Die Frau im Spiegel

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Die gesamte Nacht hatte Hermine kein Auge zugetan. Sie starrte in die prasselnden Flammen ihres Kamins und rief sich immer und immer wieder das Gefühl von Dracos Berührungen ins Gedächtnis.

Sie fuhr mit ihrer Hand die Stellen an ihrem Körper ab, die auch er angefasst hatte. Wenn sie am Hinterkopf ihre Zöpfe ertastete, die Hannah vorigen Abend geflochten hatte, dann war da dieser süße, leichte Schmerz. Ein Schmerz, der geblieben war, weil Dracos Berührungen so unsanft gewesen waren.

Hermine hatte nur einen Vergleich. Ein Vergleich, der alles andere als fair war und dessen Erinnerungen sich nicht anfühlten wie ihre eigenen.

Es war über ein Jahrzehnt her, seit sie mit Ron geschlafen hatte. Und sie waren beide so jung und so verliebt gewesen. Sie hatten gelacht und waren vorsichtig miteinander, zärtlich und liebevoll.

Hermine ertrug die Vorstellung nicht, dass Draco sie jemals so berühren würde. Sie so verliebt anlächeln und behutsam küssen würde, wie Ron es damals getan hatte. Und genau deshalb war die letzte Nacht für sie fast schon eine Offenbarung gewesen. Das Lösen einer Anspannung, die sich in zehn Jahren aufgebaut hatte.

Draco gab ihr die Möglichkeit nahe bei den Todessern zu bleiben. Nahe an Voldemort. Aber Hermine war sich nicht ganz sicher, ob er ihr mit diesem Schlüssel nur eine Falle hatte stellen wollen. Wäre Lily dann überhaupt noch am Leben? Wieso sollte er riskieren, dass Hermine das Buch findet und Harrys Brief?

Hermine spielte an ihrer Kette herum. Weil sie so nahe am Feuer saß, fühlte sie sich wärmer an als sonst. Sie glitt mit ihren Fingern in den Nacken, wo die Kette mit zwei kleinen Edelsteinen verziert worden war.

Grün und rot.

Slytherin und Gryffindor.

Draco und Hermine.

Das kam ihr alles so falsch vor. Wie ein Fiebertraum, den sie in Askaban träumte. Obwohl sich eine Sache nicht geändert hatte – Draco war nach wie vor feige geblieben.

Die Morgensonne schien durch die kleinen Fenster der Hütte. Der neue Tag brach an und Hermine spürte, wie langsam aber sicher die Müdigkeit in ihre Knochen kroch. Sie streckte sich und löste die Zöpfe an ihrem Kopf. Es tat gut die Kopfhaut zu massieren und sich aus den Kleidern zu schälen, die sie seit gestern trug.

Nach einer kurzen, kalten Dusche, schlüpfte Hermine in ein einfaches knielanges Nachthemd und schüttelte ihre nassen Haare wie ein Hund sein Fell. Das war etwas, was sie wohl niemals mit Magie tun würde – ihre Haare trocknen. Sie mochte dieses kühlende Gefühl im Nacken.

Klopf. Klopf. Klopf.

An dem Buntglasfenster über dem Sessel hockte ein kleiner eulenförmiger Schatten und Hermines Herz machte einen kleinen aufgeregten Satz hinter ihren Rippen.

Sie ging mit zügigen Schritten die wenigen Meter hinüber, kniete sich auf den Sessel und schob den Riegel des Fensters zurück. Die kleine Eule streckte ihr den Fuß mit dem Brief entgegen und blinzelte zwei Mal.

Hermine fand, dass das Tier viel zu hübsch und gepflegt aussah, als dass es eine der Eulen aus dem Schloss sein konnte. Und als sie den Brief in ihren Händen hält, erkannte sie das elegante Siegel der Malfoys. Sie öffnete den Brief und ein kribbelndes Gefühl machte sich in ihrem Bauch breit, als sie Dracos Handschrift erkannte.

Professor Fawley und ich sind uns einig, dass du einen Einblick in die Gesellschaft der Reinblüter bekommen solltest.

Deshalb lädt dich die Familie Malfoy und Greengrass zu unserem jährlichen Osterfeuerwerk ein. Anwesend sind außerdem zwei andere Mitgefangene, die sich im letzten Monat ebenfalls nahtlos und ohne Zwischenfälle in unsere Gesellschaft eingefügt haben.

MaliceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt