Hermine bibberte, obwohl sie das Feuer in ihrem Büro angefacht hatte und unmittelbar davor ihren durchgefrorenen Körper an den zuckenden Flammen wärmte.
Vor gerade Mal einer Stunde war sie noch in den eiskalten Tiefen des großen Sees gewesen und hatte Lily kennengelernt. Die Meerjungfrau im Fenster.
Hermine spielte, wie so häufig, unbewusst mit dem kleinen goldenen Schlüssel an ihrer Kette und dachte an die Worte der Nixe zurück. Severus war also als Verräter gestorben. Wieso hatten sie sein Büro unberührt gelassen? Sie hätten das Versteck mit dem Buch des Halbblutprinzen finden können. Der Dunkle Lord hatte jahrzehntelange Übung darin Geheimnisse aufzudecken und zu bewahren.
War niemandem aufgefallen, dass Severus Snape niemals der wahre Herr über den Elderstab war? Dass sein eigentliches Verbrechen am Dunklen Lord darin bestand, dass er ein Spion gewesen war und dass er Harrys Mutter geliebt hatte bis zu seinem letzten Atemzug?
Sie schloss ihre Augen und wünschte sich, dass sie mal einen Tag nichts fühlen musste. Keine Rätsel, keine Pläne und keine Sorgen, die sie erdrückten und ihr die Luft zum Atmen nahmen.
Sie musste sich darüber im Klaren werden, wie die nächsten Schritte auszusehen hatten. Jeder Schritt musste an allen Enden abgesichert sein und solche Situationen, wie heute, durften nicht noch einmal entstehen.
Draco hätte sie beinahe erwischt und das konnte er immer noch. Er brauchte im wahrsten Sinne nur weit genug hinabtauchen. Allerdings musste er dann auch an den Meermenschen vorbei, die Lily zu beschützen schienen.
Und plötzlich wurde Hermine bewusst, dass sie sich viel zu sicher gefühlt hatte, all die Wochen. Was wenn Draco Legilimens anwenden würde? Wenn er sah, was Harry hinterlassen hatte? Ein plötzliches Gefühl von Panik packte Hermine, ein Wirbel aus Farben und Gesichtern tauchten vor ihr auf.
Ron, dessen Blick zwischen Enttäuschung und Sehnsucht auf sie niedergeblickt hatte. Ginny in ihrer blanken Wut auf sie und die Welt. Cho, Luna und Oliver. Hannah mit ihren goldenen Zöpfen.
Ihre Freunde, die überlebt hatten.
Sie gefährdete ihr aller Leben, indem sie hier stand und den Tod von Lord Voldemort plante.
»Die Freunde, die dir nie schreiben?«
Dracos Worte waren wie heiße Nadeln, die sie durchbohrten. Hermine war so einsam, dass sie Mühe hatte, ihre Wut nicht auf die Menschen zu lenken, die sie zu ignorieren schienen. Aber das war doch genau das, was die Todesser irgendwann perfektioniert hatten, dachte Hermine. Die Einsamkeit der Unterdrückten ausnutzen, um ihre Gefolgschaft zu vergrößern. Um dafür zu sorgen, dass man Stück für Stück daran glaubte, dass nur sie es gut mit einem meinten.
Aber es wäre nicht fair gewesen zu denken, dass ihre Freunde sie vergessen hatten. Schließlich hatte Ron doch erst vor wenigen Wochen einen Drachen gestohlen, nachdem er erfahren hatte, dass man Hermines Eltern ermordet hatte. Sie hatten bisher einfach keinen sicheren Weg gefunden, um miteinander zu kommunizieren, so musste es sein.
Wo war ihr Feuer geblieben? Wo die Sicherheit, dass sie eine geschlossene Einheit waren, die sich selbst in den dunkelsten Zeiten vertrauen konnten?
Hatte Askaban sie so sehr gebrochen?
Sie alle?
Hermine richtete ihre Haare und band sie sich zu einem festen Knoten im Nacken zusammen. Sie würde nach Hogsmeade gehen und Hannah einen Besuch abstatten. Sich hier allein in ihrem Büro zu verbarrikadieren war einfach keine Lösung. Bevor sie die Tür öffnete, blickte sie zu dem schwarzen Zaubertrankbuch, das vollkommen unterging zwischen Snapes vielen Folianten und Studien auf Dutzenden Regalbrettern. War ihr Geheimnis hier sicher?
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Malice
FanfictionDer Krieg ist verloren und Harry Potter tot. Hogwarts ist kein Ort der Liebe und Sicherheit mehr, sondern eine Schule dominiert von Lehrern, die eigentlich Voldemorts Schergen sind. Hunderte Kilometer entfernt lebt Draco Malfoy in einer arrangierten...