Die Nacht war kalt, der Morgen auch.
Hermine kauerte mit der karierten Decke vor dem Kamin, in dem sie ein Feuer entzündet hatte. Sie starrte in die Flammen und beobachtete die unterschiedlichen Farben, die warmen orangenen Zungen und die weiß-blauen ganz nahe an den Holzscheiten.
Sie hatte Angst zu vergessen, wie weh es tat. Denn sie hatte irgendwann vergessen, wie groß der Schmerz war, Harry zu verlieren. Auch wenn die Traurigkeit tief verankert feststeckte, war da nicht mehr dieser zerreißende Schmerz, der einen zerteilte, wenn sie an ihn dachte. Es war eher ein Gefühl von Taubheit, das über die Jahre geblieben war und das schlechte Gewissen, das sie überlebt hatte und Harry nicht.
Hermine sah sich in der Hütte um.
Das morgendliche Tageslicht brach durch die vielen Risse und Schlitze, die allerdings auch die kalte Luft durchließen. Sie konnte sich nicht dazu aufraffen, weiter an der Hütte zu arbeiten, also rollte sie sich vor dem Kamin zusammen und schrieb die Namen ihrer Eltern in den Staub. Irgendwann drifteten ihre Gedanken ab und sie dachte an die Weasleys, die ihre Eltern immer sehr gemocht hatten. Vor allem Arthur Weasley. Sie überlegte, ob sie Ron und Ginny schreiben sollte. Ob sie wissen sollten, dass auch Hermine ihre Eltern verloren hatte. Aber eigentlich wusste sie die Antwort schon. Natürlich musste sie ihnen schreiben.
Es dauerte viel länger als man normalerweise für das Schreiben eines Briefes benötigen würde, aber kurz vor dem Mittag hatte Hermine ein paar Zeilen formuliert, die sie über die Eulerei in Hogsmeade an die Orte schicken wollte, an denen ihre Freunde ihr neues Leben anfingen.
Sie hatte keine große Lust, sich mehr als nötig im Schloss aufzuhalten, und vielleicht war die Chance höher, dass die Todesser den Brief nicht abfingen, wenn sie ihn außerhalb von Hogwarts versendete. Auch wenn sie nicht wirklich daran glaubte und die Zeilen so formulierte, dass man ihr später nichts vorwerfen konnte.
Lieber Ron,
ich hoffe, ihr seid gut bei Charlie angekommen. Ich möchte nicht lange um den heißen Brei herumreden. Ich habe gestern einen Brief von meinen Eltern gelesen. Er ist zehn Jahre alt und sie haben sich wieder an mich erinnert.
Die Hüter der magischen Gemeinschaft haben ihn auch gelesen. Du weißt sicher, was das wahrscheinlich für meine Eltern bedeutete. Ich möchte dir damit sagen, dass du gut auf dich Acht geben musst. Ihr alle. Macht keine Dummheiten.
Wir dienen nun dem Dunklen Lord.
Hermine
Es war furchtbar. Hermine wusste, dass es Worte waren, die Ron wütend zurücklassen würden aber, wenn da immer noch ein Funken Respekt oder sogar Liebe für Hermine in ihm war, dann verstand er, was sie ihm mit ihren Zeilen sagen wollte.
Liebe Ginny,
ich habe Ron ebenfalls einen Brief geschrieben. Bitte versuch zu verstehen, dass das Einzige, was mich je ausgemacht hat, mein Talent und meine Intelligenz war. Ich kann eine gute Lehrerin werden. Bitte versuch zu verstehen, wieso ich Professor Snape eine würdige Nachfolgerin sein möchte.
Und nun zu dem Teil, den ich Ron schon geschrieben habe. Gestern bei meiner Ankunft habe ich einen Brief gefunden, den meine Eltern vor zehn Jahren an mich adressiert hatten. Die Hüter der magischen Gemeinschaft haben ihn abgefangen. Wie ich Ron bereits schrieb, weißt auch sicher du, was das wahrscheinlich für meine Eltern bedeutete. Ich möchte, dass ihr alle achtsam seid und keine Dummheiten macht.
Wir dienen nun dem Dunklen Lord, Ginny. Vergiss das nie.
Hermine
Die Sonnenstrahlen, die durch ein gebrochenes Fenster schienen, wärmten Hermines Gesicht, als sie die beiden kleinen Pergamente faltete und in ihre Umhangtasche steckte. Ihre Glieder schmerzten, aber sie musste sich bewegen und sie nahm sich vor, im Anschluss an ihren Spaziergang nach Hogsmeade wieder an der Hütte zu arbeiten.

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Malice
FanfictionDer Krieg ist verloren und Harry Potter tot. Hogwarts ist kein Ort der Liebe und Sicherheit mehr, sondern eine Schule dominiert von Lehrern, die eigentlich Voldemorts Schergen sind. Hunderte Kilometer entfernt lebt Draco Malfoy in einer arrangierten...