Die Meerjungfrau im Fenster

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Fast schon meditativ verbrannte Hermine alle Briefe der Menschen, die ihr geschrieben hatten, als sie in Askaban inhaftiert gewesen war. Danach sortierte sie ihre wenige Kleidung und ein paar von den Stoffresten – so hatte nun alles in ihrer Hütte einen Platz, wo es hingehörte.

Erst nachdem sie Ordnung geschafften hatte, konnte Hermine nachdenken. Darüber, dass diese Welt, in die sie entlassen wurde, so grausam war, wie sie sie sich vorgestellt hatte. Und darüber, dass Draco Malfoy geliefert war, wenn sie es war. Diese Information war es auch, an der Hermine festhielt.

Dieses kleine Königreich, das sich Voldemort geschaffen hatte, war labil. Ein Regime, das auf Furcht und Tod basierte und als Hermine so nachdenklich in der Hütte saß, wurde ihr bewusst, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie das am besten für sich nutzen könnte.

In Hagrids alter Hütte, die nun so langsam Hermines Hütte war, gab es nur noch eine ungenutzte Ecke. Es war ein ehemaliger Anbau, den sie gerne in ein kleines Badezimmer umgestalten würde, aber dafür müsste sie neues Holz aus dem Wald holen und sie war nach zwei Tagen körperlicher Arbeit, obwohl ihre tatsächliche Arbeit ja noch gar nicht begonnen hatte, einfach geschafft. Sie sehnte sich nach einer Dusche.

Seit sie aus Askaban entlassen wurde, wurde sie lediglich durch Magie gesäubert und so überlegte Hermine wie sie am besten unbemerkt ins Schloss kommen konnte, um eine Dusche oder ein Bad zu nehmen.

Zehn Jahre ohne fließend Wasser. Ihre Zähne hatte sie mit einer selbstgebastelten Zahnbürste aus ihrer Gefängniskleidung und Haaren geputzt und sie hatte das dringende Bedürfnis, dass es nun an der Zeit war sich wieder wie ein Mensch zu fühlen.

Wenn auch nur äußerlich.

Hermine konnte sich nur schwer aufraffen. Der Tod ihrer Eltern drückte schwer auf ihr Gemüt, aber irgendwann hatte sie letztlich doch ein kleines Bündel zusammengepackt und ihren alten Zauberstab aufbruchsbereit in ihren Umhang gesteckt. Ihre Gedanken kreisten dennoch weiterhin um ihre Eltern. Sie sah die blasse Erinnerung ihrer Mutter und ihres Vaters vor sich. So wie sie damals ausgesehen hatten, als sie sie verlassen hatte. So oft hatte sie ihre Mutter und ihren Vater in Askaban vorgestellt. Dass sie sie besuchten, mit ihr sprachen oder sie lobten, dafür dass sie in einem so furchtbaren Ort versuchte Zahnhygiene zu betreiben.

Doch viel häufiger hatte sie versucht, einen stillen Trost in den Gedanken zu finden, dass die beiden ein wundervolles Leben in Australien führten. Nie hätte Hermine erwartet, dass sie sich wieder an sie erinnert hatten.

Sie hätte auch nicht erwartet, dass Ron auf einem Drachen nach Hogwarts fliegen wollte oder Ginny eine ganze Fabrik in die Luft sprengen würde, nur für sie.

Erst fragte sich Hermine, wie es sein konnte, dass die beiden ihr Leben für sie riskierten aber natürlich war es nur logisch.

Weil sie denselben Schmerz teilten.

Ihre Eltern waren schließlich auch gestorben.

Es war ein Trauerspiel. Zwei Tage war ihre Entlassung her und Hermine hatte bereits ihres und das Leben ihrer Freunde gefährdet. Es nagte an ihr, weil sie sich immer noch für sehr schlau hielt und es offensichtlich nicht war. Hermine war wütend auf sich selbst, als sie ihre Hütte verließ und ihre Nasenspitze leicht in den Himmel reckte. Nieselregen fiel auf sie und die Erde nieder, aber das machte ihr nichts aus – ganz im Gegenteil. Sie ließ ihre Kapuze unten und schlenderte unter den sanften Tropfen am großen See vorbei, über die Ländereien, bis zum Schlossportal, wo sie zum Glück niemandem begegnete.

Normalerweise wäre sie froh darüber gewesen, aber aus irgendeinem Grund befürchtete sie nun hinter jeder Ecke einen Todesser. Jemand, der sie darauf ansprechen würde, was sie ohne Aufsicht im Schloss machte.

MaliceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt