. Es war ein so intimer Moment, dass Hermine nicht bemerkte, dass Draco zurückgekehrt war, und sie anstarrte – zusammen mit mehreren Dutzend Portraits, die anschließend aufgeregt tuschelten.
»Nox!«, sagte Hermine schnell und packte hastig ihren Zauberstab zurück in den Umhang. Auch wenn der Stab sofort gehorchte, blieb das Gefühl der Fremdartigkeit, so als wenn er die Magie nicht vollends ausschöpfen konnte. War Hermine in all den Jahren erwachsen geworden, ihr Zauberstab jedoch nicht?
Sie würde der Sache schon bald auf den Grund gehen müssen.
»Sei nicht dumm. Draußen ist es dunkel.«, sagte Draco und legte zwei große Essenspakete auf die Kiste, die mit einem Schlenker seines eigenen Zauberstabes wieder vor ihm schwebte und von ihm nach draußen dirigiert wurde.
Hermine antwortete nicht, sie zog einfach erneut ihren Zauberstab und leuchtete ihnen schließlich den Weg über die dunklen Ländereien von Hogwarts.
Warum sie überhaupt an diesen regnerischen, kalten Frühlingsabend das Schloss verlassen mussten, hatte Hermine den Launen der Todesser zu verdanken und ihren eigens für sie aufgestellten Regeln.

DU LIEST GERADE
Malice
FanfictionDer Krieg ist verloren und Harry Potter tot. Hogwarts ist kein Ort der Liebe und Sicherheit mehr, sondern eine Schule dominiert von Lehrern, die eigentlich Voldemorts Schergen sind. Hunderte Kilometer entfernt lebt Draco Malfoy in einer arrangierten...