Schwarz wie Ebenholz

58 8 6
                                        

Wenn es einen Tag gegeben hätte, der widerspiegelte, was in Hermine vorging, dann wäre es der Heutige gewesen.

Es regnete wie aus Kübeln und alle paar Minuten rollte ein donnerndes Grollen über den Himmel, als würde das Universum die Wut herausbrüllen, die Hermine so erfolgreich in sich verbarg.

Sie hatte die Nacht kaum geschlafen. Zu viele Gedanken quälten sie und waren verantwortlich für die dunklen Ringe unter ihren Augen.

Ihre kalten Finger spielten mit der Kette, die Draco ihr geschenkt hatte. Sie lag verborgen unter ihrem Umhang, ruhte auf ihrem Dekolleté und fühlte sich warm zwischen ihren Fingern an. Der Schlüssel und seine Bedeutung waren einer der Gedanken, die Hermine nachts wachhielten – wieso war er in dem Fenster des Vertrauensschülerbadezimmers versteckt worden? Sie drehte ihn, befühlte seine zarte Gestalt, aber egal welchen Ansatz sie gedanklich verfolgte, Hermine kam zu keinem logischen Schluss.

»Bereit?«

Draco hatte die Kapuze seines schwarzen Reiseumhanges tief ins Gesicht gezogen. »Ja.«, antwortete Hermine, schützte sich ebenfalls mit ihrer Kapuze vor dem herabfallenden Regen und trat von der kleinen Stufe ihrer Haustür herunter, um neben Draco in Richtung Hogsmeade zu gehen.

Die beiden würden nach London apparieren, da die Zugfahrt zu viel Zeit in Anspruch nahm, aber dafür war es notwendig, aus den Schutzzaubern des Schlosses herauszutreten.

Die Grenze lag nicht weit von ihrer Hütte entfernt.

»Hast du deine Unterlagen dabei?«, wollte Draco wissen und gab ein ziemliches Tempo vor, mit dem Hermine allerdings gut mithalten konnte. »Ja. Alles dabei.«, sagte sie in einem sachlichen Ton.

Es war ein kleines Pergament, das sie bereits auf ihrem Weg nach Hogwarts geöffnet und gelesen hatte. Es schilderte lediglich kurz die Behandlung mit einem Zauberspruch namens Fertilinis.

Trotzdem kam es Hermine vor, als wüsste sie absolut nichts über diesen Eingriff. Wie genau musste sie sich vorstellen, dann man ihr die Fähigkeit nahm, Nachkommen zu gebären? Ob es schmerzhaft war?

»Gut.« Dracos Kommentar holte Hermine aus ihrem Gedankenkarussell und als der nächste Donner über ihren Köpfen hinweg rollte, hielt er am Waldrand an und wandte sich Hermine zu, die ihm aufmerksam in das halbverborgene Gesicht blickte.

Er reichte ihr stumm seine Hand. Ohne zu zögern und ohne, dass Hermine ihren Blick senkte, legte sie ihre Hand in die ihres Wächters.

Es vergingen einige Sekunden, bis Draco Hermine etwas näher an sich heranzog, so dass sie seinen warmen Atem auf ihrer Nasenspitze fühlen konnte.

Eine Sekunde später empfand Hermine zum ersten Mal nach einem Jahrzehnt dieses seltsame Gefühl in ihrer Magengegend. Der Moment, indem sich ihr Körper an einem Ort auflöste und am nächsten wieder zusammensetze. Mitten in London, vor Blicken verborgen in einer engen Gasse, tauchten sie plötzlich auf – ihre Hände immer noch ineinandergelegt. Hermines Knie waren etwas wacklig, aber sie vertrug das Apparieren deutlich besser, als sie erwartet hatte.

Das Wetter hier unterschied sich nicht von dem in Hogwarts. Regen prasselte auf die beiden Magier nieder und als Hermine ihre Hand, aus der von Draco löste, hätte sie schwören können, dass es einen kleinen Moment gab, in dem seine Finger den ihren folgten, als würde er sie überhaupt nicht loslassen wollen – aber dieser Augenblick war so schnell vorbei, wie er gekommen war.

Es war viele Jahre her, als sie das letzte Mal das St.-Mungo-Hospital besucht hatte. Damals waren sie zu Besuch bei Mr Weasley gewesen, der dank Harrys Visionen den Angriff in der Mysteriumsabteilung überlebt und seine Weihnachtszeit als Patient in dem Hospital verbracht hatte.

MaliceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt